Für Fondsmanager Marc Strub zählt neben dem Geschäftsmodell und der Bewertung auch die Qualität des Managements zu den zentralen Investitionskriterien bei Nebenwerten. Im Interview sagt er, welche Schweizer Unternehmen aus seiner Sicht Zollrisiken tragen und wo er zuletzt zugekauft oder verkauft hat.
Mit dem Fonds Reichmuth Dividendenselektion Schweiz setzt der Innerschweizer Marc Strub auf Unternehmen, die eine nachhaltige Dividende ausschütten, sie aus eigener Kraft kontinuierlich steigern und mit einem überzeugenden Geschäftsmodell punkten. Sein Team investiert mit dem Fonds Reichmuth Pilatus zudem antizyklisch in Schweizer Nebenwerte mit starker Marktstellung, kompetentem Management und einer soliden Bilanz.
Im Interview mit The Market erklärt Strub, welche Schweizer Unternehmen von den Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump besonders betroffen sind – oder profitieren könnten. Er spricht über seine jüngsten Käufe und Verkäufe und sagt, warum er trotz des von ihm erwarteten Übergangsjahres 2025 für Zykliker optimistisch bleibt.
Herr Strub, US-Präsident Donald Trump hat Zölle von 10% auf Importe aus China eingeführt. Mexiko und Kanada wurde dank Zugeständnissen Aufschub gewährt. Stahl und Aluminium aus Europa sollen im März mit einem Zoll von 25% belegt werden. Welche Schweizer Unternehmen sind die grössten Verlierer dieser Entwicklung?
Dazu gehören Unternehmen mit Produktionsstätten in den betroffenen Ländern, die von dort in die USA exportieren. Die Handelsbeschränkungen schaden aber auch der Weltwirtschaft, insbesondere zyklischen Branchen und Herstellern mit internationalen Lieferketten – darunter der Automobil- und der Maschinenbauindustrie sowie ihren Zulieferern.
Können Sie Beispiele nennen?
Insbesondere Ems-Chemie, Clariant, Autoneum und Forbo könnten unter Handelsbarrieren gegen Europa leiden. Barry Callebaut und SIG Group betreiben Produktionsstätten in Mexiko für den US-Markt – Zölle würden diese Strategie erschweren. Logitech, Weltmarktführer für Computerzubehör, produziert noch zu 50% in China und erzielt 36% des Umsatzes in den USA.
Das Geschäft des Computerzubehörherstellers läuft aber gut, und an der Börse geht es wieder aufwärts. Wie schätzen Sie das Potenzial ein?
Logitech ist mit ihrem starken Produktportfolio trotz des Kursanstiegs immer noch attraktiv bewertet. Ich bin überzeugt, dass das Management weiter liefern wird und der Rückenwind für die Aktien anhält. Ein Risiko bleibt jedoch die Abhängigkeit von China.
Ein Titel, der ebenfalls im Zusammenhang mit den US-Zöllen genannt wird, ist der Laborausrüster Tecan. Wie gross ist das Risiko?
Tecan erwirtschaftet 60% des Umsatzes in den USA, produziert aber nur 50 bis 60% dieser Verkäufe vor Ort. Nach eigenen Angaben kann das Unternehmen die Produktion flexibel anpassen, falls Zölle eingeführt werden – ein klarer Vorteil. Zudem erwirtschaftet es einen Teil des Umsatzes mit Services und Verbrauchsmaterialien, die kaum von Zöllen betroffen sind. Nach dem Kursrückgang hat der Aktienkurs Potenzial, wobei die Jahresprognose am 12. März die mittelfristige Richtung weisen wird.
Einzelne Schweizer Unternehmen wie Holcim könnten von Preiseffekten profitieren, sagen Marktstimmen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Holcim Nordamerika, die zukünftige Amrize, könnte profitieren: Die USA sind einer der grössten Zementnachfrager der Welt und importieren einen Teil ihres Bedarfs aus Mexiko und Kanada. Da Holcim hauptsächlich in den USA produziert, könnten höhere Preise aufgrund von Zöllen von Vorteil sein.
Wie sieht es bei Kühne + Nagel und SGS aus, wenn sich die Lieferketten mittelfristig verschieben?
Der Protektionismus belastet das Handelsvolumen, was für den Logistiker Kühne + Nagel wegen der starken Abhängigkeit vom transpazifischen Handel besonders problematisch ist. Ein schwaches Marktumfeld in der Containerschifffahrt könnte zudem zu länger anhaltenden Phasen niedriger Frachtraten führen. Auch eine Normalisierung der Lage im Roten Meer, die eine kürzere Route ermöglicht, wirkt sich negativ aus.
SGS ist weniger abhängig vom Handelsvolumen.
Die Verlagerung von Produktionsstätten in die USA schafft gar neue Geschäftsmöglichkeiten für Prüfkonzerne wie SGS. Viele Tests in den Produktionsstätten sind gesetzlich vorgeschrieben, und Investoren verlangen zunehmend komplexe Inspektionen der Lieferketten. Zudem überzeugt bei SGS der Track Record der neuen CEO Géraldine Picaud.
Der Fonds Reichmuth Pilatus, mit dem Sie in Schweizer Nebenwerte investieren, hat das Jahr 2024 mit einer negativen Performance abgeschlossen. Was waren die Gründe dafür?
Unsere Strategie war in der Vergangenheit sehr zyklisch. Historisch haben wir unter anderem verstärkt in Zykliker investiert, wenn der Schweizer PMI seinen Tiefpunkt erreichte, weil dies in der Regel eine Erholungsphase für zyklische Small Caps einleitete. Ende 2023 fiel der PMI auf einen Tiefpunkt, doch die von uns erwartete Erholung blieb aus.
Kommt 2025 die Trendwende?
2025 dürfte ein Übergangsjahr bleiben, ein deutlicher Aufschwung ist noch nicht erkennbar. Dennoch blicke ich optimistisch in die Zukunft, weil viele Unternehmen ihre Kosten in den letzten Jahren gesenkt haben. Ich rechne damit, dass sich zahlreiche Gesellschaften von ihrem teils sehr niedrigen Kursniveau erholen werden.
Im Reichmuth Pilatus ist Bossard eine bedeutende Position. Wie zuversichtlich sind Sie für dieses Investment?
Die Frühindikatoren zeigen derzeit ein uneinheitliches Bild mit regionalen Unterschieden. Bossard spürt insbesondere die Konjunkturschwäche in Europa. Und wichtige US-Kunden wie John Deere litten unter dem schwachen Agrarmarkt und dem Lagerabbau nach der Pandemie. Dieser Gegenwind sollte allmählich nachlassen. Bossard überzeugt durch eine schlanke Kostenstruktur.
Die Aktien von Bossard steigen in der Regel sehr früh im Zyklus.
Der genaue Zeitpunkt des Konjunkturaufschwungs ist ungewiss, aber die Aktienmärkte preisen ihn oft schon sechs Monate im Voraus ein. Sobald sich Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes PMI verbessern, kann Bossard bereits deutlich höher notieren.
Wie wichtig sind Makroindikatoren letztlich für den Investitionsentscheid?
Unser Fokus liegt auf Unternehmen mit starker Marktposition, kompetentem Management und solider Bilanz – nicht auf exaktem Market Timing. Selbstverständlich beobachten wir das Makroumfeld und berücksichtigen es in der Portfoliokonstruktion. Derzeit herrscht viel Bewegung. Viele Schweizer Industrieunternehmen exportieren nach Europa, insbesondere Deutschland. Gelingt es der CDU/CSU, eine handlungsfähige Regierung zu bilden, erwarten wir positive Konjunkturimpulse.
Nach welchen Kriterien beurteilen Sie die Qualität des Managements?
Wichtig für uns sind unter anderem die Kontinuität, langfristige Anreize, eine realistische Erwartungshaltung und eine transparente Kommunikation.
Welche Unternehmen im Fonds überzeugen in dieser Hinsicht?
Unternehmen wie Bucher, SFS, Bossard und Interroll konzentrieren sich darauf, ihre Ziele mittelfristig zu übertreffen, statt kurzfristig, von Quartal zu Quartal, zu agieren.
Doch bei Bucher scheint der Trend an der Börse nach unten zu gehen.
Bucher ist breit diversifiziert und profitiert von der Stabilität in verschiedenen Segmenten. Langfristiger Haupttreiber bleibt dank der zunehmenden Bedeutung der Ernährungssicherheit der Agrarsektor. 2025 dürfte ein weiteres Übergangsjahr sein, der Lagerabbau bei den Händlern ist jedoch weit fortgeschritten.
Sie sehen das Glas halb voll?
Bucher generiert einen starken Cashflow, sodass eine attraktive Dividende oder wie das soeben angekündigte Aktienrückkaufprogramm möglich sind. Auf normalisierter Basis ist die Aktie attraktiv bewertet.
Welche neuen Positionen gibt es im Nebenwerteportfolio?
Zuletzt haben wir Arbonia in unser Portfolio aufgenommen. Die Gesellschaft befindet sich in einer Transformationsphase zum führenden europäischen Türenhersteller, mit dem Ziel, den Marktanteil von 10 auf 20% zu verdoppeln. Sie bietet eine spannende Turnaround-Story mit solidem Wachstumspotenzial und einer attraktiven Dividendenpolitik. Belimo hingegen haben wir verkauft. Das Geschäftsmodell ist nach wie vor überzeugend, aber die Bewertung ist absolut und relativ sehr hoch. Zudem entspricht die Marktkapitalisierung von über 7 Mrd. Fr. mittlerweile nicht mehr den Kriterien des Fonds.
Ein weiterer auffälliger Titel am Schweizer Markt ist der Licht- und Sensorenspezialist AMS Osram: Auch hier scheint sich eine Trendwende abzuzeichnen. Doch angesichts der nach wie vor hohen Verschuldung bleibt die Frage: Wie nachhaltig ist sie?
Ein wichtiger Faktor ist das Ende des Lagerabbaus im Automobil- und im Industriesektor, was Umsatz und Margen stützen sollte. Darüber hinaus werden neue Design Wins, insbesondere für das iPhone-17-Portfolio, ab 2025 für Wachstumsimpulse sorgen. Und die laufenden Massnahmen zur Effizienzsteigerung zeigen Wirkung: Die Ebitda-Marge soll bis 2026 von 17 auf 19% steigen. Trotz dieser Fortschritte bleibt die Nettoverschuldung hoch und die Refinanzierung bis 2027 eine Herausforderung. Positiv ist hingegen der Free Cashflow, der 2025 mehr als 100 Mio. € betragen soll.
Was bedeutet diese Ausgangslage für das Kurspotenzial der Aktien?
Die Titel sind attraktiv bewertet und profitieren von den verbesserten Marktbedingungen. Entscheidend für eine nachhaltige Erholung bleiben eine steigende Profitabilität, der Schuldenabbau und eine konsequente Kostendisziplin. Die hohe Abhängigkeit von wenigen Schlüsselkunden ist ein Risiko, und auch die Kommunikation war in der Vergangenheit nicht immer mustergültig.
Welche Schweizer Unternehmen mit bereits hoher Profitabilität überzeugen Sie?
Dazu gehören Geberit, VAT und Accelleron. VAT investiert jährlich mehr in Forschung und Entwicklung für Vakuumventile, als der zweitgrösste Marktteilnehmer Umsatz erzielt. Dies sichert einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil – auch in einem zyklischen Marktumfeld. Accelleron als Spezialist für Hochleistungsturbolader profitiert von hohen Markteintrittsbarrieren – es dauert rund fünfzehn Jahre, eine profitable installierte Basis aufzubauen. Accelleron profitiert von der Umstellung auf grüne Kraftstoffe, weil ihre Turbolader die Effizienz der Antriebe um bis zu 300% steigern. Der Aktienkurs reflektiert bereits viele dieser Faktoren, weshalb ich meine Position kürzlich reduziert habe.
Warum befindet sich kein Schweizer Halbleiterzulieferer unter den Top-Positionen des Pilatus-Fonds?
Wir sind in Comet und Inficon investiert, haben aber nach der starken Performance der letzten Jahre insbesondere bei Comet Gewinne realisiert. Angesichts der hohen Markterwartungen und Bewertungen bevorzugen wir derzeit Industriesegmente, die in den letzten Jahren stärker gelitten haben und ein attraktiveres Chance-Risiko-Verhältnis bieten.
Mit dem Fonds Reichmuth Dividendenselektion Schweiz investieren Sie in dreissig bis vierzig Titel. Welche Faktoren sind bei der Auswahl entscheidend?
Erstens müssen die Unternehmen eine nachhaltige Dividende ausschütten, wobei auch Aktienrückkäufe zu berücksichtigen sind. Zweitens muss die Fähigkeit vorhanden sein, die Dividende aus eigener Kraft kontinuierlich zu steigern. Drittens sind das Geschäftsmodell und die Bewertung entscheidend.
Welche Aktien haben Sie zuletzt in Ihr Dividendenportfolio aufgenommen?
Dazu gehören Georg Fischer und Sunrise. Der Industriekonzern Georg Fischer befindet sich in einem strategischen Wandel und fokussiert sich zunehmend auf margenstarke und weniger zyklische Wasser- und Durchflusslösungen. Langfristige Trends wie Urbanisierung, Klimaschutz und Infrastrukturinvestitionen treiben die Nachfrage nach modernen Rohrleitungssystemen. Bis 2027 wird ein jährliches Umsatzwachstum von 4 bis 5% erwartet. Sunrise ist eine kleine, aber interessante Position. Sie ist die Nummer zwei im Schweizer Telecommarkt und bietet eine Dividendenrendite von knapp 8%, die für mindestens fünf Jahre steuerfrei bleibt. Die Bewertung ist vielversprechend, aber die hohe Verschuldung mit einem Nettoverschuldungsgrad von 4,4-mal Ebitda birgt Risiken. Sunrise wird keine zehn Jahre im Portfolio bleiben.
Welche Anteile haben Sie verkauft?
Stadler Rail. Der Zugbauer ist mit seinen Produkten erfolgreich und verfügt über einen hohen Auftragsbestand, hat aber Schwierigkeiten, die Margen- und Cashflow-Ziele in der derzeitigen Wachstumsphase zu erreichen. Rund 50% der Kostenbasis sind auf den starken Franken zurückzuführen, während nur 14% des Umsatzes in der Schweiz erzielt werden. Gleichzeitig ist es schwierig, höhere Produktionskosten an die Kunden weiterzugeben, und die Fixkosten steigen schneller als der Umsatz, weil Aufträge erst mit Verzögerung verbucht werden.
Schweizer Versicherer gehören in jedes Dividendenportfolio. Welche überzeugen Sie besonders?
Neben Zurich Insurance setze ich vor allem auf Swiss Life und Swiss Re. Zurich überzeugt dank des Farmers-Geschäfts in den USA mit herausragender Profitabilität und einer hohen, weiter steigenden Dividende. Swiss Life hat erfolgreich in das Asset Management investiert und zeigt starkes Wachstum. Swiss Re profitiert von höheren Preisen im Rückversicherungsmarkt und konnte zuletzt Bedenken über unzureichende Reserven entschärfen. Ergänzt wird das Portfolio durch kleinere Positionen in Helvetia und Baloise. Helvetia läuft operativ stark, hat jedoch den coronabedingten Bewertungsabschlag bereits aufgeholt. Baloise hingegen hat noch Profitabilitätspotenzial, bedingt durch eine schwache Marktstellung im Ausland und frühere Investitionen, die kaum die Kapitalkosten decken. Ob der aktivistische Investor Cevian genug Druck für Veränderungen ausüben kann, bleibt abzuwarten.
Novartis oder Roche: Welcher Pharmakonzern hat 2025 die besseren Aussichten?
Für 2025 sehe ich bessere Perspektiven für Roche. Die Diagnostiksparte dürfte dank neuer Produkte wieder wachsen, und die Pipeline ist mit mehreren vielversprechenden Studien in der Endphase gut gefüllt – auch im Bereich der GLP-1-Medikamente. Zudem bleibt Roche gelassen gegenüber möglichen US-Zöllen, weil sie über eine vollständige Wertschöpfungskette vor Ort verfügt und stark in Forschung und Entwicklung investiert. Novartis hingegen steht vor grösseren Herausforderungen: Die Pipeline ist etwas schwächer, und das Unternehmen ist stärker vom Ablauf von Patenten betroffen.
Warum haben Sie Nestlé im Dividendenfonds untergewichtet?
Die jüngsten Zahlen sind zwar besser als zuvor, aber nicht überzeugend. Nestlé verfügt über ein starkes Portfolio und eine gute Marktstellung, aber ich sehe derzeit kein grosses Anlagepotenzial.
Im Swiss Market Index SMI zeigt insbesondere Givaudan Schwäche. Wie ist diese Entwicklung zu erklären?
Das Geschäftsjahr 2024 war stark: Der Umsatz wuchs organisch zweistellig, die Ebitda-Marge stieg auf 24,5%, und der Gewinn übertraf erstmals die Marke von 1 Mrd. Fr. Zudem wird die Dividende auf 70 Fr. pro Aktie erhöht, und der freie Cashflow reicht aus, um die Nettoverschuldung abzubauen. Da das Unternehmen in den USA produziert, stellt die Zollpolitik kein Risiko dar. Der jüngste Kursrückgang seit dem Höchststand im Oktober 2023 erscheint übertrieben, weshalb ich die Position weiter aufstocke.
Zur Person
Marc Strub
Marc Strub hat Betriebsökonomie studiert. Bereits während dieser Zeit erwarb er bei der Zuger Kantonalbank erste Kenntnisse im Portfoliomanagement. Heute leitet er das Portfoliomanagement bei der Luzerner Privatbank Reichmuth & Co, die über eine langjährige Expertise in Schweizer Aktien und insbesondere in Schweizer Nebenwerten verfügt. Marc Strub verwaltet einen Aktienfonds mit Fokus auf Schweizer Dividendenwerte.