Krawall im Bundeshaus, Urteil aus Strassburg, Vertrag mit Brüssel – die beiden machen aus ihrer Uneinigkeit kein Geheimnis.
Nach dem Krawall im Bundeshaus hat sich auch der Justizminister zu Wort gemeldet. «Die Parlamentarier mussten einfach eine andere Treppe nehmen, insofern hätte man sich auch an die Anweisungen der Polizei halten können», liess Beat Jans am Donnerstag vom EU-Minister-Treffen in Luxemburg aus verlauten.
Damit stellte sich der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements vor «seine» Bundespolizisten – und gegen Thomas Aeschi. Der Fraktionschef der SVP hat sich am Mittwoch im Bundeshaus mit den Sicherheitsleuten ein Handgemenge geliefert, weil diese ihn daran hindern wollten, eine abgesperrte Treppe zu benutzen.
Schnitzelbank am 1. Mai
Beat Jans stellte sich aber auch demonstrativ gegen seinen Ratskollegen Albert Rösti. Der SVP-Bundesrat hat seine Sicht zu den Ereignissen bereits am Mittwochabend kundgetan. Rösti kritisierte vordergründig das Einsatzdispositiv rund um den Besuch des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk. «Dass ein gewählter Parlamentarier, der allen bekannt ist, nicht seiner Arbeit nachkommen kann: Da bin ich der Meinung, das geht nicht», sagte der Rösti in der «Rundschau» von SRF.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Jans und Rösti öffentlich widersprechen. Bahnt sich zwischen den beiden Bundesräten eine Fehde an? Viel heikler als beim Eklat im Bundeshaus sind die Dissonanzen der beiden rund um das Klima-Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) in Strassburg. Sowohl Jans als auch Rösti sind mit ihren Departementen direkt davon betroffen.
Jans wäre als Justizminister dafür verantwortlich gewesen, dass die Schweiz den Prozess in Strassburg schadlos übersteht. Das Bundesamt für Justiz (BJ) stellte mit Alain Chablais den «Anwalt der Schweiz». Sogar Helene Keller, die als frühere EGMR-Richterin das Urteil begrüsste, hat bei ihrer Anhörung vor der ständerätlichen Rechtskommission prozedurale Mängel der Schweizer Vertretung moniert. Wobei für Jans hier mildernde Umstände gelten. Er hat das Justizdepartement erst dieses Jahr übernommen, als der Prozess in Strassburg schon fortgeschritten war.
Auch Klimaminister Rösti war noch nicht im Amt, als die Schweiz aus Sicht der EGMR-Richter zu wenig gegen den Klimawandel getan haben soll. Gleichwohl wurde er von Jans öffentlich angegriffen, nachdem er das Urteil als «nicht vereinbar» mit der direkten Demokratie kritisiert hatte. Jans zog Röstis Kritik an seiner 1.-Mai-Rede ins Lächerliche. «Ich will den Kritikern dieses Urteils nicht die Rösti versalzen, aber: Das war kein Entscheid gegen die Schweizer Bevölkerung, sondern ein Entscheid für die Schweizer Bevölkerung», sagte Jans gemäss Redetext über das Urteil und Röstis Reaktion.
Die Mehrheit der Volksvertreter sieht es indes gleich wie Rösti. Der Nationalrat hat sich diese Woche einer Erklärung des Ständerats angeschlossen, die den Bundesrat auffordert, dem Urteil keine weiteren Folgen zu geben. Die Art und Weise, wie die Landesregierung auf das EGMR-Urteil Stellung nehmen wird, wird über das Verhältnis zwischen Jans und Rösti weiter Aufschluss geben. Der SVP-Bundesrat dürfte die bürgerliche Mehrheit im Gremium hinter sich wissen.
In der Minderheit könnte Rösti dereinst beim neuen EU-Vertrag sein. Hier sind er und sein SVP-Kollege Guy Parmelin schon Anfang Jahr vorgeprescht. Am WEF in Davos haben sie klargemacht, dass ein Abkommen bei einer Abstimmung nebst der Hürde des Volks- auch jene des Ständemehrs überwinden müsste.
EU-Abstimmung ohne Ständemehr?
In Bern soll nun ein von Jans in Auftrag gegebenes Gutachten des BJ kursieren, das zu einem ganz anderen Schluss kommt. Demnach sei es verfassungswidrig, der neue EU-Verträge auch dem Ständemehr zu unterstellen, schreibt am Freitag der «Nebelspalter». Das BJ wollte sich auf Anfrage nicht dazu äussern.
Ohnehin wird die Frage, ob es das Ständemehr auch braucht oder das Volksmehr allein genügt, wenn es um die Zunft mit der EU geht, eine rein politische sein. Falls sich Jans im Bundesrat damit nicht durchsetzen kann, droht ihm eine empfindliche Schwächung innerhalb des Gremiums. Der europaphile Basler galt den Befürwortern eines EU-Vertrags als Hoffnungsträger, das Dossier im Bundesrat zu deblockieren. Mit dem Dossierverantwortlichen Ignazio Cassis, der EU-Befürworterin Viola Amherd sowie seiner Parteigenossin Elisabeth Baume-Schneider dürfte er eine Mehrheit im Bundesrat haben.
Jedenfalls wird am kommenden Donnerstag der EU-Kommissar Maros Sefcovic in Bern erwartet. Vorgesehen ist unter anderem ein Meinungsaustausch im Bundeshaus mit den aussenpolitischen Kommissionen – die Sitzungssprache ist Englisch. Das Sicherheitsdispositiv dürfte dieses Mal kaum zu reden geben.