Im Fürstentum kommt es zu keiner demokratischen Revolution. Die fünf Mitglieder der Regierung werden weiter vom Parlament bestimmt.
«Das Volk soll bei der Regierungsbildung mitbestimmen», forderten die Demokraten pro Liechtenstein, eine kleine Oppositionspartei, die derzeit mit zwei Abgeordneten im 25-köpfigen Parlament vertreten ist. Mit einer Verfassungsinitiative wollten sie dieser Forderung Nachdruck verleihen und die Volkswahl der Regierung durchsetzen.
Das Vorhaben ist nun aber am Sonntag an einer deutlichen Mehrheit der Stimmberechtigten gescheitert. Nur 32 Prozent stimmten für die Verfassungsinitiative, 68 Prozent waren dagegen. Die Stimmbeteiligung lag bei 66,5 Prozent. Eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler liess sich offenbar von den Warnungen der Gegner überzeugen. Diese führten ins Feld, die Initiative sei ein Experiment, das die Handlungsfähigkeit des Staates und die politische Stabilität gefährden könne.
Warnung vor zu hohen Risiken
Zu den Gegnern des Volksbegehrens gehörte während des Abstimmungskampfes das regierende Staatsoberhaupt, Erbprinz Alois. Er lehnte die Verfassungsänderung mit der Begründung ab, die von den Demokraten pro Liechtenstein genannten Vorteile stünden in keinem vernünftigen Verhältnis zu den mit der angestrebten Änderung verbundenen Risiken.
Die Liechtensteiner Regierung ihrerseits warnte davor, das seit über hundert Jahren bewährte System der Regierungswahl abzuschaffen. Dieses wurde mit der ersten demokratischen Verfassung des Fürstentums von 1921 eingeführt. Seit diesem Zeitpunkt nominieren die Parlamentsparteien die Mitglieder der Regierung, die dann vom Parlament gewählt und vom Landesfürsten bestätigt beziehungsweise ernannt werden.
Auch die Wirtschaftskammer, die Industrie- und Handelskammer und die Bankenvereinigung, die drei einflussreichsten Wirtschaftsverbände, sprachen sich gegen eine Änderung des Wahlsystems aus. Dieses habe über Jahrzehnte wesentlich zur politischen und wirtschaftlichen Stabilität des Landes beigetragen.
Verfassungsrechtliches Neuland
Neben der Warnung vor einem unsicheren Experiment dürfte auch die Kommentierung des Systemwechsels durch das Zentrum für Demokratie Aarau einen Einfluss auf das negative Abstimmungsresultat gehabt haben. Das Zentrum hatte im Auftrag der Partei Demokraten pro Liechtenstein die Studie erstellt, die als Grundlage für die Verfassungsinitiative diente. Mit der Initiative werde «verfassungsrechtliches Neuland» betreten, beurteilte die Studie den Vorstoss, denn die vorgeschlagene Art der Regierungsbestellung entspreche «keinem bekannten bestehenden Regierungssystem».
Auch der Politologe Christian Frommelt, der ehemalige langjährige Direktor des Liechtenstein-Instituts, bezweifelte im Vorfeld der Abstimmung die Notwendigkeit eines Systemwechsels. «Eine so grundlegende Änderung des politischen Systems braucht meines Erachtens einen konkreten Anlass im Sinne eines empirisch festgestellten Funktionsdefizits des politischen Systems», erklärte Frommelt in einem Interview mit dem «Liechtensteiner Vaterland». Wenn ein Defizit vorliege, müssten auch alternative Möglichkeiten zu dessen Beseitigung geprüft werden.