Der drohende Bergsturz im Walliser Lötschental hält die Region weiter in Atem. Was vergangene Woche mit einer Schlammlawine begann, wurde binnen Tagen zum «grössten Naturereignis seit der Besiedlung des Tales», wie es der Talratspräsident der Lötschentals, Christian Rieder, formulierte. Erst schob sich der Berghang nur ein paar Zentimeter pro Tag ins Tal, dann mehrere Meter.
Dass der Berghang sich bisher nicht in einem Rutsch löste, sondern in Teilabbrüchen, war das Glück der Einwohner von Blatten. Es gab ihnen zwar wenig, aber genug Zeit zur Flucht. Am Montag wurde die Gemeinde nahezu komplett evakuiert. Neben 306 Bewohnern wurden auch die Tiere der landwirtschaftlichen Gemeinde in Sicherheit gebracht, darunter fast 200 Schafe.
Sorge wegen einer Stauung des Flusses
Die Einwohner der Gemeinde müssen auch weiterhin in Privatunterkünften bleiben, denn die Gefahr ist noch nicht gebannt. Zwar sind bereits zwei Millionen Kubikmeter Gestein ins Lötschental gestürzt. Doch die Behörden rechnen damit, dass sich am Berg weitere zwei bis vier Millionen Kubikmeter instabiles Material befinden.
Sorgen bereitet den Experten derzeit vor allem der Birchgletscher. Nachdem Felsbrocken auf den Gletscher gestürzt waren, strömte bereits am vergangenen Mittwoch ein Murgang, ein schlammiges Gemisch aus Wasser und Geröll, ins Tal.
Messungen zeigen inzwischen: Auch der Gletscher selbst ist durch das nachdrückende Gestein in Bewegung geraten. Es drohen weitere, deutlich grössere Murgänge. Sollte sich die gefährliche Mischung aus Fels und Schmelzwasser in grossem Umfang lösen, könnte dies nicht nur Teile der Gemeinde verschütten. Es würde im schlimmsten Fall auch die Lonza aufstauen, den Fluss, der durchs Lötschental fliesst. Blatten liegt dabei als höchstgelegene Gemeinde am weitesten flussaufwärts.
In den nächsten Stunden oder Tagen wird nach Angaben der Behörden ein weiterer Teil des Hangs abbrechen. Entscheidend ist, wie diese Felsmasse herunterfällt. An der Pressekonferenz am Mittwoch hiess es, es sei möglich, dass der Teil in einem Schub nach unten auf den Gletscher falle.
Die Gefahr wäre dann, dass Felsteile den Gletscher weiter nach vorne drücken, sich mit dem Eis vermischen und ins Tal rutschen. Im besten Fall aber stürzen die verbleibenden Massen weiterhin als Teilstücke herunter – und mögliche Murgänge kommen, wie der vorherige, einige hundert Meter oberhalb des Dorfes zum Stillstand.
Mitarbeit: Renato Schatz, Jessica Eberhart