Einblicke in die bundesbernische PR-Welt, die Eingeweihten dient und Nichteingeweihten teilweise suspekt ist.
Kurz bevor Markus Ritter an einer Pressekonferenz bekanntgibt, wieso er Bundesrat werden will, hält ihm ein Mann von der Seite das Handy hin – was er ihm zeigt, muss geheim bleiben. Letzte Anweisungen, jedes Detail zählt. So hat er Ritter auch dazu geraten, heute eine blaue Krawatte zu tragen. Dann setzt sich der Mann mit dem karierten Sakko und dem Poschettli nach hinten, in die Tiefe des Raumes. Da ist der Platz des PR-Beraters.
Lorenz Furrer ist Mitgründer von Furrerhugi, einer der bekanntesten PR-Agenturen der Schweiz. Unzählige, die im Bundeshaus etwas erreichen wollen, sind schon in seinem Berner Büro gelandet. Er wird von fast allen «Löru» genannt, sein Gmögigkeitsfaktor – wird überall betont – schlägt gegen oben aus. In diesen Tagen berät er Markus Ritter.
Als Martin Pfister an einer Pressekonferenz bekanntgibt, wieso er Bundesrat werden will, bleibt der Name seiner Beraterin im Nebel. Er wolle nicht vor den Kameras darüber reden, sagt Pfister, aber man könne ihn später fragen. Sie ist nicht nach Baar gekommen, aber bereits ist das erste exklusive Pfister-Interview aufgegleist.
Bettina Mutter leitet eine kleine Consulting-AG, die ihren Namen trägt: «Mutter & Partner». Zuerst war sie Journalistin, dann Beraterin im Bundeshaus. Dort gilt sie als «No bullshit»-Typ. Sie selbst sagt, sie wisse in etwa, wie der Laden in Bern laufe und wen sie bei Bedarf kontaktieren könne. In diesen Tagen berät sie Martin Pfister.
Furrer ist der Souffleur, Mutter die Souffleuse dieses Bundesratswahlkampfs, sie bleiben abseits der Bühne, wenn Ritter und Pfister nach vorne treten. Sie werden von ihren Mandanten bezahlt, damit sie aus ihnen einen Bundesrat machen. Was ist das genau für ein Geschäft – und wie gross ist ihr Einfluss?
«Gib-häb-zünd»
Man solle sich seine Arbeit bloss nicht zu spektakulär vorstellen, sagt Lorenz Furrer in seinem tatsächlich bescheidenen Büro zwischen Bahnhof und Bundeshaus, wo die Heatmap des bundesbernischen Betriebs rot leuchtet. «Ich bin der Gib-häb-zünd von Markus Ritter», sagt er. Rat geben, Sorgen abnehmen, den Weg zünden.
Nachdem er den Job angenommen hatte, stellte er Ritter zuerst eine einfache Frage: «Sag, gibt es bei dir heikle Dinge, die rauskommen werden?» Furrer weiss: Es gibt niemand, der nichts hätte – sei es einen delinquenten Schwager oder einen unsauberen Jobwechsel. Er stellte einen Katalog von «nasty questions» zusammen, auf die Ritter eine Antwort haben muss. Im Idealfall antizipiert der PR-Berater heute, was Journalisten morgen recherchieren werden.
Gemeinsam bespricht man Auftritte. Ändern wird er Ritter aber nicht, darüber macht sich Furrer keine Illusionen. Den raumgreifend selbstbewussten Ritter verkehrt kein PR-Berater ins Gegenteil. Wenn er wie neulich in einem Interview erklärt, er gehe erst zum Arzt, wenn er den Kopf unter dem Arm trage, dann findet Furrer: «So ist er. Wir spülen ihn nicht fein.»
Furrer schätzt Ritter schon länger, «als Bauernlobbyist ist er ein Berufskollege» – anders ginge es für ihn nicht: «Wenn man so eng zusammenarbeitet, muss es persönlich passen.» Lorenz Furrer ist ein People-Profi, er investiert jetzt in Ritter (und verrechnet ihm nicht die branchenüblich hohen Ansätze), weil er weiss, dass die Nähe zu einem potenziellen Bundesrat umso wertvoller ist. Er begleitete schon Ignazio Cassis und Viola Amherd in den Bundesrat, allerdings ehrenamtlich. Zu beiden unterhält er «sehr enge und freundschaftliche Beziehungen» – die wiederum andere Kunden von ihm zu schätzen wissen.
Lobbyieren am Bakelit-Telefon
Wenn Lorenz Furrer betont, es müsse «persönlich passen» zwischen Ritter und ihm, dann beginnt Bettina Mutter, die Beraterin von Martin Pfister, über die Krise der Demokratie etwa in den USA oder Deutschland zu sprechen. Hätte die Mitte nur einen Kandidaten für den Bundesrat nominieren können, wäre das ein weiteres Krisensymptom gewesen, sagt sie. Als Martin Pfister sie kontaktierte, setzte sie sich also mit ihm zusammen und redete mehrere Stunden mit ihm. Danach sagte sie zu ihren Mitarbeiterinnen: «Let’s do this!»
Ihr Kandidat war bisher nahezu unbekannt in Bern, sie muss ihn als Alternative zum allgegenwärtigen Markus Ritter positionieren. Sie koordiniert Pfisters Medientermine, sagt dem Moderator Sandro Brotz für eine Ritter-contra-Pfister-«Arena» ab (was die Gegenseite ebenfalls tat), sucht ihm den letzten Vorstoss zur Lex Koller heraus.
Während sich Ritter als 80-Stunden-Woche-Vollgas-Konservativer inszeniert, forciert Pfister seine weltoffen-wirtschaftsliberale Seite. Seiner Beraterin wird es keine Mühe bereiten, diese zu betonen: Auf Linkedin hat sie auch schon die Subventionen für eine Landwirtschaft (und damit den Bauernpräsidenten Markus Ritter) kritisiert, die sich aus ihrer Sicht zu wenig am Markt orientiert: «Als Konsumentin möchte ich auch mal ein gutes veganes Schweizer Produkt essen.»
Die verschiedenen Möglichkeiten, politisch Einfluss zu nehmen, hat Bettina Mutter schon als Kind internalisiert. Mitte der 1970er Jahre, als sie ein junges Mädchen war, gelang es ihrem Vater, der Gemeindepräsident in ihrem Dorf im Wallis war, gemeinsam mit anderen in der Region einen Kredit zu organisieren und damit eine Fabrik im Tal anzusiedeln. Mutter sagt: «Ich sehe noch, wie unser Vater – Gott hab ihn selig – im Gang ans Bakelit-Telefon ging und vor den Urversammlungen für den Kredit lobbyierte.»
Wie man ihre Tätigkeit nenne, sagt Bettina Mutter, sei Nomenklatur: Lobbying, PR oder Interessenvertretung. Sie selbst spricht immer wieder von Handwerk, Transparenz ist ihr wichtig. Ihre Werkzeuge seien eine gute Auffassungsgabe, schnelle Beine und eine funktionierende Tastatur. So versucht sie den ewigen Fortgang der Bundeshausgeschäfte zu beeinflussen. Fast klingt es, als bestehe das Parlament nicht bloss aus 200 Nationalrätinnen und 46 Ständeräten, sondern auch aus PR-Beraterinnen, Lobbyisten wie Bettina Mutter und Lorenz Furrer, die nicht vom Volk, sondern von ihren Kunden mandatiert wurden. Ein modernes Organ des alten Bundesstaates.
Angefangen hat das Zusammenspiel zwischen Geld und Politik mit einem faulen Spruch.
Der Schwarznasen-Coup
«Mit einer Million mache ich aus jedem Kartoffelsack einen Bundesrat», soll Rudolf «Fänsch» Farner (1917–1984) gesagt haben, der erste Sehnsuchtsmann von Machtwilligen. Er hatte das Geschäft in Amerika studiert – und dominierte ab den 1950er Jahren für die Bürgerlichen den Meinungsmarkt in Bern. Unter Linken hingegen galt er als unheimliche Schattenfigur.
In der PR-Branche wird gemutmasst, dass es seit Farner keinen unterbetreuten Bundesrat mehr gegeben hat. Aber dass sich schon früher Bundesratskandidaten hätten beraten lassen? Unter Bundeshausveteranen kann sich niemand erinnern. Martin Schläpfer, einst Bundeshausjournalist, später Migros-Lobbyist, sagt: «Es wäre den Politikern als Schwäche ausgelegt worden.»
Was lange im Dunkeln blieb, hat sich im neuen Jahrhundert in den Halbschatten verlagert. Einmal wurde Schläpfer – inzwischen bei der Migros – von einem Bundesratskandidaten um seine Hilfe gebeten. Es war Alain Berset, «der das gar nicht nötig gehabt hätte», wie Schläpfer sagt. Also ging er an Fraktionsanlässe, um den Boden für Berset zu bereiten. Dieser wollte damals nicht, dass das Lobbying herauskommt. Die konspirativen Treffen fanden in einem mexikanischen Restaurant beim Bahnhof statt, wo sie niemand erkannte.
Inzwischen sind Public Relations auch für Bundesratskandidaten normal. Und Martin Schläpfer sagt, er verstehe diesen Beratungsbedarf. «Die Ansprüche der Medien sind viel grösser als früher, alles muss viel schneller gehen, jede noch so kleine Lobby verlangt nach einem Meeting mit dem künftigen Bundesrat.»
Der bekannteste PR-Coup einer Bundesratskür ist ein Bild von Elisabeth Baume-Schneider, das sie mit ihren Schwarznasenschafen zeigt. Es soll die Idee ihres Beraters gewesen sein: Martin Hofer von Farner. Er richtete die Kampagne von Baume-Schneider damals konsequent auf jene aus, die ihr zur Wahl verhelfen sollten: nicht auf die Medien und nicht auf die ganze Bevölkerung, sondern auf das Parlament – und da auf jene, die lieber eine konsensuale Schafhalterin aus dem Jura als eine Historikerin aus Basel-Stadt (Eva Herzog) wählen. Und zu Baume-Schneider sagte Hofer: «Teil dir deine Kräfte ein, mach nicht jeden einzelnen von aussen gewünschten Auftritt, gewählt wirst du nicht wegen Zeitungsinterviews und nicht vom Fernsehpublikum, sondern vom Parlament.»
Zwar sind Bundesratswahlen zum medialen Spektakel geworden, Beliebtheitsrankings inklusive, aber gewonnen werden sie immer noch in der Wandelhalle, im Hearing der bäuerlichen Parlamentarier, an der Bar der «Galerie des Alpes». Im natürlichen Habitat der PR-Leute.
«80 Prozent macht der Kandidat»
Wer sich hier bewegen kann, kann etwas bewegen. Die Lobbyistin Fabienne Thomas war im Herbst 2023 daran beteiligt, den Basler Regierungsrat Beat Jans in den Bundesrat zu bringen. «Etwa 80 Prozent», schätzt sie, «macht der Kandidat und 20 Prozent die Kampagne aus.» Der Aufwand ist enorm, die finanzielle Aussicht bescheiden, aber das Prestige gross.
Im Fall von Beat Jans betonte sie seine Regierungserfahrung, die seinem Konkurrenten Jon Pult fehlte. Beat Jans musste Französisch üben und erhielt von seinen PR-Leuten eine Liste mit nützlichen Vokabeln. Vor den Hearings sensibilisierten sie ihn schliesslich dafür, dass man rechts lieber von Pflanzenschutzmitteln, links aber von Pestiziden spricht.
Zudem beobachten die PR-Leute immer auch, was die Konkurrenz macht. Negative Campaigning gilt in der Branche als verpönt, Abgrenzung als erlaubt. Sollte der eigene Mandant schlechte Presse erhalten, ist es von Vorteil, eine Geschichte im Repertoire zu haben, die den Kandidaten wieder sympathischer erscheinen lässt. Thomas sagt: «In einem solchen Fall hätten wir vielleicht doch noch Bilder veröffentlicht, die Beat Jans beim Melken im Jura zeigen.»
Wer ist im Vorteil?
Im laufenden Bundesratswahlkampf, sagt Bettina Mutter, bleibe immer noch Zeit, weiche Faktoren einzubringen. Eine Homestory mit ihrem Kandidaten Martin Pfister und seiner Patchworkfamilie ist bereits geplant. Markus Ritter gilt als Favorit, doch Mutter sagt, die Wahl sei völlig offen. Die letzten Hearings würden erst am Vorabend der Wahl stattfinden. Pfister müsse nun Gespräche mit möglichst vielen Parlamentariern führen.
Lorenz Furrer und seine Agentur bereiten ihren Kandidaten Markus Ritter in diesen Tagen auf die Hearings der Parteien vor. Furrer hat den «sportlichen Ehrgeiz», Ritter in den Bundesrat zu beraten. Er sieht ihn im Vorteil, aber er weiss: Es gibt nichts Unberechenbareres als Bundesratswahlen.