Die Menschen in Moçambique protestieren so vehement wie nie gegen die Frelimo-Regierung, weil diese das Wahlresultat gefälscht haben soll. Die Anführer der einst gefeierten Befreiungsbewegung suchen nun bei rwandischen Soldaten Schutz.
Die wachsende Wut der Mosambikaner auf ihre Regierung zeigt sich deutlich am Ressano-Grenzposten zu Südafrika. Dort kommen die Beamten seit Tagen nur noch in Zivilkleidung zur Arbeit, da die Proteste gegen die umstrittenen Wahlen im Oktober zuletzt eskalierten. Jeder Beamte, der in Uniform klar erkennbar ist, wird mittlerweile mit der regierenden Partei Frente de Libertação de Moçambique, kurz Frelimo, assoziiert. Und oft angegriffen.
Die einst gefeierte Befreiungsbewegung gegen die portugiesische Kolonialherrschaft regiert Moçambique seit der Unabhängigkeit im Jahr 1975 ununterbrochen. Nun erklärte die von der Frelimo kontrollierte Wahlkommission trotz historisch niedrigen Popularitätswerten den Frelimo-Spitzenkandidaten Daniel Chapo zum Sieger der Wahlen, die im Oktober stattfanden. Er ist angeblich mit einem historischen Rekordergebnis von 71 Prozent gewählt worden.
Der populäre Oppositionsführer Venancio Mondlane, den Umfragen als Favoriten der Jugend ausgewiesen hatten, rief für Donnerstag zum «Marsch auf Maputo» auf, um die Regierung zu stürzen. Obwohl nicht die versprochenen vier Millionen, sondern nur Hunderttausende seinem Aufruf folgten, sorgten diese in Maputo und anderen grossen Städten für erhebliches Chaos. Polizei und Armee setzten scharfe Munition ein, wobei laut lokalen Medienberichten mindestens 15 Personen starben. Schon zuvor hatte es zahlreiche Tote gegeben, das Internet wurde abgestellt.
Flucht der Grenzbeamten nach Südafrika
An einigen Orten kapitulierten die Sicherheitskräfte aber schlicht. So flüchteten die in Zivil gekleideten Grenzbeamte in Gebäude ihrer südafrikanischen Kollegen, als ihre Baracken auf mosambikanischer Seite angegriffen wurden. Es war das Gerücht umgegangen, dass sie für die Schüsse auf einen der getöteten Demonstranten verantwortlich gewesen seien. Südafrika schloss die Grenze, um die Ausweitung der Gewalt auf sein Staatsgebiet zu verhindern.
Einmal mehr wird deutlich, in welch gegensätzlichem demokratischem Zustand sich die Länder des südlichen Afrika befinden. In Südafrika verlor der African National Congress (ANC) im April erstmals seit drei Jahrzehnten die absolute Mehrheit und leitet seither erstaunlich pragmatisch eine Koalitionsregierung. Und in Botswana wurde am Freitag der neue Präsident Duma Gideon Boko bei einem völlig reibungslosen Machtübergang vereidigt, nachdem sein Wahlsieg Ende Oktober das Ende der 58-jährigen Herrschaft der Botswana Democratic Party (BDP) besiegelt hatte.
Nicht so in Moçambique. Anders als Botswana benutzt es seinen Rohstoffreichtum nicht zum allgemeinen Wohl und zum Aufbau funktionierender Institutionen. Eher ist das Land ein Sinnbild für Korruption. Bei seinem Amtsantritt im Jahr 2015 hatte der noch amtierende Präsident Filipe Nyusi versprochen, die von seinem Vorgänger Armando Guebuza mitzuverantwortenden Missstände zu beseitigen.
Korruption, Skandal, Imageschaden
Unter Guebuzas Administration hatten Staatsunternehmen Kredite in Höhe von umgerechnet 1,76 Milliarden Euro aufgenommen, angeblich für maritime Überwachungs-, Fischerei- und Werftprojekte. Diese Projekte stellten sich jedoch als eine der grössten Korruptionsaffären in der Geschichte Afrikas heraus. Vollends gelang Nyusi die Distanzierung nicht, galt er doch stets als Guebuza-Zögling. Von dem Imageschaden durch den Skandal hat sich das Land nie erholt.
Präsident Nyusi und einige Minister haben sich nun mit ihren Familien in die nördliche Stadt Pemba in Moçambique zurückgezogen. Offiziell sind sie dort wegen der Beerdigung eines hochrangigen Regierungsmitarbeiters. Tatsächlich scheinen sie jedoch Schutz bei den in Pemba stationierten rwandischen Soldaten zu suchen, die ursprünglich geholt wurden, um gegen Islamisten zu kämpfen.
Die Finanzierung dieses Militäreinsatzes übernahm überwiegend Frankreich, das durch den Konzern Total Energies Milliarden in die Erschliessung der riesigen Erdgasfelder vor der Küste investiert. Auch Italien und Australien sind wesentlich an der Rohstoffförderung in Moçambique beteiligt. Tesla, der weltweit grösste Elektroautohersteller, hat sich zudem den Grossteil der Produktion von einem der wichtigsten Grafit-Bergwerke des Landes für das kommende Jahr gesichert.
Instabilität hat Folgen für den internationalen Handel
Moçambiques gegenwärtige Zustände ähneln zunehmend denen im autokratisch regierten Nachbarland Simbabwe, wo nächste Woche ein regionales Krisentreffen stattfinden soll. Auf der Agenda stehen «aufkommende Fragen von regionaler Bedeutung» – ein Euphemismus, der die Ernsthaftigkeit der Situation verharmlost. Die geopolitische Lage Moçambiques an den wichtigen Seerouten des Indischen Ozeans bedeutet, dass jede Instabilität dort weitreichende Folgen für den internationalen Handel haben könnte.
Frelimo beharrt darauf, dass bei den Wahlen alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Belege dafür hat sie nicht vorgelegt wie etwa die Veröffentlichung der Wahl-Bulletins aus den rund 25 000 Wahllokalen, die sogenannten «Editais». Das Gleiche gilt allerdings für Oppositionsführer Mondlane, der laut offiziellen Ergebnissen nur auf gut 20 Prozent der Stimmen gekommen ist. Er behauptet, die vermeintlich wirklichen Ergebnisse vorliegen zu haben – blieb aber deren Veröffentlichung bislang ebenfalls schuldig.