Nach rund 30 Jahren im Dienst der Fahrzeugakustiker rollt der Porsche-Spezialwagen ein letztes Mal in die Garage. Die Suche nach Lärmquellen hat sich von den Autobauern zu den Reifenherstellern und Fahrbahnspezialisten verlagert.
Nein, dieses Gefährt ist kein Auto aus Filmen wie «Mad Max» oder «Zurück in die Zukunft». Es handelt sich um ein Messfahrzeug von Porsche. Wer frühere Produkte des Sportwagenbauers kennt, sieht im silbergrauen Wagen einen modifizierten Porsche 928. Das Fahrzeug ist bis heute ein rollender Prüfstand mit langer Historie.
Seit mehr als 30 Jahren ist der Messwagen in den Diensten von Porsche unterwegs, um Geräuschmessungen an neuen Modellen vorzunehmen. Das Ziel ist stets, neuen Modellen die Einhaltung von Lärmgrenzwerten zu ermöglichen, damit Kunden gesetzeskonform unterwegs sind.
Konkret erfasst der 928-Dinosaurier mit seinen Instrumenten «aussengeräuschrelevante Parameter während der Vorbeifahrt». Porsche wählte in den 1990er Jahren für die Aufgabe als Geräuschmessfahrzeug ein Modell, das im tiefen Drehzahlbereich über viel Leistung verfügte, ein leises Getriebe hatte und eine hohe Laufruhe an den Tag legte. Baureihen wie 911, 944 und 924 konnten diese Kriterien nicht erfüllen, nur der 928 konnte das.
Autolärm wird immer strenger geregelt
Einer, der über den Messwagen alles weiss, ist Harald Mann. Der gelernte Mechaniker arbeitet seit 40 Jahren bei Porsche, mehr als 30 davon an den Prüfständen in der Entwicklungsabteilung in Stuttgart-Weissach. Er ist Experte für Fahrzeugakustik. Zentrales Thema ist in diesem Fachgebiet stets, wie laut ein Auto gemäss gesetzlichen Grenzwerten sein darf.
Lärmquellen sind beim Auto mechanische Geräusche von Motor und Getriebe, das Abrollen der Reifen sowie die Geräusche beim Ansaugen von Luft beim Motor und bei der Verarbeitung der Abgase im Auspuff. Bei Elektroautos fallen vor allem Abrollgeräusche an.
Nimmt man alles zusammen, entsteht ein Gesamtgeräusch, das einen bestimmten Wert nicht übersteigen darf. Ende der 1980er Jahre lag der Grenzwert bei einer beschleunigten Vorbeifahrt mit Tempo 50 km/h bei 75 dB (A). «Künftig werden es nur noch 68 dB (A) sein», erklärt der Akustikexperte Mann. Vor allem für Sportwagen sei dies eine hohe Hürde.
Insbesondere die Reifen sind dabei eine wichtige Lärmquelle. Und da moderne Sportwagen über breite, auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegte Pneus verfügen, verlagert sich das Geräuschproblem heute auf die Reifenmischungen und -profile, und das selbst bei Sportwagen mit Elektromotor. Gefordert sind in diesem Bereich die Pneuhersteller und die Produzenten von Flüsterbelägen für die Strasse.
Bei Autoherstellern stehen Reifen- und Belaggeräusche weniger im Zentrum der Lärmdämmung, vielmehr alle Antriebskomponenten. «Am Ende ist es immer eine Mischkalkulation», sagt Harald Mann. «Sind Motor und Getriebe besonders leise, darf der Auspuff beispielsweise etwas lauter werden. Sind die Reifen übermässig laut, muss vielleicht das Ansauggeräusch leiser ausfallen.»
Schallisolation im Fahrzeuginnern ist immer aufwendig
Beim Porsche 928, der seinen Dienst als Messwagen tat, standen jedoch insbesondere die Rollgeräusche im Innenraum eines Autos im Zentrum. Die Ingenieure wollten herausfinden, wie sich das Rauschen der Pneus in den Innenraum übertrug. Das Fahrzeug musste also praktisch in Watte gepackt werden, um die Lärmquellen Motor und Antrieb, Ansauggeräusch und Auspuffsound zu isolieren und zu minimieren.
Das Rauschen des Ventilators am Kühler musste wegfallen, daher platzierten die Ingenieure den Kühler vor dem vorderen Stossfänger. Für das Ansaugen der Luft zum Motor verwendete man einen grossformatigen Schalldämpfer, von dem Luftkanäle zum vollständig abgekapselten Motorraum führen. Für weitere Kühlung des V8-Motors lassen sich zwei auf der Motorhaube angebrachte Ventilatoren zuschalten, die bei Bedarf heisse Luft nach aussen ziehen.
Am Heck besteht die Abgasanlage aus einem auf der Heckscheibe befestigten riesigen Endschalldämpfer und zwei daran angeschweissten Auspuffrohren. Der Unterboden rund um das vor der Hinterachse montierte Getriebe ist wie die mit dem Frontmotor verbundene Welle komplett in Dämmmaterial gehüllt.
Im weinroten Lederinterieur haben sich die Ingenieure mit Dämmmaterial und Messkomponenten ebenfalls ausgetobt. Da sieht es eher wie in einer Rumpelkammer oder einem gefüllten Estrich aus. Pragmatismus stand beim Bau des Messwagens im Vordergrund.
Einen Schönheitspreis gewinnt der Porsche-Messwagen mit all seinen Zusatzelementen aussen wie innen nicht. Schon allein deshalb erinnert das Gefährt an den DeLorean aus «Zurück in die Zukunft». Die Verbreiterungen der hinteren Radkästen deuten zudem darauf hin, dass immer breitere Reifen auf Lärmemissionen getestet wurden. Der Trend geht mittlerweile im Zuge der aufkommenden E-Mobilität jedoch wieder zu schmaleren Pneus, die weniger Rollwiderstand erzeugen.
Für den Porsche 928 ist der Dienst nun vorbei. Die Aufgabe der Geräuschreduktion liegt nun in erster Linie bei den Reifenherstellern und den Fahrbahnbelag-Experten. Denn mittlerweile gehören die Rollgeräusche zu den auffälligsten Lärmquellen eines Autos, vor allem für Fussgänger und Anwohner.
Die Autobauer sind nun vor allem auf der Suche nach der Reduktion von Innenraumgeräuschen. Je weniger im Interieur zu hören ist, desto komfortabler wirkt das Fahrzeug. Für Luxusautos ist die Stille innen ein wichtiges Merkmal. Hinzu kommt das kaum noch zu hörende Motorgeräusch im Innern von Elektroautos. Stattdessen hört man im Stromer mittlerweile Dinge wie polternde Fahrwerkskomponenten, die bisher der Verbrennungsmotor und der Auspuff übertönt haben: ganz neue Störenfriede.