Der Boxer George Foreman ist mit 76 Jahren verstorben. Sein Aufstieg und seine Rivalität zu Muhammad Ali gehören zu den grossen Sporterzählungen des 20. Jahrhunderts.
Starke Gefühle schwangen mit, als die Familie am späten Freitag «mit tiefer Trauer» den Tod von George Edward Foreman Jr. bekanntgab. Nähere Umstände wurden nicht mitgeteilt. So muss sich die Welt vorerst damit begnügen, dass der zweifache Schwergewichts-Weltmeister der Profis daheim in Houston, Texas, «friedlich im Kreis seiner Lieben» verstorben ist. Er wurde 76 Jahre alt und war nach verlässlichen Informationen so vermögend wie kein zweiter Boxer seiner Generation – inklusive seiner Erzrivalen George Frazier und Muhammad Ali. Aber das hatte nur zum Teil mit seinen 81 Kämpfen zu tun, von denen er 76 gewann.
Gelegentlich wachsen Athleten über den begrenzten Rahmen ihres Sports hinaus, um fester Bestandteil der Weltöffentlichkeit zu werden. Das ist das kleine Wunder, das dem Spross einer neunköpfigen Familie aus Marshall, einer Kleinstadt im texanischen Niemandsland, spät gelang – nicht im ersten, sondern in der zweiten Hälfte des Lebens. Als andere ihre Handschuhe längst an den Nagel gehängt hatten, holte Foreman sie mit 38 Jahren noch mal hervor. Und erfand sich als «Old George», der Burger in sich hineinschaufelt, ein 45-jähriger Champion gegen alle Wahrscheinlichkeit wird und einen selbst kreierten Grill millionenfach verkauft.
Seine Kindheit war voller Konflikte
So viel Glück, so viel Wohlstand war nicht vorauszusehen. Foremans Ziehvater und Mutter blieben auch in einem der prekären Stadtteile von Houston so arm, englisch «poor», dass sie sich nicht einmal die vier Buchstaben für ihren Zustand leisten konnten, wie Foreman später zum Besten gab – «deshalb nannten wir uns po’». Entsprechend waren Kindheit und Jugend von vielen Konflikten und wenig Bildung geprägt. Nur mit den Fäusten konnte sich der hünenhafte Youngster ein positives Selbstwertgefühl erkämpfen. Das galt für die Strassen der Millionenstadt ähnlich wie für die ersten, erfolgreichen Amateurkämpfe.
Der 19-jährige war kein grosser Stilist, als er beim olympischen Turnier 1968 in Mexico City Gold im Schwergewicht gewann. Es reichte völlig, wenn er seine steife Linke regelmässig rauspumpte, bevor er die schwere Rechte nachschob; dann fielen ihm seine Gegner früher oder später vor die Füsse. So blieb es zunächst auch bei den Profis. Foreman war bereits zur Knockout-Maschine avanciert, als er im Januar 1973 in Kingston, Jamaika den damaligen Weltmeister Joe Frazier fordern durfte. In den viereinhalb Minuten, die das Treiben währte, wurde dieser sechs Mal angezählt – und dann endlich aus dem Kampf genommen.
«Meine Gegner sorgen sich nicht darum, zu verlieren», räsonierte der neue Champion bald. «Sie sorgen sich darum, verletzt zu werden.» Darin steckt der ganze Stolz, aber auch die Einfältigkeit eines der schlaggewaltigsten Boxer des letzten Jahrhunderts. Im Oktober 1974 wurde ihm das blinde Vertrauen in den unwiderstehlichen Punch allerdings zum Verhängnis. Da hatte der Champion beim legendären WM-Duell mit Muhammad Ali im tropisch-schwülen Kinshasa, dem «Rumble in the Jungle», sein Pulver früh verschossen. Das machte ihn in Runde 8 zur leichten Beute des cleveren Altmeisters – und liess ihn in der Folge fast an sich selbst verzweifeln.
Der Nimbus der Unbezwingbarkeit wurde noch einmal zerstört, als Foreman im März 1977 in San Juan, Puerto Rico, dem geschmeidigeren Jimmy Young nach Punkten unterlag. Dennoch war der absolute Tiefpunkt gleichzeitig eine Wendemarke. Dem völlig ausgelaugten Ex-Weltmeister war in der Umkleide nach seiner Darstellung die Stimme des Herrn erschienen; diese soll ihm einen neuen Weg gewiesen haben: Ab sofort würde sich der damals 28-Jährige in Houston als Prediger und Sozialhelfer engagieren, um Jugendliche auf den rechten Weg zu bringen.
Damit wäre die öffentliche Figur wohl Geschichte gewesen. Doch zehn Jahre später, im März 1987, folgte das, was man in Amerika das «Second Coming» nennt. Der Boxer Foreman verschliss erneut Gegner im Zwei-Monats-Takt, um seine vielköpfige Familie (und auch die Gemeinde) abzusichern. Nur wirkte er plötzlich nicht mehr einsilbig, sondern vergnügt und zugewandt. Den beträchtlichen Körperumfang erklärte er damit, dass Cheeseburger nun mal «meine DNA» seien. Ansonsten amüsierte er sich bei jeder Gelegenheit über sein laxes Training. Aber solange er weiter gewann, war die Pointe auf seiner Seite.
Symbolfigur für Männer jenseits der 40
Die ersten beiden WM-Versuche scheiterten noch, weil Evander Holyfield (1991, WBA/WBC/IBF) und Tommy Morrison (1993, WBO) sich nicht beirren liessen. Doch im November 1994 passte Michael Moorer (WBA/IBF) einen fatalen Moment lang nicht richtig auf – und wurde von einer kurzen Links-Rechts-Kombination zu Boden befördert. Zehn Sekunden später war der Routinier sowohl ältester Schwergewichts-Weltmeister im Profiboxen als auch Symbolfigur aller Männer jenseits der Vierzig, die sich vom Rest der Welt unterschätzt fühlen. Das ist auch in den USA eine riesige Zielgruppe.
Nüchtern betrachtet, hatte «Old George» sein athletisches Potenzial damit bereits überstrapaziert. Aber Amerika kniff gern beide Augen zu, als er fünf Monate später bei der ersten Titelverteidigung gegen den 20 Jahre jüngeren Deutschen Axel Schulz von den Punktrichtern deutlich bevorteilt wurde: Die aberwitzige Erfolgsstory sollte um beinahe jeden Preis weitergehen. Zu einem Rückkampf war Foreman jedoch nicht bereit. Stattdessen stieg er bis Ende 1997 noch drei Mal in den Ring, ohne dass es dabei um wichtige Titel ging.
Foreman mochte später kaum aufhören, die Qualitäten seines deutschen Herausforderers in den höchsten Tönen zu preisen, obwohl dieser nie wirklich in der Weltklasse angekommen war. Das trug dazu bei, dass Box-Deutschland ihm schnell verzieh. Der zweifache Ex-Weltmeister hat mit seinem online gehandelten Grill auch dort gutes Geld gemacht sowie an Popularität eher zugelegt: Ein freundlicher, älterer Herr, der jedem offen entgegentritt. So viel Sympathie ist ihm als junger Champion nie gelungen. Dazu brauchte es das «Second Coming».
Die wichtigste Begegnung auf seiner erstaunlichen Reise war jedoch jene mit Muhammad Ali. Die Boxlegende demonstrierte ihm in Kinshasa, dass es mehr als zwei wuchtige Fäuste braucht, um ein wahrer Champion zu sein. Deshalb war der Verstorbene bis zum Schluss stolz, Teil der Ali-Legende zu sein. «Wenn die Leute meinen Namen von Zeit zu Zeit mit seinem erwähnen, reicht mir das», versicherte er einmal. «Und ich hoffe, Muhammad Ali mag mich, denn ich mag ihn. Ich mag ihn sehr.»