«Bü-Bü-Bündnerfleisch» suchen wir im neuen «Bü’s» vergeblich, nicht aber den Wurst-Käse-Salat: Eine Zürcher Institution lebt an neuem Standort weiter.
Da kommt der Chef, kaum ist man eingetreten, der leicht tänzelnde Gang und ein Flair für bunte Hemden verraten ihn. Und gegen Ende des Abends wird ein alter deutscher Schlager erschallen, angeblich auf Gästewunsch, doch wer singt kurz aus voller Kehle mit? Der Chef, dessen Ruf als Entertainer jenem als Gastgeber kaum nachsteht.
So kennt man in Zürich Jörg Bühler alias «Bü» seit langem: Innert fast zwei Jahrzehnten machte der ausgebildete Koch und Sommelier sein «Bü’s» an der Kuttelgasse bei der Bahnhofstrasse zur Institution, bis er 2021 eine Pachtzinserhöhung an teurer Lage nicht mehr schluckte. Nun werden dort Kleider verkauft, als gäb’s davon in dem Viertel nicht genug. Nach einer Auszeit hat Bühler, mit dem Verfasser dieser Zeilen weder verwandt noch verschwägert, in einer versteckten Ecke in Wiedikon seinen neuen Wirkungsort gefunden: Ein paar Jährchen vor dem Pensionsalter hat er das Quartierrestaurant «Hopfenau» übernommen.
Die Küchenchefin Aline Wahl und ihr Team zeigen Sinn fürs Währschafte und ein gutes Händchen für den Einsatz frischer Kräuter. Beginnen kann man etwa mit schmackhaftem Brennnessel-Süppchen (Fr. 16.–), einer Auster No. 3 aus der Marennes-Oléron-Bucht mit Erbsenkresse (Fr. 7.–) oder – welch ein Spagat! – mit Wurst-Käse-Salat (Fr. 18.–). Der hiess einst bei Bühler «Ciao Sepp», vielleicht in Anspielung an den damals scheidenden Fifa-Boss, und nun «Worst-Case-Salat» – nicht nach Fifa-Reglement, sondern frei nach Domenico Blass’ «Züri-Slängikon». Die Interpretation des helvetischen Klassikers mit Lyoner, Alpkäse, leichter Sauce und geröstetem Laugenbrötchen tendiert eher zum Best-Case-Szenario.
Gerade ausgegangen ist leider «Hopfenau-Cordon-bleu» (Fr. 42.–). Das angesichts des Preises etwas klein geratene, gebratene Kalbsnierstück mit Pommery-Senf-Sauce (Fr. 54.–) und Jus im Kännchen ist nicht ganz so zart, wie es mit der Niedergarmethode gelingen könnte; die begleitenden «Parmesankrapfen» aber sind eine köstliche Kroketten-Variation. Weniger überzeugt der Kartoffelschnee – gepresste Salzkartoffeln mit versehentlich erst angetauten Kräuterbutterbällchen darin –, der das auf der Haut und auf den Punkt gebratene Heilbuttfilet (Fr. 45.–) mit Erbsen und Morcheln begleitet.
Seit eh und je trumpft «Bü» mit einer der stärksten Weinkarten weit und breit auf. Unsere Begleiter schlagen einen Lagrein vor, eine von uns bis jetzt sträflich vernachlässigte Traubensorte, also willigen wir sofort ein. Der Riserva Klosteranger Weingarten 2020 (Fr. 145.–) aus der Südtiroler Klosterkellerei Muri-Gries ist ein hinreissender Roter: vollmundig, strukturiert, mit schöner Fruchtigkeit und vollendeter Balance. Der Preis ist fair, für die Hälfte gäbe es vom gleichen Gut eine Abfüllung eigens für «Bü».
Seine Lust an der Mundart lebt dieser in der Speisekarte aus, mit Formulierungen wie «oises Mönü». Die Rechtschreibung ist kreativ, und für Züritüütsch gibt’s keinen Duden, mit dem Besserwisser winken könnten. In Zeiten, da Englisch in den Karten um sich greift, sind Refugien des Dialekts überdies erfrischend. Sein sprachliches Flair beweist der Wirt auch, indem er elegant der grassierenden Apostrophitis entkommt: Die Ü-Pünktchen sind bei «Büs» leicht nach rechts verschoben, so dass das zweite ein Auslassungszeichen nur andeutet.
Und überall mischen Wortspiele mit: Die Online-Weinhandlung heisst «Bütique», der mittägliche Dreigänger «Büsiness-Löntsch» (Fr. 63.–). Ginge es nach einem Altbundesrat, gäb’s hier wohl auch noch «Bü-Bü-Bündnerfleisch», was dann eher ein Fall für den «Büsiater» wäre, frei nach Alfred Rasser alias HD Läppli. Vom «Schweigen der Schlemmer» allerdings, wie die Hauptgänge übertitelt sind, ist wenig zu spüren: Der Lautstärkepegel im gut gefüllten Raum ist hoch, fürs Ausweichen auf den stattlichen Boulevardteil ist’s draussen noch zu kühl.
Der Service ist persönlich, unsere junge Kellnerin sofort im Duzmodus. Mit ihrem Enthusiasmus schiesst sie hier und dort leicht übers Ziel hinaus, aber das ist uns lieber als die distanzierte Unverbindlichkeit vieler Zürcher Lokale. Bis zum Schluss ist die Detailpflege spürbar, etwa mit hausgemachten Mini-Brownies zum Kafi. Und nach kunstvoll arrangierten Tagesdesserts wie dem mit Popcorn-Glace servierten Financier (Fr. 18.–) – das Mandelküchlein ist mit Blüten, Popcorn und luftiger Ruby-Schokolade belegt – werden auf einer antiken Voiture Bettmümpfelis herbeigekarrt. Aus diesen darf man für einen Fünfliber frei wählen. Büngo!
Restaurant
Bü’s Hopfenau
Hopfenstrasse 19, 8045 Zürich.
Samstags und sonntags geschlossen
Telefon 044 211 94 11
Für diese Kolumne wird unangemeldet und anonym getestet und am Ende die Rechnung stets beglichen. Der Fokus liegt auf Lokalen in Zürich und der Region, mit gelegentlichen Abstechern in andere Landesteile.
Die Sammlung aller NZZ-Restaurantkritiken der letzten fünf Jahre finden Sie hier.