Trump, Macron, Selenski, von der Leyen: Am Samstag kommen sie und viele weitere mächtige Personen im Vatikan zusammen. Ein Schweizer Ex-Botschafter betont die diplomatische Bedeutung solcher Treffen.
Bei der Beisetzung von Johannes Paul II. im Jahr 2005 sorgte eine Begegnung für viel Aufmerksamkeit. Es ging die Meldung um die Welt, der damalige israelische Präsident Moshe Katsav habe mit seinen Erzfeinden Hände geschüttelt – mit dem damaligen iranischen Präsidenten Mohammad Khatami und dem syrischen Diktator Bashar al-Asad. Katsav soll Khatami sogar auf Farsi Frieden gewünscht haben. Es war die erste Begegnung zwischen den Staatschefs der verfeindeten Länder.
Die NZZ beschrieb das Ereignis als «Beerdigungsdiplomatie». Wenige Tage vor der Beisetzung von Papst Franziskus ist der Begriff wieder aktuell. Denn die Beerdigung wird zum grossen Treffpunkt der Weltpolitik: Am Samstag werden im Petersdom Dutzende Staats- und Regierungschefs sowie Religionsführer erwartet.
Der amerikanische Präsident Donald Trump wird mit seiner Frau Melania anreisen, es wird sein erster Besuch in Europa in seiner zweiten Amtszeit. Zudem haben der französische Präsident Emmanuel Macron, der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski und die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen ihre Teilnahme angekündigt. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte ab. Dafür werden Prinz William und König Philippe aus Belgien anreisen. Auch der geschäftsführende deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter werden erwartet.
Vertreter aus 138 Ländern
Die Beisetzung ist somit eine hervorragende Gelegenheit für «Beerdigungsdiplomatie». Denn in Rom werden vor und nach der Beerdigung bilaterale Gespräche stattfinden. Und die Beisetzung selbst ist für die Politprominenz eine gute Gelegenheit, ausserhalb eines institutionellen Rahmens ein paar Worte zu wechseln und Hände zu schütteln. Offenbar plant etwa von der Leyen ein Treffen mit Trump, um über den Zollstreit zu reden.
Thomas Borer, ehemaliger Diplomat und Schweizer Botschafter in Deutschland, weiss, wie solche Anlässe funktionieren. Er sagt: «Die Beisetzung von Papst Franziskus ist das wichtigste nichtinstitutionelle Treffen der Staats- und Regierungschefs der Welt.» Denn der Papst sei eine Person mit äusserst hohem Ansehen gewesen.
Das galt auch für Papst Johannes Paul II. Zu seiner Beisetzung kamen Staats- und Regierungschefs aus 138 Ländern nach Rom. Die Sitzordnung auf dem Petersplatz wurde damals durch das Alphabet festgelegt. Massgebend war der Name des jeweiligen Landes auf Französisch – die Sprache der Diplomatie.
Handschlag mit Potenzial
Das dürfte laut dem ehemaligen Botschafter Borer am Samstag wieder so sein. «Das ist schade für die Schweiz, eine Sitzordnung auf Englisch wäre geeigneter, um mit Trump ins Gespräch zu kommen.» Denn der Anfangsbuchstaben der Schweiz ist näher beim U von USA als beim É von États-Unis.
Laut Borer sind die Treffen vor und nach der Beisetzung am Samstag besonders wichtig. Vorbereitungen dazu würden vermutlich schon laufen. Doch wie wichtig ist der gemeinsame Auftritt im Vatikan?
«Jede Möglichkeit, auch nur kurz in Kontakt zu treten, ist positiv», sagt Borer. Auch wenn wenig Substanzielles dabei herauskommt, kann ein Handschlag, ein kurzes Gespräch, Potenzial haben. Wenn ein Verhältnis angespannt ist, stellt sich im Privaten und noch verstärkt auf politischer Ebene die Frage: Wer macht den ersten Schritt? Borer sagt dazu: «Solche Schritte muss ein Staatschef innenpolitisch rechtfertigen können.» Bei einer Beerdigung sei das einfacher, man begegne sich scheinbar zufällig.
Was mit einem Händeschütteln beginnt, kann sich zu einem kurzen Gespräch entwickeln. Borer vergleicht diese Situation mit einer Beerdigung in der erweiterten Familie. «Man reicht auch dem Cousin die Hand, mit dem man einen Erbstreit austrägt.» An einer Beerdigung gilt es, würdevoll, geordnet aufzutreten, aus Respekt dem Verstorbenen gegenüber. Und wenn dieser Papst Franziskus war, ist der Effekt natürlich noch grösser.
Tuscheln zwischen Trump und Obama
Doch auch in diesem Rahmen spielt der Charakter jedes einzelnen der Regierungsvertreter mit. Manche halten sich auch beim Smalltalk an die Empfehlungen ihrer Berater, andere reden freier. Frei und offenbar gutgelaunt unterhielten sich etwa Barack Obama und Trump bei der Trauerfeier des amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter. Die beiden sassen in der Kirche in Washington nebeneinander, zusammen mit allen noch lebenden Präsidenten. Es war eine Zusammenkunft, die unter anderen Umständen kaum denkbar ist.
Solche Begegnungen sind zumindest für die Stimmung hilfreich, sie können die menschlichen Beziehungen entspannen. Borer sagt: «Nachdem man sich persönlich getroffen hat, kann man nicht mehr so scharf aufeinander schiessen, es gibt mehr Goodwill.»
Ob sich aus der «Beerdigungsdiplomatie» am Samstag etwas entwickelt, ist offen. Eine diplomatische Annäherung zwischen verschiedenen Ländern wäre aber gewiss im Sinne des verstorbenen Papstes. In seiner Osterbotschaft hatte er ein letztes Mal zu Frieden und Dialog zwischen den Mächten aufgerufen.