Der Markt straft den weltgrössten Schokoladenproduzenten für seine Neunmonatezahlen ab. Der Optimismus war im Vorfeld offenbar zu hoch.
Vor ziemlich genau drei Monaten überraschte Barry Callebaut mit soliden Halbjahreszahlen. Sie zeigten, dass der weltgrösste Schokoladenproduzent erfolgreich durch die Krise manövriert und trotz hoher Kakaopreise, einer gedämpften Konsumstimmung und eines rückläufigen globalen Schokoladenmarkts wachsen kann.
Die Börse atmete auf, und die Aktien setzten zu einer Erholungsrally an, die ihnen bis gestern ein Plus von 30% bescherten. Auffällig dabei: In den vergangenen knapp zwei Wochen sind die Titel – ausgehend von einem Zwischentief – um 10% gestiegen. Die Vorfreude auf die nächste positive Überraschung bei der heutigen Publikation der Umsatzzahlen war gross.
Neunmonatezahlen im Rahmen der Erwartung
Doch die Überraschung blieb aus. Barry verkündete Zahlen, die mehr oder weniger im Rahmen der Erwartungen lagen. Dass die Volumenentwicklung, die der Markt bei Barry jeweils besonders genau verfolgt, von September bis Mai dieses Jahres um 0,4% zulegte, fiel im Rahmen der Schätzungen aus. Auch dass sich daraus in den letzten drei Monaten ein Volumenrückgang um 0,3% ergibt, dürfte nicht überraschen.
Trotzdem reagierten die Aktien mit einem Verlust von bis zu 10%. Damit löste sich die Mini-Rally der letzten zehn Tage in Luft auf. Es unterstreicht, dass sich die Markterwartungen nicht immer eins zu eins in den offiziellen Analystenschätzungen spiegeln müssen. Die Börse war in den jüngsten Tages etwas zu vorschnell.
Deswegen sieht der heutige Kursrücksetzer auf dem ersten Blick zwar brutal aus. Doch an der grundsätzlichen Ausgangslage hat sich mit dem heutigen Zahlenkranz nichts geändert: Barry Callebaut befindet sich im perfekten Sturm.
Der Konzern kämpft an mehreren Fronten gleichzeitig: Ausser den unberechenbaren Kakaopreisen und der schwächelnden Konsumlaune, die das ¨Geschäft belasten, steckt Barry mitten in einer kostspieligen Restrukturierung, deren Erfolg erst im Laufe der nächsten Quartale abschätzbar wird. Barry selbst gab sich im vergangenen Winter zwei Jahre Zeit für die Umsetzung.
Hoher Kakaopreis belastet weiter
Die steigenden Kakaopreise kann der Konzern dank seinem Cost-Plus-Modell direkt an die Grosskunden weitergeben. Angesichts der schwächelnden Nachfrage schlägt sich der Konzern insofern auch recht wacker, weil sich das Volumen trotz einem leichten Rückgang im dritten Quartal in der Berichtsperiode besser als der Markt entwickelt hat.
Dennoch ist Barry freilich nicht immun gegen einen Nachfragerückgang. Mit ständigen Preiserhöhungen könnten das Unternehmen bei den Abnehmern früher oder später an eine (Schmerz-)Grenze stossen. Andreas von Arx, Analyst beim deutschen Brokerhaus Baader, merkt an, dass der starke Rückgang bei den Volumen in Osteuropa im dritten Quartal (–7%) einen ersten Eindruck der Risiken weiterer globaler Preiserhöhungen geben könnte.
In den nächsten Quartalen gilt es daher genau zu beobachten, wie die grossen Nahrungsmittelhersteller auf weitere Preiserhöhungen reagieren. Barry selbst geht davon aus, dass Kunden wie Nestlé die Preise in den kommenden Monaten noch einmal erhöhen werden. Die höheren Kakaopreise sind also noch nicht gänzlich bei den Konsumenten angekommen. Mit anderen Worten: Das Gröbste steht Barry Callebaut erst noch bevor.
Die zweite entscheidende Frage für die Branche ist, wie die Kakaoernte im Herbst ausfallen wird. Erste Anzeichen darüber wird man gegen Ende des Sommers in den Futures-Preisen ablesen können. Sollte sich hier eine Entspannung zeigen, dürften Schokoladenhersteller wie Barry kollektiv aufatmen. Bis dahin muss der Konzern – und auch die Anlegerinnen und Anleger – weiter auf die Zähne beissen.
Geduld gefragt
Keine Frage, Barry Callebaut hat noch einen langen Weg vor sich, um die Trendwende erfolgreich zu bewältigen. Aus Sicht von The Market stehen die Chancen trotz der heutigen Enttäuschung – beziehungsweise der fehlenden positiven Überraschung – weiterhin gut, dass Barry aus dieser Krise gestärkt hervorgeht und in ein paar Jahren eine noch stärkere Marktdominanz aufweisen wird wie heute. Wie bei jedem Turnaround-Kandidaten brauchen Anlegerinnen und Anleger jedoch Geduld und starke Nerven.