Der Grossbäcker stellt mit den Finanzzahlen für 2023 einmal mehr seine Widerstandsfähigkeit unter Beweis und überzeugt insbesondere mit einem starken Cashflow. Wem die Aussichten für 2024 zu verhalten sind, bietet sich eine Option.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Ist es die Erfahrung aus Jahren voller Enttäuschungen, von Missmanagement und verfehlter Finanzziele? Ist es die Tatsache, dass Geschichten von Trendwenden selten und wenn dann nie so schnell wie erhofft zum Erfolg führen? Oder ist es eine grundsätzliche Skepsis am Markt?
Schwierig zu sagen, was Anlegerinnen und Anleger – wie auch mich – mit Blick auf die Aktien von Aryzta immer wieder zweifeln lässt.
Der Grossbäcker hat für das erste Geschäftsjahr nach Kalenderjahr (Januar bis Dezember 2023) noch etwas bessere Zahlen vorgelegt als von Analysten erwartet. Im frühen Handel erreichten die Aktien am Montag zwischenzeitlich auch ein Plus von mehr als 5%. Doch bis zum Mittag war die Avance bereits mehrheitlich verpufft.
Dabei haben die Aktien aus meiner Sicht noch Aufwärtspotenzial.
Aryzta trotzt der hohen Inflation
Dies, weil das Management um CEO und Präsident Urs Jordi seit dem Antritt vor mittlerweile dreieinhalb Jahren stets geliefert hat. Das lässt sich gerade am Thema Inflation zeigen, ein Grund für die Skepsis gegenüber Aktien von Lebensmittelherstellern: Bereits Mitte 2023 hatte sich abgezeichnet, dass Aryzta besser als andere Unternehmen mit der hartnäckig hohen Inflation in der Industrie zurechtkommt. Die höheren Kosten wurden durch Effizienzgewinne, Kostensenkungen und eine verbesserte Preisstrategie wettgemacht.
Positiv stimmt mich aber auch, dass die Stimmung am Markt seit längerer Zeit praktisch einhellig positiv ist, bisher aber nicht zu unbändiger Euphorie geführt hat. Vier von sechs Analysten empfehlen die Aktien zum Kauf, zwei zum Halten. Fondsmanager zeigen sich überzeugt von der Strategie. Solch breiter Optimismus bildet oft eher die Basis für einen überschiessenden Aktienkurs und folgende Enttäuschungen. Bis auf eine Baisse im Spätsommer 2023 und den darauffolgenden Anstieg auf knapp 1.75 Fr. hielten sich die Aktien einigermassen stabil um 1.55 Fr.
Und selbst wem diese Faktoren zu schwammig sind, liefern die harten Zahlen einen Kaufgrund: Die operative Profitabilität konnte in den vergangenen Jahren bei einem markant steigenden Umsatz, der Inflation trotzend, sukzessive gesteigert werden. Mit einer operativen Gewinnmarge auf Stufe Ebitda von 13,9% für 2023 fehlen entsprechend nur noch 60 Basispunkte zum Erreichen des für 2025 angestrebten Mittelfristziels. Das Umsatzziel von mehr als 2 Mrd. € ist ohnehin bereits Makulatur.
Starker Cashflow ermöglicht weitere Schuldenreduktion
Die Gewinnsteigerung reflektierte sich in einem starken Cashflow für 2023 – der freie Cashflow verdoppelte sich im Vergleich zum Vorjahr auf 132 Mio. €. Das erlaubt die weitere Reduktion der hohen Schuldenlast. In den vergangenen zwei Jahren hat Aryzta Anteile an zwei Hybridanleihen im Wert von 376 Mio. € zurückgekauft und die Kapitalstruktur deutlich verbessert. Die in der Periode fälligen Zinszahlungen sanken in der Folge um mehr als 13 Mio. €.
Dazu hält das Unternehmen in der heutigen Medienmitteilung treffend fest: «Der volle positive Effekt des durchgeführten Hybridrückkaufs wird sich im Kalenderjahr 2024 einstellen.»
Bei einem Gewinnniveau von gegenwärtig rund 125 Mio. € im Jahr schenken Zinszahlungen in zweistelliger Millionenhöhe auf die teuren Finanzierungsinstrumente ein. Und die Nettoverschuldung inklusive Hybridschuld bleibt mit einem Verhältnis zum Ebitda von 3,3 zwar hoch, bewegt sich aber in die richtige Richtung. Bis 2025 strebt das Unternehmen ein Verhältnis von rund 3 an.
Ausdruck der allgemeinen Normalisierung bei Aryzta ist auch die Tatsache, dass gängige Bewertungskennzahlen wieder aussagekräftig werden: Bei einem geschätzten Ebitda um 320 Mio. € für 2024 liegt das Verhältnis zum heutigen Unternehmenswert unter 8. Das ist aus meiner Sicht ein ungerechtfertigt hoher Abschlag zu Nestlé (15) und Emmi (13), die gerade punkto Volumenwachstum Mühe bekunden.
Die Wachstumsaussichten sind denn auch bei Aryzta der Knackpunkt, die Preissteigerungen haben sich abgeflacht, das Umfeld für Volumenausweitungen ist schwierig – insbesondere im Bereich der Fast-Food-Restaurants, wo der Kaufkraftverlust belastet. Für das Gesamtjahr rechnet das Management mit einem organischen Umsatzwachstum im unteren bis mittleren einstelligen Prozentbereich und impliziert, dass das Mittelfristziel von 4,5 bis 5,5% nicht ganz erreicht wird. Angesichts der sonst starken Entwicklung halte ich das für verkraftbar.
Etwas schwerer wiegt wohl, dass es unklar ist, wer das Unternehmen ab dem kommenden Jahr operativ führen wird. Urs Jordi will sich wie bereits angekündigt auf seine Aufgabe als Präsident beschränken, die Zeit des Doppelmandats laufe Ende 2024 ab, betont das Unternehmen in der heutigen Mitteilung. Noch ist die Nachfolge aber nicht in Sicht, das schafft Unsicherheit. Und angesichts der starken Verknüpfung der Trendwende und des Erfolgs der vergangenen Jahre mit der Personalie Jordi hat es diese ohnehin nicht leicht.
Investition in Hybridanleihe als Alternative
Wem die Aktien trotz allem nicht geheuer sind, sollte noch einen Blick auf die Hybridanleihen werfen. Ich mag das Instrument als solches zwar nicht. Doch noch immer teuer für Aryzta, sind die zwei noch ausstehenden Bonds attraktiv geworden für Anlegerinnen und Anleger, insbesondere die im Jahr 2014 ausgegebene nachrangige Frankenanleihe über ehemals insgesamt 190 Mio. Fr. Sie bietet derzeit einen Coupon von 5,918% und notiert bei 97 Fr. sprich 97% des Nominalwerts.
Im Herbst 2023 meldete Aryzta, bereits Anteile in Höhe von rund 120 Mio. Fr. an den beiden Frankenanleihen zurückgekauft zu haben. Das ist ein klares Zeichen, dass die Schuldenreduktion weiter voranschreitet, nachdem bereits die Eurohybridanleihe über 200 Mio. € in den vergangenen Monaten deutlich schneller eliminiert worden ist als erwartet. Angesichts dessen halte ich das Ausfallrisiko für sehr gering, im besten Fall steigt die Notierung gar noch etwas.
In der Zwischenzeit locken die sehr hohen, vierteljährlich entrichteten Zinszahlungen. Diese wird das Management nicht abermals ohne Not aussetzen und das aus gutem Grund: Aryzta darf ihren Aktionären nur dann eine Dividende zahlen, wenn sie auch Zinsen auf den Hybridanleihen entrichtet. Und Ausschüttungen an die Aktionäre sind das erklärte Ziel des Unternehmens.
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter