Mit knapp zwei Jahren Verspätung bringt Audi das elektrische Mittelklasse-SUV Q6 E-Tron auf den Markt. Das Warten hat sich gelohnt: Die Antriebs- und Batterietechnik hat sich inzwischen rasant weiterentwickelt.
Die Revolution im Bereich der Elektromobilität lässt noch ein wenig auf sich warten, die Wunderbatterie gibt es noch nicht. Die technische Weiterentwicklung der Antriebs- und Batterietechnik wird aber weltweit vorangetrieben. Nicht nur bei den chinesischen Herstellern mit ihrem Batterie-Know-how, nicht nur bei Tesla mit höchst effizienten Antriebssystemen. Auch die deutschen Premiumhersteller nennen für ihre neuen Baureihen deutliche Steigerungen bei den Kennzahlen.
BMW kündigt für die 2025 startende Neue Klasse Effizienz- und damit Reichweitensteigerungen von mehr als 30 Prozent an, Porsche für den neuen Macan beeindruckende Ladeleistungen. Womit wir schon beim neuen Audi Q6 E-Tron sind – denn der baut auf der gemeinsam mit Porsche entwickelten technischen Basis mit Namen Premium Platform Electric (PPE) auf.
Die Entwicklung dieser Plattform und damit auch des neuen Audi-Mittelklasse-SUV verlief nicht reibungslos. Schon vor zwei Jahren sollte der Q6 E-Tron ursprünglich starten, Mal um Mal wurde die Markteinführung verschoben. Die Audi-Ingenieure haben die Zeit allerdings genutzt und rund um Batterie und Antriebsstrang noch einmal viel Entwicklungsarbeit investiert.
Das Ergebnis sind deutliche Steigerungen von Drehmoment, Performance, Ladeleistung und Rekuperation bei gleichzeitig um 30 Prozent niedrigeren Verbrauchswerten. Damit sind für das fast 4,80 Meter lange SUV zumindest nach dem geltenden WLTP-Messzyklus Reichweiten von bis zu 625 Kilometern möglich.
800-Volt-Technik sorgt für schnelles Laden
Zum Serienstart kommt der Q6 E-Tron in der allradgetriebenen Version Quattro mit 285 kW (387 PS) Leistung und 580 Nm Drehmoment. Das Topmodell SQ6 E-Tron leistet 380 kW (516 PS). Bei den Quattro-Modellen kommt an der Hinterachse ein Permanentmagnet-Synchronmotor zum Einsatz, an der Vorderachse ein stromerregter Asynchronmotor, der ohne Magneten auskommt.
Audis Argument für dieses Layout: Der hintere Motor übernimmt in den meisten Situationen allein den Antrieb, der freilaufende Frontmotor (ohne permanentes Magnetfeld) generiert weniger Schleppverluste und trägt damit zu höherer Effizienz bei.
Die Entwickler haben an einer Vielzahl von Stellschrauben gedreht. Ergebnis: «Mehr als 30 Prozent höhere Leistung bei 30 Prozent weniger Verbrauch», so Florian Bittner, verantwortlich für die Entwicklung elektrischer Antriebe bei Audi.
Dazu trägt eine optimierte Leistungselektronik bei. Hier setzt Audi nun Halbleiter aus Siliziumkarbid ein, die durch reduzierten Wärmeverlust den Wirkungsgrad verbessern und damit vor allem im Teillastbereich für mehr Effizienz sorgen – und die Batterie schonen.
Die Elektromotoren wurden neu entwickelt. Audi setzt in der elektrischen Maschine erstmals die sogenannte Hairpin-Wicklung ein, die eine höhere Wicklungszahl ermöglicht. Das sorgt für eine um 20 Prozent höhere Leistungsdichte. Hinzu kommt die Ölkühlung für die E-Maschine und das angedockte Getriebe. Dadurch reduziert sich bei niedrigen Geschwindigkeiten das Antriebsgeräusch um 30 dB.
Zudem kann durch die Ölkühlung weitgehend auf schwere seltene Erden im Rotor des E-Motors verzichtet werden. In der Summe ergibt sich laut Audi eine Senkung der Verlustleistung im elektrischen Antrieb um rund 50 Prozent im Vergleich zum Q8 E-Tron. Das Öl des Kühlsystems ist auf die Fahrzeuglebensdauer ausgelegt, Wechselintervalle gibt es nicht.
Die Fahrleistungen, die sich mit diesem Antriebspaket realisieren lassen, sind überzeugend, wie eine kurze Fahrt auf dem Testgelände von Audi in München zeigt. Trotz den mehr als 2 Tonnen Leergewicht ist der Q6 E-Tron im Vorwärtsdrang kaum zu bremsen, als offizielle Werte gibt der Hersteller 5,9 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h beim Quattro, 4,3 Sekunden beim SQ6 an. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 210 km/h, beim SQ6 sind es 230 km/h.
Die Batterie speichert 100 KWh Energie, von denen knapp 95 zur Verfügung stehen. Sie besteht aus nur noch 12 Modulen mit jeweils 15 prismatischen Zellen, die in Reihe geschaltet sind. Das ist weniger als die Hälfte der Zellen, die im Q8 E-Tron im Einsatz sind. Weil die einzelnen Zellen grösser sind, lassen sich die Vorteile der 800-Volt-Systemtechnik nutzen – die Ladeleistung steigt.
Wenn die DC-Schnellladesäule ausreichend Spannung liefert, sind Ladeleistungen von bis zu 270 kW möglich. Bei der Ladekurve orientiert sich Audi am hohen Niveau des Q8 – und übertrifft dieses dank modifizierter Zellchemie sogar ein Stück. So soll selbst bei einem Ladestand von 65 Prozent noch Strom mit 200 kW fliessen können, erst bei einem Füllstand von 80 Prozent fällt die Kurve unter 100 kW. 21 Minuten braucht das Laden von 10 auf 80 Prozent, für die schnelle Weiterfahrt sind nach Angaben von Audi in 10 Minuten 255 Kilometer nachgeladen.
An Ladesäulen, die nur 400 Volt liefern, teilt das Batteriemanagement die Module in zwei Bänke auf, die parallel mit 135 kW geladen werden. Auch die Rekuperation des Q6 E-Tron wurde optimiert. Mit bis zu 220 kW gewinnt das Fahrzeug Energie zurück, in insgesamt fünf Stufen kann der Fahrer die Stärke der Rückgewinnung beeinflussen bis hin zum Ein-Pedal-Fahren, bei dem die mechanische Bremse so gut wie nicht mehr zum Einsatz kommt.
Optimierte Aerodynamik trägt zur Reichweite bei
Optisch gibt sich der Audi selbstbewusst: grosser, geschlossener Singleframe-Grill, markante Sicken und Kanten, die sich von der Front bis zum Heck durchziehen, schwarz lackierte Flächen auf den Türen, die darauf hinweisen, dass etwa in dieser Höhe im Unterboden des Fahrzeugs die Batterien untergebracht sind. Eine ganze Reihe von Abrisskanten soll den Luftstrom gezielt ums Auto lenken, den Luftwiderstandsbeiwert cW gibt Audi mit 0,27 an – ein überdurchschnittlich guter Wert.
Das Tagfahrlicht ist deutlich nach oben abgesetzt über den LED-Hauptscheinwerfern angeordnet. Das Leuchtbild kann individuell konfiguriert werden, Gleiches gilt für die OLED-Heckleuchten. Diese können in einer Gefahrensituation auch mit dem nachfolgenden Verkehr kommunizieren – das Rücklicht zeigt zusätzlich zu den pulsierenden Warnblinkern ein Warndreieck.
Im Innenraum setzt Audi auf ein grosses Panoramadisplay vor dem Fahrer, für den Beifahrer gibt es ein optionales Display, beim Infotainment setzt Audi erstmals auf Android als Betriebssystem.
Durch den Radstand von 2,90 Metern hat der Audi Q6 E-Tron viel Platz für fünf Passagiere, die auch auf den hinteren Sitzen reichlich Bein- und Kopffreiheit geniessen. Reisetauglich ist auch der Gepäckraum mit 526 Litern im Heck sowie einem Frontkofferraum («Frunk») mit 64 Litern. Wer anspruchsvollere Transportaufgaben hat oder den Wohnanhänger ziehen will: 2400 Kilogramm ist die Anhängelast.
Der Q6 E-Tron startet mit 85 900 Franken, der SQ6 E-Tron kostet mindestens 101 300 Franken. Die ersten Autos sollen im Sommer ausgeliefert werden. Modelle nur mit Heckantrieb sowie mit einer 83-kWh-Batterie folgen gegen Jahresende 2024.