Der Momentum Screen ist geprägt von Donald Trumps Wahlsieg und der Kursfantasie, die der neue, alte US-Präsident ausgelöst hat. Im Aufwärtstrend und damit weit oben in den Tabellen befinden sich vor allem Aktien, die mutmasslich von Trumps Politik profitieren dürften.
Donald Trump ist an den Aktienmärkten allgegenwärtig. Ins Auge sticht etwa die Auswirkung seines Wahlsiegs auf den Russell 2000. Der Index fasst die 2000 kleinsten US-Unternehmen des grösseren Indexbruders Russell 3000 zusammen. Diese Nebenwerte könnten besonders von den Vorhaben des alten und bald neuen US-Präsidenten profitieren. Denn geplante Steuersenkungen, der Abbau von Regulierung und die Erhöhung von Zöllen helfen in erster Linie Gesellschaften, die auf den Binnenmarkt ausgerichtet sind, wie es bei vielen kleineren Titeln der Fall ist, so die Denkweise am Markt. Wenig verwunderlich ist deshalb der Anstieg des Russell 2000 seit der US-Wahl. Er rangiert in den Tabellen des Momentum Screen auf Platz vier der vierzig beobachteten Aktienindizes.
Der Aufwärtstrend des Russell 2000 könnte sich fortsetzen, was ETF darauf attraktiv wirken lässt. Doch Vorsicht: Trumps Politik könnte auch die Kosten für Waren in die Höhe treiben und so die Inflation anheizen, was wiederum die US-Notenbank (Fed) dazu veranlassen würde, die Zinsen weniger stark zu senken.
Im Momentum Screen schaut The Market lieber auf einzelne Aktien, deren Kursentwicklung mitunter berechenbarer ist als die eines ganzen Index. Sind Titel im Aufwärtstrend und dazu attraktiv bewertet, kann es sich lohnen, dem Trend zu folgen, sofern die gesamte Marktlage für Aktien spricht. Derzeit zeigt die Analyse eine ganze Reihe momentumstarker Valoren.
Aus dem deutschen Leitindex Dax stechen derzeit drei Aktien hervor: Heidelberg Materials, Rheinmetall und Siemens Energy.
Heidelberg Materials blickt auf ein gutes drittes Geschäftsquartal zurück, das das Baustoffunternehmen veranlasst hat, die Prognose für 2024 überraschend anzuheben. Der Dax-Konzern erhöhte das untere Ende der Ebit-Prognosespanne um 0,1 Mrd. € auf 3,1 bis 3,3 Mrd. €. Umsatz und Ebitda lagen im abgelaufenen Quartal klar über den Konsensschätzungen (5,8 Mrd. und 1,5 Mrd. €). Die Gewinnmarge stieg auf 25,2%, nach 24,8% im Vorjahresquartal, und zwar trotz rückläufiger Absatzmengen.
Zum Kursplus trug auch das neu angekündigte Transformationsprogramm bei, in dessen Kern es um die Optimierung der Klinker- und Zementwerke in Westeuropa geht. Es soll bis Ende 2026 einen Ergebnisbeitrag von jährlich 500 Mio. € liefern.
Im nächsten Jahr könnte dann die Anlaufphase des Projekts im norwegischen Brevik für positive Impulse sorgen und den Aufwärtstrend der Aktien am Laufen halten. Dort stellt Heidelberg Materials CO2-freien Zement her. Dazu wird das klimaschädliche Gas abgeschieden und gespeichert. Heidelberg Materials ist bei der Technologie der Konkurrenz voraus.
Die Titel zogen schon vor der Bekanntgabe der Quartalszahlen an, fanden hier vor zwei Wochen Erwähnung und haben jetzt noch einmal an Momentum gewonnen. Mit 121.10 € haben sie jüngst ein Allzeithoch erreicht. Der alte Bestwert stammte noch aus dem Jahr 2007.
Auch die Heidelberg-Materials-Valoren sind Teil des «Trump Trade», falls das künftige US-Staatsoberhaupt Milliarden in die Infrastruktur stecken sollte. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis des geschätzten Gewinns für 2025 liegt bei 9. Im Vergleich zu anderen Unternehmen aus der Branche wie Saint-Gobain (KGV: 13), Holcim (14) und CRH (16) erscheinen die Papiere günstig; dagegen ist Buzzi Unicem (8) etwas niedriger bewertet.
Trotz der höheren Bewertung ist auch Holcim ein interessantes Investment, meint The Market. Vor allem, weil der Schweizer Wettbewerber im nächsten Jahr sein Nordamerikageschäft abspalten will.
Bei den Aktien europäischer Rüstungskonzerne hat sich ab April dieses Jahres eine gewisse Kriegsmüdigkeit unter den Anlegern eingestellt. Die Titel schienen ihr Pulver vor der US-Wahl sprichwörtlich verschossen zu haben.
Mit dem Wahlsieg Trumps steigt nun allerdings die Wahrscheinlichkeit für ein Ende der US-Militärhilfen an die Ukraine und allgemein für ein geringeres Engagement der USA in Europa. Höhere Verteidigungsausgaben in Europa wären die Folge, sollte Trump seine Drohungen wahr machen. Dementsprechend schoss der Aktienkurs von Rheinmetall in die Höhe und erreichte am Montag mit 582.40 € ein Rekordhoch. Das ist aus Trendfolgesicht ein Kaufsignal.
Die Rheinmetall-Valoren haben in den vergangenen zwei Wochen in der Liste der Dax-Titel im Momentum Screen den grössten Sprung gemacht. Sie nehmen unter den stärksten Papieren dort nun Platz vier ein.
Sie haben bei Bloomberg für 2025 ein KGV von 19. Das erscheint nicht besonders günstig, insbesondere weil die Konkurrenz – egal, ob Dassault (KGV: 13), Leonardo (15), Renk (15), Thales (16), BAE (17) oder Hensoldt (17) – billiger zu haben ist. Rheinmetall ist aber einer der profitabelsten Rüstungskonzerne dies- und jenseits des Atlantiks. Sie peilt 2024 eine operative Marge von nun 15% an (zuvor: 14 bis 15%), mittelfristig soll sie darüber liegen. Der Umsatz soll im laufenden Jahr rund 10 Mrd. € erreichen und auch in Zukunft weiter kräftig wachsen. Rheinmetall will zum globalen Champion werden, war der selbstbewusste Tenor auf dem Kapitalmarkttag am Montag.
Zieht man das dynamische KGV zur Beurteilung heran, sieht die Sache ohnehin anders aus. Das PEG Ratio setzt das KGV ins Verhältnis zum erwarteten Gewinnwachstum. Aktien mit einem PEG Ratio von unter 1 gelten als unterbewertet. Bei Rheinmetall liegt der Wert gemäss Bloomberg bei 0,5.
Konzernchef Armin Papperger, der seinen Vertrag gerade um fünf Jahre verlängert hat, ist sich sicher, Trump werde Druck auf die Europäer ausüben.
Siemens Energy ist weiter Spitzenreiter im Dax, wenn man die Indexmitglieder wie The Market im Momentum Screen nach relativer Stärke sortiert. Anders als Rheinmetall oder Heidelberg Materials könnte der Energietechnikkonzern unter Trump leiden – insbesondere im Windgeschäft. Denn der Republikaner schert sich nicht viel um erneuerbare Energie.
Apropos Windgeschäft: Die noch nicht gelösten Probleme im Onshore- und Offshore-Bereich hat der Markt bislang ignoriert. Zuletzt standen eher die erhöhten Mittelfristziele bis 2028 im Vordergrund. Der Dax-Konzern kann sich vor Bestellungen für Gasturbinen und Stromnetze kaum noch retten und setzt teils erheblich höhere Margen am Markt durch. Der Umsatz soll jährlich «im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich» wachsen und die Gewinnmarge des Geschäftsjahres 2028 einen Zielwert von 10 bis 12% erreichen (zuvor: 8% oder höher).
So weit, so gut. Doch wegen des bislang wenig beachteten Windgeschäfts, das erst 2026 die Gewinnschwelle erreichen soll, ist die Aktie mit Vorsicht zu geniessen und birgt gewisses Rückschlagspotenzial. The Market empfiehlt daher für Anleger mit schwachen Nerven, sich das Kursspektakel besser von der Seitenlinie aus anzuschauen. Darüber hinaus sind die Valoren mit einem KGV von 58 für 2025 mittlerweile recht teuer. Der direkte US-Wettbewerber GE Vernova ist mit dem 51-Fachen des für 2025 geschätzten Gewinns bewertet. Seine eigenständige Kotierung hat die Rally bei Siemens Energy teils befeuert. Daher könnte das Investoren-Update des Konkurrenten am 10. Dezember den Kurs von Siemens Energy bewegen. Zwei Tage später berichtet Siemens Energy über das Geschäftsjahr, das am 30. September geendet hat.
Ansonsten finden sich im Momentum Screen weiterhin an vorderer Stelle: MTU Aero Engines, Deutsche Telekom, SAP und Zalando. Bei Telekom gibt es das Ex-US-Geschäft praktisch gratis dazu, wenn man die Börsenbewertung der Tochter T-Mobile USA und die von Deutsche Telekom miteinander vergleicht. Der Onlinehändler Zalando hat grosse Wachstumspläne.
Neues Schlusslicht im Dax ist Bayer. Der Pharma- und Chemiekonzern gab nach schlechten Quartalszahlen eine Gewinnwarnung heraus. Vor allem schwache Glyphosat-Verkäufe schlugen ins Kontor. Unter dem Strich stand im dritten Quartal ein Minus von 4,6 Mrd. €, das insbesondere auf Abschreibungen auf die Agrarsparte zurückgeht. Die Bayer-Aktien verloren deutlich und notieren so niedrig wie zuletzt vor zwanzig Jahren. An der Kursschwäche wird sich aller Vorsicht nach nicht so schnell etwas ändern.
Im Swiss Leader Index (SLI) bleibt Sandoz ganz vorn und im Aufwärtstrend. Dabei handelt es sich um die ehemalige Generikasparte von Novartis.
Den grössten Sprung im Momentum Screen hat Swiss Re gemacht. Der Rückversicherer lieferte solide Quartalszahlen ab, insbesondere die Bereiche Leben-/Krankenrückversicherungen und Industrieversicherungen liefen gut.
Swiss Re musste jedoch die Rückstellungen aus früheren Jahren für das US-Haftpflichtgeschäft um 2,4 Mrd. $ erhöhen, womit sich die Aufstockungen in den ersten neun Monaten auf 3,1 Mrd. $ summieren. Unter dem Strich steht eine Belastung des Ergebnisses für das dritte Quartal von 2 Mrd. $, weil Swiss Re in anderen Bereichen Rückstellungen auflösen konnte. Die Rückstellungen dürften dafür sorgen, dass die Schaden-Kosten-Quote (Combined Ratio) in der Sparte Schadenrückversicherung im Gesamtjahr schlechter ausfällt als angepeilt.
Am Markt wird die Erhöhung der Rückstellungen jedoch als Zeichen dafür gesehen, dass der neue Konzernchef Andreas Berger einen Schlussstrich unter die Fehler aus der Vergangenheit ziehen will und damit für gute Resultate 2025 vorarbeitet. «Die deutliche Stärkung der Reserven im dritten Quartal schafft eine solide Basis für den Erfolg in den kommenden Jahren», so Berger. Das beflügelte den Aktienkurs.
Im Vergleich zu Wettbewerbern hat Swiss Re angesichts der guten Kapitalausstattung einen Bewertungsabschlag, der nicht zuletzt aus der schlechteren Kursentwicklung in der Vergangenheit resultiert. Das KGV für 2025 liegt bei 10, wie auch bei Allianz, Munich Re und RGA. Hannover Rück ist mit dem Zwölffachen des Gewinns bewertet, Scor aus Frankreich mit dem Sechsfachen des Gewinns.
Wer im Momentum Screen einen Blick auf die US-Aktien wirft, dem fallen Tesla und Goldman Sachs besonders auf. Sowohl der Elektroautobauer als auch die Investmentbank gelten als Profiteure von Trumps künftiger Politik. Tesla-Chef Elon Musk soll für Trump eine staatliche Effizienzkommission leiten und Sparvorschläge machen. Interessenkonflikte sind programmiert. Goldman wäre vielleicht der grösste Gewinner einer Deregulierung.
Fakt ist: Der S&P 500 hat gerade erst mit 6001 Punkten einen neuen Höchststand erreicht, mehr als fünfzig Rekordstände waren es allein in diesem Jahr. Seit 1928 erklomm er insgesamt 1379 neue Höchststände. Das sind 5,5% der Handelstage, hat das Family Office HQ Trust analysiert. Im November kam es 171 Mal zu einem Allzeithoch und damit an rund 8,3% aller Novembertage. Im Mittel legten die Aktienkurse nach Erreichen eines neuen Allzeithochs in den darauffolgenden hundert Handelstagen zu. Das Plus lag dabei in den vergangenen fast hundert Jahren im Schnitt bei 2,6%. Das hören Trendfolger gerne.
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Der Autor hält Aktien von Rheinmetall.