Silvio Berlusconis älteste Tochter Marina grenzt sich in einem Interview von Giorgia Meloni ab. Hat sie etwa doch politische Ambitionen? Nein, sagt sie. Doch ihr Einfluss ist beträchtlich.
Ein gutes Jahr nach seinem Tod ist Silvio Berlusconi immer noch ein Faktor in Italiens Politik. Im vergangenen Europawahlkampf zierte sein Konterfei die Plakate von Forza Italia (FI), und noch immer figuriert sein Nachname im Logo der Partei. Seine Nachfolger, unter ihnen der gegenwärtige Partei- und Vizeregierungschef Antonio Tajani, zehren nach wie vor von der Anziehungskraft des früheren Ministerpräsidenten und Unternehmers.
Sie sind gut damit gefahren. «Man hielt uns für tot, aber wir leben und sind gesund», kommentierte Tajani das gute Abschneiden von Forza Italia bei den Wahlen ins Europaparlament. Mit über 9 Prozent Wähleranteil überholte die Partei die Lega von Matteo Salvini. Läge da sogar noch mehr drin?, fragt man sich nun in Rom. Und wenn ja: In welche Richtung müsste sich die Partei bewegen?
Eine interessante Antwort ist dieser Tage von Marina Berlusconi gekommen. Die älteste Tochter ist Präsidentin der Verlagsgruppe Mondadori sowie der Fininvest, jener Holdinggesellschaft, über welche die Nachkommen die wichtigsten Familienunternehmen kontrollieren. In einem Interview mit dem «Corriere della Sera» sagte sie, dass sie in einigen Punkten andere Akzente setze als die Regierung von Giorgia Meloni, zu der sie im Übrigen über einen ausgezeichneten Draht verfügen soll.
Wenn es um die persönlichen Rechte gehe, fühle sie sich eher der «vernünftigen Linken» verbunden – etwa dann, «wenn wir über Abtreibung, das Ende des Lebens oder LGBTQ-Rechte sprechen». Zentral sei die individuelle Freiheit.
Die politischen Entwicklungen in Europa erfüllen Marina Berlusconi mit Sorge. Der Vormarsch antidemokratischer Kräfte sei alarmierend. Der Westen befinde sich in einer Identitätskrise, und in Europa mache sich gleichzeitig Wut breit über den zunehmenden Dirigismus, die Bürokratisierung und Reglementierung. Die Antwort auf diese Entwicklungen könne allerdings nicht der Rückzug in die Isolation sein. «Im Gegenteil, wir brauchen ein stärkeres und geschlosseneres Europa, das in der Lage ist, den Menschen die Vorteile einer echten Einheit zu zeigen.»
Kurzum: Marina Berlusconi wünscht sich eine europäischere Forza Italia und eine Partei, die sich stärker für die persönlichen Rechte und die Freiheit der Einzelnen einsetzt. Ob sie damit auch gleich ihre Ambitionen angemeldet hat für einen Einstieg in die Politik? «Nein, nicht heute und nicht in der Zukunft», stellte sie auf eine entsprechende Frage des «Corriere» klar.
Silvio Berlusconi ist jetzt ein Verlagshaus
Trotzdem sind ihre Äusserungen nicht ohne Belang. Nach wie vor hängt die Forza Italia am finanziellen Tropf der Familie. Mit fast 100 Millionen Euro steht die Partei in der Kreide der Berlusconis.
Wenn sich die Familie politisch positioniert, kann dies die Parteileitung also nicht unberührt lassen. Bereits haben FI-Schwergewichte angekündigt, Vorstösse im Sinn von Marina Berlusconi einzureichen, etwa im Bereich der Sterbehilfe oder der gleichgeschlechtlichen Ehe. Für Giorgia Meloni, die in diesen Fragen eine konservative Linie fährt, könnte das Ärger bedeuten.
Gleichzeitig stellt sich eine gewisse Verwunderung ein, wenn man Marina Berlusconi das Loblied auf ihren Vater anstimmen hört und liest, wie dieser ein Kämpfer für Europa und die Freiheit gewesen sein soll. Seine legendäre Männerfreundschaft mit Wladimir Putin etwa zeigt eher in eine andere Richtung. Marina weist entsprechende Vorwürfe zurück, räumt aber gleichzeitig ein, dass sie mit ihrem Vater nicht immer einer Meinung gewesen sei. Er habe sie aber stets dazu ermuntert, auszusprechen, was sie denke, sagte sie in dem Interview. «Ist das nicht eine ganz schöne Lektion in Sachen Freiheit?»
Die Familie ist sichtlich bemüht, das Image des Ex-Cavaliere post mortem zu polieren. Jüngstes Beispiel: die Gründung eines Verlagshauses mit dem Namen «Silvio Berlusconi Editore». Dieses – es ist Teil der Verlagsgruppe Mondadori – will künftig Autoren zum Thema Freiheit zu Wort kommen lassen. Als erster geht ein anderer enger Freund von Silvio Berlusconi an den Start: Tony Blair, der frühere britische Premierminister. Sein Buch «On Leadership» kommt im September in den italienischen Handel. Auf ihn folgt Voltaire, «Philosophische Briefe».









