Ein Lipödem ist eine äusserst schmerzhafte Fettverteilungsstörung, die hauptsächlich Frauen betrifft. Unbehandelt landen manche Patientinnen am Rollator oder im Rollstuhl. Ein Fachmann weiss Rat.
Leserfrage: Sollte man sich wegen eines Lipödems operieren lassen?
Beine, die sich anfühlen wie mit Blei, Wasser oder Beton gefüllt: So beschreiben viele Lipödem-Patientinnen ihre Symptome. Die Erkrankung geht mit einer unkontrollierten Vermehrung von Fettzellen einher, meist sind die Beine betroffen. Dass sie dann dick und dellig aussehen, ist nicht nur ein ästhetisches Problem: «Betroffene quälen sich mit Druckschmerz, der Neigung zu blauen Flecken und schmerzhaften Entzündungen herum», sagt der Hautarzt und Phlebologe Stefan Rapprich von Hautmedizin Bad Soden. Er hat an den deutschen Leitlinien zur Behandlung der Erkrankung mitgearbeitet. Auch die Schweiz orientiert sich an diesen Leitlinien.
Betroffen sind fast ausschliesslich Frauen – die oft lange auf die richtige Diagnose warten müssen. «Viele werden jahrelang mit Empfehlungen für Diäten und Sport abgespeist», sagt der Mediziner. Dass selbst viele Fachleute die Krankheit nicht erkennen oder mit Übergewicht verwechseln, erhöht den Leidensdruck für Betroffene und erklärt, warum die Krankheit oft mit Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Essstörungen einhergeht.
Rapprich rät deshalb allen, die vor allem an den Beinen zunehmen und unter Schmerzen leiden, sich Hilfe zu suchen: «Am besten bei Ärztinnen und Ärzten mit der Zusatzqualifikation Phlebologie, die kennen sich am ehesten damit aus.»
Operation ist die einzig wirksame Behandlung
Bestätigt sich der Verdacht auf ein Lipödem, ist eine Liposuktion, also eine chirurgische Fettabsaugung, die einzig wirksame Behandlung. «Zwar können auch Lymphdrainagen und Kompressionsstrümpfe die Symptome lindern, gegen das Fortschreiten der Erkrankung helfen sie aber nicht», erklärt Rapprich. Und damit ist nicht zu spassen: Patientinnen in fortgeschrittenen Stadien sind mitunter sogar auf einen Rollator oder Rollstuhl angewiesen.
Für die Operation gibt es zwei zugelassene Methoden: Bei der WAL-Methode werden die Fettzellen zunächst mit einem Wasserstrahl gelockert, um die Absaugung zu erleichtern. Bei der PAL-Methode wird das Fett mit stumpfen, vibrierenden Kanülen abgesaugt. Gelingt es bei dem Eingriff, einen Grossteil der erkrankten Fettzellen zu entfernen, lässt sich die Krankheit damit meist gut in den Griff bekommen. Denn mit dem erkrankten Fettgewebe werde, so erklärt es Rapprich, die Ursache der Schmerzen abgesaugt.
Dabei gilt: Je früher operiert wird, desto besser. Mitunter sind auch mehrere Eingriffe nötig. Warum es bei 10 Prozent der operierten Frauen doch wieder zu einer Zunahme von Lipödem-Fettgewebe und damit verbundenen Schmerzen komme, sei bis dato unbekannt, sagt Rapprich. Für den Behandlungserfolg sollten Patientinnen nach dem Eingriff penibel auf ihr Gewicht achten und zunächst mit Lymphdrainage und Kompression fortfahren.
Schmerzen und Lebensqualität bessern sich durch den Eingriff in rund 90 Prozent der Fälle nachhaltig, in Umfragen geben fast alle Frauen an, dass sie sich wieder operieren lassen würden. Trotzdem ist eine Fettabsaugung wie jede andere Operation auch mit Risiken verbunden, etwa durch die Narkose oder eine mögliche Wundinfektion.
«Das grösste Risiko besteht allerdings darin, an den falschen Operateur zu geraten», sagt Rapprich. Liposuktionen gehören zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen überhaupt, es gibt unzählige Angebote aus dem Bereich der plastisch-ästhetischen Chirurgie.
Doch längst nicht alle Anbieter kennen sich mit dem Krankheitsbild Lipödem aus. Das aber ist entscheidend, um den Behandlungserfolg zu sichern. Um Patientinnen die Arztsuche zu erleichtern, hat Rapprich die App «Lipocheck» entwickelt, die sich an Betroffene in Deutschland, Österreich und der Schweiz richtet und zum Beispiel Checklisten für die Arztsuche liefert, aber auch bei der Diagnose und mit leitliniengerechten Behandlungsempfehlungen unterstützt.
Er rät ausserdem dazu, mehrere Meinungen und Offerten einzuholen, denn die Kosten für den Eingriff variieren stark und werden meist nicht von der Krankenkasse übernommen. Wertvoll sei zudem der Austausch mit anderen Patientinnen, die bereits erfolgreich operiert wurden. Und wenn man den richtigen Arzt oder die richtige Ärztin gefunden hat? «Dann bietet die Operation zwar keine Heilung, aber gute Chancen auf ein schmerzfreies Leben – ganz ohne Bleigefühl.»
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