Australien ist reich an Bodenschätzen. Doch eine Lieferkette für kritische Mineralien aufzubauen, die nicht von China abhängt, ist schwierig.
China glaubt ein wirksames Gegenmittel gegen die Flut an Zöllen des amerikanischen Präsidenten Donald Trump gefunden zu haben: seltene Erden. In diesen 17 Mineralien hat Peking eine dominierende Position: Es kontrolliert rund zwei Drittel der globalen Produktion und mehr als 85 Prozent der Verarbeitung.
Peking nutzt diese Position als Druckmittel: Schon mehrmals reduzierte oder stoppte es zum Beispiel die Ausfuhr von Gallium und Germanium, die zur Herstellung von Halbleitern, Solarpanels und Waffen verwendet werden – nicht nur in die USA, auch in andere Länder.
Australien hat viele kritische Mineralien
Auch in der grösseren Gruppe der kritischen Mineralien, zu denen zum Beispiel Lithium, Kobalt, Grafit oder Nickel zählen, ist die chinesische Industrie global führend. Ohne diese Mineralien gibt es keine Elektroautos, keine Windräder, keine Energiewende. Was genau als kritisches Mineral gilt, wird von verschiedenen Ländern unterschiedlich definiert. Die USA haben insgesamt 50 Elemente auf ihrer Liste – bei 30 von ihnen ist China der weltgrösste Produzent.
Die Abhängigkeit der USA von Importen dieser Mineralien sei ein Risiko für die nationale Sicherheit, die Verteidigungsbereitschaft, die Preisstabilität sowie für wirtschaftlichen Wohlstand, sagte Präsident Trump, als er Mitte April das Handelsministerium anordnete, die Versorgung mit kritischen Mineralien zu untersuchen. Auch bei den Gedankenspielen, Grönland an sich zu reissen, spielen kritische Mineralien eine Rolle. Und von der Ukraine verlangt Trump, dass sie mit ihren Rohstoffvorkommen für die amerikanische Militärhilfe bezahle.
Eine Alternative wäre, mit Australien – einem der engsten Verbündeten der USA – zusammenzuarbeiten. Dort, so lautet ein geflügeltes Wort, findet man mit etwas Buddeln im Boden das komplette Periodensystem. Der Reichtum an Bodenschätzen zeigt sich in der Aussenhandelsstatistik des Landes: Allein Eisenerz und Kohle machen einen Drittel der Exporte aus. Unter den zehn wichtigsten Exportgütern finden sich des Weiteren Erdgas, Gold, Erdöl und Aluminium.
«Von den kritischen Mineralien haben wir zum Beispiel Cadmium, Indium, Germanium, Gallium in beträchtlichen Mengen», sagt John Mavrogenes, Professor für Lagerstättenkunde an der Australian National University in Canberra. Diese Mineralien fänden sich häufig in den gleichen Gesteinen wie Zink. «Zink wird in Australien abgebaut und auch verarbeitet – doch die kritischen Mineralien werden mit der Schlacke entsorgt, weil sich die Aufbereitung wirtschaftlich nicht lohnt.»
Peking sichert sich strategisch globalen Nachschub
Hier zeigt sich eine Schwäche der australischen Bergbauindustrie: Sie ist spezialisiert darauf, Mineralien in riesigen Mengen aus dem Boden zu holen. Doch nur ein kleiner Teil davon wird auch im Land verarbeitet. So exportierte Canberra 2023 allein 893 Millionen Tonnen Eisenerz. «Shovel and ship», «Ausbuddeln und Verschiffen» nennen Kritiker dieses Geschäftsmodell spöttisch, das an koloniale Zeiten erinnert.
Im Country Complexity Ranking der Universität Harvard spiegelt sich die starke Fokussierung der australischen Wirtschaft auf Rohstoffabbau. Der Index bildet das produktive Wissen ab, das in die Exportprodukte eines Landes fliesst. 2023 liegt Australien gerade einmal auf Platz 100 der komplexesten Wirtschaften. Das sind 39 Plätze weniger als 1995. China hat sich in der gleichen Zeit auf Platz 15 vorgearbeitet. Kein Wunder, werden viele Rohstoffe, die Australien aus dem Boden holt, in China verarbeitet und in dort hergestellten Industrieprodukten verwendet.
Selbst wenn kritische Mineralien in Australien gezielt abgebaut werden, gehen sie zur Verarbeitung meist nach China. Die Volksrepublik hat sich über Jahrzehnte systematisch einen grossen Teil des globalen Nachschubs gesichert: So vergab Peking zwischen 2000 und 2021 Kredite in Höhe von fast 57 Milliarden Dollar für den Abbau und die Verarbeitung von Kupfer, Kobalt, Nickel, Lithium und seltenen Erden im Ausland. Das errechnete das amerikanische Forschungsinstitut AidData.
«Auf absehbare Zeit werden wir uns nicht von China abkoppeln können», sagt Henry Campbell, der sich am Australian Strategic Policy Institute, einer Denkfabrik in Canberra, mit kritischen Mineralien beschäftigt, «und wahrscheinlich sollten wir das auch nicht tun.»
Chinas marktdominierende Stellung erlaubt es Peking, die Preise künstlich tief zu halten. So ist es für Bergbaufirmen in anderen Ländern nicht interessant, in die Erschliessung neuer Vorkommen zu investieren oder die Verarbeitung aufzubauen. So sei die Nickel-Produktion in Australien stark zurückgegangen, weil massive chinesische Investitionen in den Nickel-Abbau in Indonesien den Preis nach unten getrieben hätten, sagt Mavrogenes. Aus Gesteinsschichten, die Nickel enthalten, gewann Australien auch Kobalt. Die australische Produktion dieses begehrten Minerals ging gleichermassen zurück.
Die Labor-Partei von Premierminister Anthony Albanese hat bekanntgegeben, dass sie eine strategische Reserve für 31 kritische Mineralien aufbauen wolle. Damit erhalten australische Produzenten einen garantierten Abnahmepreis für ihr Produkt. So sollen Investoren dazu gebracht werden, vermehrt in die sehr langfristigen Projekte zu investieren. Mavrogenes bezeichnet dies als sehr positiven Schritt.
Rüstungsindustrie generiert nur kleinen Teil der Nachfrage
Von strategischer Bedeutung sei vor allem, alternative Lieferketten aufzubauen, um den Nachschub für die Rüstungsindustrie zu sichern. Das sei machbar, sagt Campbell: «Denn die Rüstung macht nur etwa 10 Prozent der globalen Nachfrage aus.» Wenn das Ziel hingegen sei, die Energiewende unabhängig von China zu schaffen, dann komme man in ganz andere Dimensionen, was Förderung und Verarbeitung anbelange.
Egal in welcher Grössenordnung die Verarbeitung aufgebaut werden soll, eine Herausforderung wird sein, das nötige Know-how zu finden. Seltene Erden etwa seien schwer zu trennen und selbst nach der Trennung schwierig zu verarbeiten, sagt Mavrogenes. «Es gibt also nur sehr wenige Fachleute, die darin wirklich gut sind – und mit Abstand die Besten sind die Chinesen.» Da sich auch andere Länder der Abhängigkeit von Peking bewusst würden, sei der Wettbewerb um die wenigen Experten ausserhalb Chinas hart.
Wenn der Aufbau der Verarbeitung in Australien zu schwierig oder unrentabel ist, kann sie in Partnerländern stattfinden. Beispiele dafür gibt es bereits. Pilbarra Minerals, das in Westaustralien eines der weltgrössten Lithium-Vorkommen abbaut, hat gemeinsam mit dem südkoreanischen Stahlproduzenten Posco in Südkorea eine Verarbeitungsstätte aufgebaut. Lynas, der grösste Förderer von seltenen Erden ausserhalb Chinas, verarbeitet sein Material in einer eigenen Anlage in Malaysia.
China als Partner?
Es gibt aber auch Stimmen, die argumentieren, dass Australien nicht gegen, sondern mit China arbeiten sollte. James Laurenceson, der Direktor des Australia-China Relations Institute an der University of Technology Sydney, sagt, dass Australien chinesische Firmen für Investitionen in die Verarbeitung kritischer Mineralien in Australien gewinnen sollte. Auch wenn die Chinesen so an kritischen Mineralien aus Australien mitverdienen würden, hätte man zumindest die Verarbeitung im Land. Diese Produktion könnte nicht unter einen Exportstopp der chinesischen Regierung fallen, meint der Ökonom.
«Leider ist das Gegenteil der Fall», sagt Laurenceson, «es gibt ein De-facto-Verbot für chinesische Investitionen in dem Bereich.» Das sagten die australischen Behörden zwar nicht so, aber es seien in den letzten Jahren keine chinesischen Investitionen in den Abbau und die Verarbeitung kritischer Mineralien in Australien geflossen. Dies, obwohl sich chinesische Firmen verstärkt im Ausland engagierten.