Der Kölner «Tatort» widmet sich dem Verschwinden eines Schuldeneintreibers, aber vor allem den Verarmungsängsten der Mittelschicht.
Von aussen betrachtet sieht alles ganz proper aus. Der Mann im mittleren Alter ist Lehrer (Roman Knižka), seine Frau Orchestermusikerin (Tilla Kratochwil), sie haben einen wohlhabenden Freundeskreis, ein Einfamilienhaus in ruhiger Wohnlage. Doch hinter der Haustür der Josts herrscht Permafrost.
Um Geld zu sparen, wird nur noch geheizt, wenn es gar nicht mehr anders geht. Er hat ein Burnout, sie leidet unter Arthritis. Seit beide nicht mehr arbeiten, verschulden sie sich immer mehr und können sich kaum noch das Nötigste zum Leben leisten. Von ihrem Haus wollen sie sich trotzdem nicht trennen. Das würden sie als Eingeständnis des sozialen Abstiegs empfinden. Der Schein muss gewahrt bleiben.
Ihre Verzweiflung projizieren sie auf den Schuldeneintreiber Pavlou (Thomas Hauser) einer Inkassofirma, die mit aggressiven Methoden arbeitet. Eines Tages ist er verschwunden, zurück bleibt eine Blutspur neben seinem Auto. Ist Pavlou entführt worden? Sind Schuldner wie die Josts, denen er hart zusetzte, irgendwann durchgedreht?
Sinnlose Attacke
Das sind die Fragen, die die Kölner Ermittler Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) im neuen «Tatort» beschäftigen. Dabei sind die Josts nicht die Einzigen, die einen Hass auf Pavlou haben und als Täter infrage kommen. Der Steuerfachangestellten Stefanie Schreiter (Katharina Marie Schubert) steht wegen der Schulden ihres Ex-Mannes eine Lohnpfändung bevor. Ihre Wohnung hat sie längst aufgegeben, und sie schläft auf dem Sofa in der Wohnung ihres Vaters. Ihrem Arbeitgeber und ihren Söhnen verheimlicht sie alles. Mit den Nerven ist sie am Ende. In einer Videoaufnahme sehen Ballauf und Schenk, wie sie Pavlou in einer Parkgarage attackiert. Wenn auch nur mit blossen Händen und gänzlich wirkungslos. Am Ende ist sie am Boden, und Pavlou geht im wahrsten Sinne des Wortes über sie hinweg.
Die Drehbuchautorin Karlotta Ehrenberg hat darüber recherchiert, wie schnell es gehen kann, dass jemand tief ins finanzielle Minus gerät. Die Verzweiflungsgeschichten der Schuldner werden hochemotional und dicht an der Wirklichkeit entlang erzählt. Auch der sonst so selbstgerechte Schenk gibt zu, sich schon hoch verschuldet zu haben. «Ich gehör zu den Leuten, die nichts übrig haben», gesteht er Ballauf. Den Zuschauern wird die Identifikation mit den aussichtslos Verschuldeten leichtgemacht. Ihnen wird, zumindest im moralischen Sinne, die Opferrolle zugedacht. Mögliche Fehlkalkulationen der Hauptfiguren werden nicht kritisiert. Vielmehr konzentriert sich der Film auf die Scham über ihre als ausweglos empfundene Situation, die sie mit aller Kraft zu kaschieren versuchen.
Verarmungsängste der Mittelschicht
Über sein eigentliches Thema hinaus hat dieser «Tatort» die Verarmungsängste der Mittelschicht im Sinn. Das ist es, was ihn zeitgemäss macht, was ihm Triftigkeit verleiht. Es geht ums Geld und ums Ganze, oder wie es so plump und korrekt an einer Stelle heisst: «Ohne Moos nix los da draussen.» Wobei der Fairness halber gelegentlich auch angedeutet wird, dass Armut und Reichtum dehnbare Begriffe sind.
Erzählt wird der Fall als Tragödie in ungehemmt düsteren Molltönen (Regie: Claudia Garde) – von der Ausleuchtung bis hin zur tragischen Musik (Florian Tessloff). Aber man bleibt dann doch dran und will wissen, wer sich den Inkasso-Manager geschnappt hat, dessen Verschwinden nur von seinem Ehemann (Vladimir Korneev) bedauert wird.
«Tatort» Köln: «Restschuld», am 5. Januar, 20.05/20.15 Uhr, SRF/ARD.