Bereits kurz nach der Wahl zeichnet sich ab, wie Donald Trump die liberale Demokratie schwächen möchte. Um fragwürdige Minister einsetzen zu können, will er das Mitspracherecht des Senats aushebeln. Dabei stützt er sich auf archaische Verfassungsartikel.
Er wolle nur am ersten Tag im Amt ein Diktator sein, erklärte Donald Trump im Wahlkampf mit einem Augenzwinkern. Nun deutet sich bereits zwei Monate vor seinem Amtsantritt an, wie er die Verfassung biegen könnte. Jeder Republikaner, der Mehrheitsführer im Senat werden wolle, müsse sich zu sogenannten «recess appointments» bekennen, schrieb Trump vor zehn Tagen bei seinem Kurznachrichtendienst Truth Social. Diese Möglichkeit erlaubt es Präsidenten, Regierungsmitglieder ohne die Zustimmung des Senats temporär für zwei Jahre ins Amt zu heben, wenn der Senat eine Sitzungspause von mehr als zehn Tagen einlegt.
Gemäss der Verfassung braucht der amerikanische Präsident im Normalfall die Zustimmung des Senats, um wichtige Positionen in seiner Regierung zu besetzen. Eigentlich sollte dieses Verfahren für Trump kein Problem darstellen. Denn seine Republikanische Partei wird in der kleinen Parlamentskammer in der kommenden Legislaturperiode voraussichtlich eine Mehrheit von 53 der 100 Sitze kontrollieren.
Widerstand aus den eigenen Reihen
Doch vergangene Woche wurde klar, warum der angehende Präsident auf «recess appointments» drängte. Mit dem Fernsehmoderator Pete Hegseth, der Putin-Apologetin Tulsi Gabbard, dem polarisierenden Heisssporn Matt Gaetz und dem Impfgegner Robert F. Kennedy nominierte Trump fragwürdige Figuren für Schlüsselpositionen. Hegseth soll Verteidigungsminister werden, Gabbard ist als Geheimdienstkoordinatorin vorgesehen, Gaetz als Justizminister und Kennedy als Gesundheitsminister. Hegseth und dem kürzlich zurückgetretenen Kongressabgeordneten Gaetz werden unter anderem sexuelle Vergehen vorgeworfen. Der designierte Verteidigungsminister trat zudem 2021 aus der Nationalgarde aus, nachdem intern der Verdacht aufgekommen war, er sei ein Rechtsextremist.
Diese Kandidaten sind selbst für einige republikanische Senatoren nicht akzeptabel. Drei Abweichler reichen bereits, um eine Bestätigung mit 51 Stimmen zu verhindern. Bei einer Pattsituation könnte Trumps Vizepräsident J. D. Vance den Stichentscheid fällen. Womöglich könnte der republikanische Widerstand in der kleinen Parlamentskammer aber wesentlich grösser sein. Die Zeitung «The Hill» identifizierte neun konservative Senatoren, die Trump die Gefolgschaft verweigern könnten.
Zu den möglichen republikanischen Rebellen gehören die beiden moderaten Republikanerinnen Susan Collins und Lisa Murkowski. Beide haben die Nomination von Gaetz bereits öffentlich als schockierend und unseriös kritisiert. Der Texaner John Cornyn verlangte seinerseits, dass das Repräsentantenhaus einen Ethikbericht zu Gaetz veröffentlicht, der sich mit den Vorwürfen von Sex mit einer Minderjährigen und dem Konsum illegaler Drogen befasst. Der langjährige Senatsführer Mitch McConnell gilt ebenfalls als standhaft und empfindet tief in seinem Inneren eine grosse Verachtung gegenüber Trump. Der 82-Jährige tritt 2026 vermutlich nicht mehr zur Wiederwahl an und muss auf seine Karriere kaum mehr Rücksicht nehmen.
Gleichzeitig wählten die republikanischen Senatoren vergangene Woche John Thune zu ihrem neuen Mehrheitsführer. Damit sprachen sie sich gegen den Trump-Republikaner Rick Scott aus. Thune war neben McConnell die Nummer zwei im Senat und gilt als Vertreter des moderaten Establishments. Er meinte zwar, dass «recess appointments» eine Option sein könnten, um die Wunschkandidaten des Präsidenten schnell ins Amt zu hieven. Er zweifelte jedoch daran, dass es genügend republikanische Senatoren gebe, die für eine zehntägige Sitzungspause ihrer Institution stimmen würden: «Die gleichen Republikaner, die ein Problem haben, für eine bestimmte Person in einem normalen Verfahren zu stimmen, hätten wahrscheinlich auch ein Problem damit, den Senat in eine Pause zu schicken.»
Winkelzug über das Repräsentantenhaus
Offensichtlich erwägen Trump und seine Mitstreiter aber bereits einen Plan, um den Senat ohne dessen Zustimmung zu einer Sitzungspause zu zwingen: mit der Hilfe des Repräsentantenhauses. Die Grundlage dafür ist eine Verfassungsklausel, die noch nie in der Geschichte der USA zur Anwendung gekommen ist. Um eine Sitzungspause von mehr als drei Tagen einzulegen, braucht der Senat die Zustimmung des Repräsentantenhauses. Im dritten Abschnitt des zweiten Verfassungsartikels heisst es nun aber sinngemäss: Können sich die beiden Kammern nicht auf eine zeitliche Vertagung einigen, ist es dem Präsidenten erlaubt, den Kongress so lange zu vertagen, wie es ihm richtig erscheint.
Noch sind nicht alle Wahlzettel ausgezählt. Aber voraussichtlich werden die Republikaner auch im Repräsentantenhaus eine knappe Mehrheit der Sitze kontrollieren. Theoretisch könnte der republikanische Speaker Mike Johnson eine Vorlage zur Abstimmung bringen, die eine Sitzungspause von mindestens zehn Tagen für beide Parlamentskammern vorsieht. Weigert sich der Senat, diese Vorlage ebenfalls anzunehmen, könnte Trump die Alleinregie übernehmen.
In einem Fernsehinterview am Sonntag wollte Johnson ein solches Szenario nicht ausschliessen. Es werde vielleicht eine Verwendung für diese Option geben, meinte der Trump-Vertraute. «Wir müssen sehen, wie es ausgeht.»
Er hoffe, dass der Senat seine Aufgabe wahrnehme und die von Trump gewünschten Nominationen bestätige, erklärte Johnson. Das amerikanische Volk habe dem Präsidenten mit einem «überwältigenden Wahlsieg» einen Auftrag gegeben. Und dieser habe nun das Recht, seine Wunschkandidaten zu ernennen, um seine Agenda umzusetzen. Im Klartext: Wenn sich nicht alle Republikaner im Senat geschlossen hinter Trumps umstrittene Personalentscheide stellen, könnte das «House» intervenieren.
Ein «Anachronismus» mit neuem Zweck
Allerdings müssten dafür angesichts der knappen Mehrheit auch im Repräsentantenhaus fast alle Republikaner geschlossen für eine Sitzungspause stimmen. Zudem ist davon auszugehen, dass das Oberste Gericht über die Zulässigkeit eines solchen Szenarios mitentscheiden könnte. Wie der amerikanische Gründervater Alexander Hamilton in den «Federalist Papers» schrieb, sollte den «recess appointments» nur eine «Hilfsfunktion» zukommen, wenn sich das normale Verfahren als unzulänglich erweist.
Als die Verfassung im 18. Jahrhundert geschrieben wurde, ergab dieses alternative Ernennungsverfahren durchaus Sinn. «Weil die Gründer mit Pferden in die Hauptstadt reisen mussten, gewährten sie dem Präsidenten die Macht, Vakanzen in einer Sitzungspause des Senats zu füllen», schreibt das «Wall Street Journal». Noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts habe der Senat im Schnitt weniger als sechs Monate pro Jahr getagt, heisst es in einem Kongressbericht.
Präsident Bill Clinton nutzte das Instrument noch in 139 Fällen, George W. Bush vollzog 171 «recess appointments» und Barack Obama noch 32. Denn die zunehmende politische Polarisierung führte im Senat zu Blockaden und immer längeren Ernennungsverfahren. Bis 2013 brauchte es im Senat noch eine qualifizierte Mehrheit von 60 Stimmen für die Bestätigung einer Ernennung. Ein Urteil des Supreme Court schränkte 2014 die «recess appointments» jedoch ein. Seither liessen die Mehrheitsführer im Senat solche alternativen Ernennungsverfahren nicht mehr zu.
Dem konservativen Obersten Richter Antonin Scalia ging das damalige Urteil indes nicht weit genug. In der heutigen Zeit mit modernen Transport- und Kommunikationsmitteln sei der Senat eigentlich immer handlungsfähig, schrieb er. Die Verfassungsklausel zu den «recess appointments» sei deshalb ein «Anachronismus» und ein «historisches Relikt», dessen ursprünglicher Zweck nicht mehr existiere.
Trump will dem Instrument nun trotz einer republikanischen Mehrheit im Senat einen neuen Zweck verleihen. «Diese Idee ist verfassungswidrig», urteilt selbst das konservative «Wall Street Journal». Im Grunde würde das Vorhaben die Gewaltenteilung – das Kernelement einer liberalen Demokratie – aushebeln. Wenn Trump sich durchsetze, könne der nächste Demokrat im Oval Office linke Nominierungen durchwinken, kommentiert das «Journal». «Wer auch immer Präsident wäre, würde die unilaterale Macht besitzen, Verrückte und Kumpanen für Ämter mit immenser Autorität zu ernennen.»