![](https://i1.wp.com/img.nzz.ch/2024/02/01/bec719ae-2ebd-4bbc-8c09-cacf458b7bbe.jpeg?width=1200&height=674&fit=bound&quality=75&auto=webp&crop=3000,1685,x0,y45&wmark=nzz&w=1200&resize=1200,0&ssl=1)
Erst 2021 wurde der Fall von der Staatsanwaltschaft neu aufgerollt. Nun ist das Urteil da.
Das Jahr 1987 war erst wenige Minuten alt, als ein französischer Tourist in der Nähe des Times Square in New York mitten in der Menschenmenge angegriffen wurde. Der Mann, der 71-jährige Jean Casse, wurde geschlagen, zu Boden geworfen und ausgeraubt. Wenige Tage später erlag er seinen Verletzungen.
Zwei junge Männer aus Brooklyn, der damals 19-jährige Eric Smokes und der damals 16-jährige David Warren, wurden verhaftet. Ein halbes Jahr später wurden sie für den tödlichen Raubüberfall auf Casse verurteilt und ins Gefängnis geschickt.
Smokes und Warren sagten aus, dass sie zwar mit ihren Freunden für den Jahreswechsel nach Manhattan gefahren seien, jedoch nie in die Nähe des Tatorts gekommen seien. Sie verfügten über ein Alibi, und es gab keine Beweismittel, die sie mit der Tat in Verbindungen brachten. Doch mehrere Teenager bezeugten vor Gericht, dass sie die beiden bei der Tat beobachtet hätten. Das reichte der Jury, um sie zu verurteilen.
Langer Kampf für Gerechtigkeit
Seitdem versuchen Smokes und Warren, ihre Unschuld zu beweisen. Lange ohne Erfolg. Erst am Mittwoch, 37 Jahre und 30 Tage nach dem Vorfall am Times Square, gab ein Richter ihnen recht.
«Eric Smokes und David Warren verloren Jahrzehnte ihres Lebens durch eine ungerechte Verurteilung», sagte Alvin Bragg, der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, nach dem Entscheid in einer Mitteilung. «Ich fühle mich durch das unnachgiebige Eintreten von Herrn Smokes und Herrn Warren inspiriert und hoffe, dass die heutige Entscheidung ihnen endlich ein gewisses Mass an Trost und Gerechtigkeit bringen kann.»
Smokes, heute 56 Jahre alt, wurde 2011 nach 24 Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Der heute 53-jährige Warren kam 2007 nach 20 Jahren frei. Die beiden kennen sich seit ihrer Jugend und haben ihre Freundschaft auch in Gefangenschaft nicht aufgegeben – wie sie auch den Glauben in die Justiz nie aufgegeben haben.
«Alle sagen, das System funktioniere nicht. Es funktioniert schon, aber es ist langsam», sagte Smokes laut ABC 7 nach dem Entscheid des Richters.
Neuer Staatsanwalt bringt Wende
2005 erhielt Smokes im Gefängnis einen Brief. Er stammte von einem der Zeugen, der schrieb, damals als 16-Jähriger vor Gericht nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Er habe die beiden nicht bei der Tat beobachtet. Er habe dies nur gesagt, um im Gegenzug von der Polizei für einen anderen Überfall nicht festgenommen zu werden.
Die Anwälte von Smokes und Warren fanden noch weitere Schwachstellen in der Beweisführung und stellten 2017 einen Antrag auf Aufhebung der Verurteilung. Doch trotz diesen Hinweisen weigerte sich die Staatsanwaltschaft von Manhattan damals, den Antrag zu unterstützen. Ein Richter wies ihn im Januar 2020 schliesslich ab.
2021 wurde Alvin Bragg zum Staatsanwalt gewählt. Er gründete eine «Post-Conviction Justice Unit». Die Stelle arbeitet mit Personen zusammen, die eine Aufhebung ihrer Verurteilung anstreben. Auch der Fall von Smokes und Warren wurde unterstützt, und es wurde 2021 eine neue Untersuchung angeordnet, die die Befragung von mehr als zwanzig Zeugen und die Durchsicht aller relevanten Akten umfasste.
Jugendliche Zeugen unter Druck gesetzt
Dabei kam heraus, dass viele der Teenager, die damals gegen Smokes und Warren ausgesagt hatten, selbst als Verdächtige in dem Fall behandelt wurden. Die Untersuchung bestätigte auch die vom Zeugen im Brief geschilderte Geschichte. Ein anderer Zeuge, der die beiden bei der Tat beobachtet haben wollte, gab nun zu, den Vorfall nicht gesehen zu haben. Die Polizei habe ihm gesagt, dass ein anderer Zeuge die beiden bereits identifiziert habe. Wenn er sie nicht beschuldigen würde, würde er selbst angeklagt. Die Staatsanwaltschaft empfahl nach der Untersuchung, die Verurteilung aufzuheben.
Dem kam Richter Stephen Antignani nun nach. Er ist derselbe Richter, der den Antrag 2020 noch abgewiesen hatte. Sie könnten gehen, sagte er laut der «New York Times», «mit dem Wissen, dass ihr keine Verbrecher seid». Daraufhin sagte Warren: «Das waren wir nie.»
Mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht und umringt von Familie, Freunden und Unterstützern verliessen Smokes und Warren das Gericht. Sie erwägen nun, eine Zivilklage einzureichen, um für eine Entschädigung zu kämpfen.