Der frühere Skirennfahrer spricht über eine Leidenschaft, die nie vergeht, über seine Geschwister – und die Angst vor dem Älterwerden.
Wie würden Sie sich jemandem vorstellen, der Sie nicht kennt?
Ich würde sagen: Grüezi, ich bin der Bernhard Russi. Ich bin ein Bergler aus Andermatt und gelernter Hochbauzeichner. Das ist das Wichtigste, was man über mich wissen muss.
Sie sagen nicht, dass Sie ein berühmter Skirennfahrer und Olympiasieger waren?
Der Olympiasieg 1972 war für mich wie zehn Lottosechser auf einmal, er bedeutet mir unheimlich viel. Aber dieser Erfolg war nur ein kurzer Ausreisser in meinem Leben. Andermatt und die Berge haben mich viel stärker geprägt, hier wurde ich geboren, ich wollte nie von hier weg. Im Dorf bin ich nicht der ehemalige Skirennfahrer, sondern der Kumpel aus der Schule. Bei mir daheim hängt auch keine Medaille, es steht nirgends ein Pokal, kein Diplom, nichts. Früher waren die Sachen bei meiner Mutter, heute sind sie im Talmuseum.
Menschen aus den Bergen sagen oft, die Natur habe sie geprägt. Was bedeutet das eigentlich?
In Andermatt lebt man in einem Tal, rundherum sieht man Berge. Ich nehme sie einerseits als Schutz wahr. Andererseits geht von ihnen auch Gefahr aus. Da fallen Steine herunter, es gibt Überschwemmungen und Lawinen. Wenn man hier wohnt, muss man lernen, mit diesen Risiken umzugehen, es stellt sich automatisch Ehrfurcht vor der Natur ein. Und dann ist da ihre Schönheit, jeder Berg hat eine andere Form, einen anderen Charakter. Der Berg, der am meisten in meinem Herzen ist, ist der Galenstock am Furkapass, er ist über 3500 Meter hoch. Schon als kleiner Bub wollte ich da hinaufklettern, und mit 10 Jahren stand ich tatsächlich oben. So hat das Bergsteigen für mich begonnen. Als Bergler kann ich bis heute nicht an einem Berg vorbeigehen, ohne daran zu denken, auf dem Gipfel zu stehen.
Warum?
Als ich früher im Starthaus der Lauberhornabfahrt in Wengen stand, habe ich immer zur Eigernordwand hinübergeschaut und gedacht: Was ich hier mache, mich auf den Ski den Berg runterzustürzen, ist schon schwierig. Aber was die Bergsteiger dort drüben machen, ist unglaublich. Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, in dieser Wand zu sein. Normalerweise sieht man einen Berg immer von unten. Ich möchte aber wissen, wie er von oben aussieht. Dieser Perspektivenwechsel fasziniert mich immer noch.
Wenn Sie heute auf einem Berg stehen und hinunterschauen, was denken Sie?
Wenn ich oben bin, ist der erste Gedanke: Konzentrier dich! Es ist noch nicht fertig, ich muss auch wieder runter. Erst dann kann ich es geniessen. Ich taste mich langsam zum Grat vor, Meter für Meter, bis ich mich daran gewöhnt habe, dass es rechts und links steil runtergeht und ich am Rand des Gipfels stehe. Dann ins Tal hinunterzuschauen ist ein erhabenes Gefühl. Beim Freeclimbing, beim freien Klettern am Felsen, habe ich dieses Gefühl auch, ich liebe diese Art des Kletterns.
Sie waren Abfahrer, sind Rally gefahren und waren sogar einmal Stuntman. Spielen das Adrenalin und der Wettbewerb immer noch eine Rolle in Ihrem Leben?
Ich glaube, ich habe die Startnummer immer noch nicht richtig abgelegt. Ich sage mir immer: Ich darf nicht aufhören, meine Grenzen zu suchen.
Sie sind 76.
Es kommt vor, dass Kollegen zu mir sagen: Komm, morgen machen wir eine Velotour, Furka, Nufenen, Gotthard, drei Pässe, 100 Kilometer, 3000 Meter hoch, 3000 runter, sechs Stunden. Wenn ich antworte, tut mir leid, ich bin 76, das mache ich nicht mehr, habe ich verloren. Also sage ich: Okay, ich komme mit, mal schauen, wie weit es reicht. Wenn es nicht geht, muss ich eine Lösung finden, jemanden anrufen oder mit dem Zug nach Hause fahren.
Ist das schon passiert?
Nein, aber der Tag wird kommen.
Wieso brauchen Sie die Herausforderung?
Es tut mir einfach gut. Manchmal gehe ich allein Velo fahren, nur schnell auf den Oberalppass. Nach zwanzig Metern schaue ich das erste Mal auf die Uhr, und wenn ich oben bin, schaue ich wieder, wie schnell ich war. Weil ich weiss, dass die Uhr läuft, schalte ich auch nicht sofort in einen niedrigeren Gang, wenn mir die Beine wehtun. Ich versuche, die Pedale durchzudrücken, solange es geht.
Hadern Sie, wenn Sie merken, dass Sie es nicht schaffen?
Nein, ich bin nicht so streng mit mir, eher demütig. Ich weiss, dass es einen biologischen Prozess gibt, das ist normal. Aber deswegen muss ich nicht aufhören, mich herauszufordern. Wenn ich heute 30 Liegestütze schaffe, muss ich damit rechnen, dass es morgen nur noch 28 sind. Aber ich probiere trotzdem, 30 hinzukriegen. Wenn es nicht geht, weiss ich: Okay, jetzt liegt die Grenze halt ein bisschen tiefer. Aber wenn ich heute Sport mache, geht es noch um etwas anderes.
Worum?
Als Skirennfahrer wusste ich immer genau, ob ich etwas gut gemacht habe oder nicht. Ich musste nicht warten, ob die Zuschauer applaudieren. Nach der Karriere fehlt das. Du fängst an zu arbeiten, bist fleissig, gehst am Morgen um 8 Uhr in die Bude oder ins Büro und um 17 Uhr wieder nach Hause. Vielleicht klopft dir jemand auf die Schultern und sagt, du habest einen super Job gemacht. Aber du selbst hast keine Ahnung, ob das wirklich stimmt. Dir fehlt der Massstab, um es zu beurteilen. Das ist das grosse Problem eines ehemaligen Spitzensportlers. Gleich nach meiner Karriere habe ich angefangen, Golf zu spielen. Ich kann auf der Driving Range 1000 Bälle schlagen, jeder Schlag gibt mir sofort ein Feedback: Du bist gut, du bist nicht gut. Du kannst es, du kannst es nicht. Dieses Feedback tut gut.
Sie waren auch nach Ihrer Karriere erfolgreich. Sie waren Pistenbauer, Kolumnist, Co-Kommentator am Fernsehen und Werbefigur. Seit 50 Jahren stehen Sie in der Öffentlichkeit und gelten als einer der beliebtesten Schweizer.
Ich glaube nicht, dass mich alle gernhaben.
Wer nicht?
Ich nehme an, dass es Leute gibt, die vielleicht sagen: Gopfertori, dieser Russi hat ein so erfolgreiches Leben, dem gelingt immer alles: Wieso scheisst der Teufel eigentlich immer auf den gleichen Haufen? Sogar bei Roger Federer ist es ja so. Die Leute finden immer etwas Kleines, das nicht ganz stimmt. Sie sagen: Ja, der ist schon gut, aber… Dieses «Ja, aber» ist typisch schweizerisches Denken.
Sie waren immer der Sonnyboy.
Mein Image bekam ich sehr schnell: ein gut erzogener, junger, unverdorbener Schweizer, der in den 1970er Jahren von null auf hundert durchgestartet ist, eher zurückgezogen und leise. In der Schule passte ich gut auf, ich konnte ein paar Brocken Französisch und Italienisch und nahm noch etwas Englisch mit. In den Medien hiess es, ich würde alle Sprachen sprechen, dabei stimmte das gar nicht, ich konnte mich einfach ein bisschen verständigen. Irgendwann merkte ich: Aha, das ist jetzt also mein Image. Und wenn dich dein Image nicht stört und es dir sogar gefällt, dann kannst du ja noch ein bisschen netter und noch etwas lieber sein.
Haben Sie das gemacht?
Ich glaube schon. Mein grosser Schweizer Rivale in dieser Zeit war Roland Collombin. Es hiess, er sei ganz anders als ich, viel wilder. Dabei waren wir wahrscheinlich gar nicht so verschieden. Aber wenn wir vor einem Rennen in Kitzbühel Lust auf ein Bier hatten, damit wir besser schlafen konnten, trank ich es an der Hotelbar, und Roland ging in einen Club. So haben wir beide an unserem Image geschraubt. Am nächsten Tag hiess es, der Collombin sei wieder einmal in einem Club gewesen. Und der Russi? Der natürlich nicht. Dabei waren wir vermutlich beide zur gleichen Zeit im Bett.
Haben Sie später auch mit Ihrem Image gespielt, als Sie Werbung machten?
Kennen Sie die Geschichte, wie ich Werbeträger für die Automarke Subaru wurde?
Nein.
Der Schweizer Autoimporteur Walter Frey hatte Probleme mit British Leyland, dazu gehörten die Marken Jaguar, Rover oder Austin. Die elektrischen Scheiben der Autos gingen zwar runter, aber nicht mehr rauf. Sie konnten das Problem dann zwar lösen, brauchten aber eine Imagekampagne, damit die Leute wirklich glaubten, dass jetzt alles funktioniert. Ich sollte für Jaguar Werbung machen. 1979 ging ich zu Walter Frey ins Büro.
Das war ein Jahr nach Ihrem Rücktritt als Skirennfahrer.
Walter Frey sagte zu mir: Schau, hier ist der Vertrag. Aber bevor du unterschreibst, muss ich dir etwas zeigen. Wir gingen in die Garage, dort stand unter einem Leintuch ein Subaru. Walter setzte sich ans Steuer, wir fuhren in einen nahen Wald und rasten mitten durch die Bäume. Dort demonstrierte er mir den 4×4-Antrieb und meinte, das sei toll für die Berge und im Schnee. Da sagte ich ihm: Walter, das ist genau, was ich brauche, das Auto passt zu mir. Wir gingen zurück ins Büro, er hat den bereitliegenden Vertrag genommen, das Wort Jaguar mit einem Lineal durchgestrichen und von Hand Subaru reingeschrieben. Diesen Vertrag habe ich unterschrieben. Er wurde später immer wieder verlängert. Ich hätte einmal sogar den Betrag selber bestimmen können, den ich bekomme. Aber ich sagte mir: Nein, das machst du nicht, sei bloss nicht gierig.
Sie sind heute noch Botschafter für Subaru.
Vor zehn Jahren habe ich Walter Frey am Autosalon in Genf getroffen. Er fragte: Müssen wir über den Vertrag reden? Ich sagte, nein, für mich ist alles in Ordnung. Da meinte er: Weisst du was, wir reden überhaupt nie mehr über den Vertrag. Er gilt lebenslang.
Wie haben die Leute auf Ihre Werbeauftritte reagiert?
In der Schweiz muss man vorsichtig sein, dass man nicht zu viel Werbung macht. Darauf habe ich geachtet und mich nur auf zwei, drei Partner konzentriert. Sonst wird es gefährlich, und die Leute sagen: Gopfriedli, jetzt macht er das auch noch.
Wie lange kann man Werbung machen, bis die Leute genug von einem haben?
Das Produkt muss authentisch sein, und was man sagt, glaubwürdig. Dann kann man es lebenslang machen.
Haben Sie einmal daran gedacht, sich in der Politik zu engagieren?
Es gab immer wieder Anfragen. Nicht von Parteien, aber für Initiativen. In den 1990er Jahren habe ich einmal zugesagt. Die Initiative hiess «Jugend ohne Drogen», und ich sagte: Selbstverständlich, Drogen sind nicht gut, da mache ich mit. Ich habe viel Lehrgeld bezahlt damals.
Inwiefern?
Ich hatte keine Chance beim Argumentieren. Ich sagte einfach: Die Jugend darf doch keine Drogen konsumieren. Aber was das bedeutet, wusste ich nicht. Ich war einfach nicht kompetent. Ob du Komiker bist, Theaterspieler, Sänger, ehemaliger Weitspringer oder Hochspringer: Es ist schwierig, sich auf politisches Terrain zu begeben. Nur weil einer schnell den Berg runterfahren kann, heisst nicht, dass er etwas von Politik versteht. Aber er kann die Leute beeinflussen, und das ist heikel.
Trotzdem unterstützen Sie heute die sogenannte Kompass-Initiative, Sie sind sogar im Initiativkomitee. Die Initiative fordert, die Eigenständigkeit der Schweiz zu bewahren.
Ich sage nicht Ja oder Nein zu einem Abkommen mit der EU. Mir geht es darum, dass die Sache vors Volk kommt, damit die Leute abstimmen können. Dafür engagiere ich mich, dazu stehe ich zu hundert Prozent. Ich weiss schon, dass es Leute gibt, die meinen, der Russi sei gegen einen Rahmenvertrag mit der EU. Aber so ist es nicht. Die Meinung dazu habe ich mir gar noch nicht gebildet.
Vor ein paar Jahren zeigten Sie sich in einem Dokumentarfilm von einer ganz anderen Seite. Sie sprachen über Ihre Schwester, die seit ihrem dritten Lebensjahr behindert ist, über Ihren alkoholkranken Bruder, und wie Ihre Ex-Frau in einer Lawine ums Leben kam. Warum haben Sie das gemacht?
Weil der Filmemacher Michael Bühler nicht lockergelassen hat. Ich wollte zuerst nicht mitmachen. Ich dachte, das werde ein Film, in dem man mich wieder die Piste runterfahren und bei Siegerehrungen sieht. Das wollte ich nicht noch einmal zur Schau tragen. Michael Bühler ging es um etwas anderes. Am Anfang des Films sage ich: Man sagt von mir, ich sei ein Sonnyboy, aber es gibt noch andere Sachen in meinem Leben.
Waren Ihre Geschwister mit dem Film einverstanden?
Ich habe meinen Bruder gefragt, ob es für ihn in Ordnung sei, wenn er in dem Film vorkomme. Er antwortete: Natürlich, ich bin dein Bruder, klar möchte ich dabei sein. Und ich fragte im Heim meiner Schwester, was die Leute dort von der Idee hielten. Sie sagten mir, meine Schwester gehöre zu meinem Leben, ich dürfe das nicht ausblenden.
War es eine gute Idee, sich so zu öffnen?
Ich bin gottenfroh, habe ich es gemacht. Das Echo war enorm. Ich bekam stapelweise Briefe, nicht nur Dreizeiler, sondern vier, fünf A4-Seiten. Ich habe jeden Brief gelesen, und auf jeden geantwortet. Ich glaube, ich habe den Leuten mit nichts anderem so viel geschenkt wie mit diesem Film. Das Beste geschah danach.
Was?
Als der Film herauskam, war mein Bruder auf dem Tiefpunkt. Dann sah er sich in dem Film und beschloss von einem Tag auf den anderen, nichts mehr zu trinken. Er trinkt bis heute nicht. Das ist für mich das Grösste. Ich konnte sehen, wie er sich in den früheren Menschen zurückverwandelt hat. Vorher konnte man mit ihm nicht mehr diskutieren. Dann ist es mit jedem Jahr besser geworden. Heute können wir zusammen am Tisch sitzen und gute Gespräche führen.
Was haben Sie von Ihren Geschwistern über das Leben gelernt?
Dass man nicht alles unter Kontrolle haben kann. Es ist nicht alles Zufall im Leben, aber ich bin Fatalist. Als Abfahrer muss man das vermutlich sein, sonst geht es nicht. Du kannst nicht am Start stehen und sagen, es wird schon gutgehen. Nein, du musst sagen: Wenn etwas passiert, dann hast du Pech gehabt. Ich hatte in meiner Karriere nicht viele Stürze, aber wenn es passierte, waren sie immer schlimm. Als ich 1969 Stuntman für einen James-Bond-Film war und stürzte, fehlte nicht viel, und ich wäre gelähmt gewesen.
Wie viele Tage im Jahr fahren Sie noch Ski?
An etwa 50. Dazu zählen auch Langlauftage und Tourenskifahrten. Allein durch unberührten Schnee zu fahren ist für mich das höchste der Gefühle.
Wie denken Sie über die Technologisierung der Berge, die Kunstschneeproduktion, die grossen Liftanlagen?
Ich kann vor allem für Andermatt sprechen. Ich finde es supergut, was hier läuft. Es gibt Menschen, die hier im Tal leben wollen. Aber vor 20 Jahren bestand die Gefahr der Entvölkerung. Das Dorf schrumpfte und schrumpfte, und man fragte sich, was man dagegen tun könne. Die Antwort war der Tourismus. Wenn Samih Sawiris nicht bei uns investiert hätte, gäbe es Andermatt, so wie wir es heute kennen, nicht. Ich bin ein Befürworter des Naturschutzes, aber gleichzeitig halte ich es für absolut berechtigt, dass die schöne Natur für die Menschen zugänglich sein darf.
Die Frage ist, wie man das macht.
Es ist ein Spagat, und es braucht Kompromisse. Wie viele Sesselliftmasten dürfen in der Landschaft stehen, bis man findet, die Natur sei kaputt? Wenn man sie auf beschränktem Raum aufstellt, bin ich der Meinung, dass man das aushalten muss. Gleichzeitig bin ich dagegen, dass man beliebig viele Gebiete erschliesst. Und über Kunstschneeproduktion könnten wir tagelang diskutieren. Man macht eigentlich nichts anderes, als Wasser zu binden. Die Energie ist ein anderer Punkt. Aber da sind wir dabei, Lösungen zu finden.
Gibt es im modernen Wintertourismus überhaupt noch ein Naturerlebnis? Stellt man den Skifahrern nicht immer mehr ein Disneyland zur Verfügung?
Wenn ich mit Gästen auf den Gemsstock gehe, fahren wir nicht sofort die Piste runter. Wir schauen uns zuerst einmal um. Ich sage immer: Nein, jetzt machen wir kein Gruppenfoto, jetzt atmen wir erst einmal durch und reden auch nicht. Dann spürt man die kalte Luft, und wenn jemand Talent hat, kann er auch den Schnee riechen, Schnee hat auch einen Geschmack, und man hört ihn unter den Schuhen knistern. Wenn man das erlebt, ist man ganz nahe an der Natur. Für Andermatt habe ich ein gutes Gewissen.
Andermatt war 2022 das erste Skigebiet in der Schweiz, das Amerikaner gekauft haben. Sie sind im Verwaltungsrat der Andermatt-Sedrun Sport AG, deren Mehrheit die Vail Resorts besitzen. Glauben die Amerikaner stärker an den Skitourismus als die Schweizer?
Wenn Leute zu mir kommen und fragen, warum wir Amerikaner brauchen, frage ich zurück: Warum habt ihr nicht investiert? Ihr hättet ja Aktien kaufen und den Deal verhindern können. Und wärt ihr bereit gewesen, die Investitionen ins Skigebiet zu tätigen, die nötig waren? In der Schweiz gibt es immer noch viele Leute, die an den Wintertourismus glauben, aber nicht alle haben die Kriegskasse dafür. Vail schon. Manchmal empfinde ich die Stimmung bei uns als zu negativ. Erstens gibt es keinen Winter mehr, zweitens keinen Schnee, und drittens ist Skifahren so teuer, dass es sich sowieso niemand mehr leisten kann.
Ist Skifahren für Sie noch ein Volkssport?
Hundertprozentig.
Woraus schliessen Sie das?
Das zeigt sich zum Beispiel daran, wie viele mit Marco Odermatt mitfiebern. Bei einigen Skirennen sitzen immer noch eine Million Zuschauer vor dem Fernseher, obwohl das Fernsehen heute viel weniger wichtig ist als vor zwanzig Jahren. Und ich erlebe ja die Gäste, die an sonnigen Wintertagen nach Andermatt kommen. Für sie gibt es nichts Schöneres, als oben auf dem Berg zu sein und später im Hotel am Cheminée etwas zu trinken.
Aber das können sich nicht alle leisten.
Es stimmt, es sind stolze Preise, die eine Familie für Skiferien aufbringen muss. Aber es gibt nur sehr wenige Leute, die heute noch den vollen Preis für eine Tageskarte zahlen. Wer sich mit den Vergünstigungen auseinandersetzt, merkt, dass es Möglichkeiten gibt: Saisonabonnements, Wochenkarten, Halbtaxmodelle, dynamische Preise. Dann wird es schnell viel günstiger. Mein Argument ist sowieso: Wer macht den Preis für eine Tageskarte? Der Kunde. Wenn wir in Andermatt sagen, nächstes Jahr schlagen wir um 50 oder 100 Prozent auf, kommt einfach niemand mehr.
Wie viele Paar Ski stehen bei Ihnen im Keller?
Etwa 30. Ich habe eine grosse Familie, eine Frau, einen Sohn, eine Tochter, einen Schwiegersohn, vier Enkel.
Und wie viele Paar Ski gehören Ihnen?
Acht. Touren-, Freeride- und Pistenski. Aber die sind nicht alle neu, sondern ein-, zweijährig.
Wer ist der beste Skifahrer, den Sie je gesehen haben?
Jean-Claude Killy, Franzose, dreifacher Olympiasieger in Grenoble 1968, er hat in allen Disziplinen gewonnen. Er hatte eine kurze, prägnante Karriere und ist mit 24 zurückgetreten. Er ist der Typ Spitzensportler, den ich gernhabe, unheimlich gut, aber ein Spitzbub. Ein Spielertyp, ein Partygänger.
Wer ist heute Ihr Lieblingsfahrer?
Marco Odermatt.
Welches ist das schönste Skilied, das Sie kennen?
«Ein Winter ist kein Winter ohne Schnee». Das passt in die Zeit des Klimawandels. Dieses Lied habe ich 1978 in der Fernsehsendung «Zum doppelten Engel» im weissen Smoking mit einem grossen Schmunzeln gesungen.
Hören Sie manchmal Musik zum Skifahren?
Nein, das gehört sich nicht. Ich möchte mich nicht aus der Welt abschotten. Wie man sich beim Joggen im Wald Musikstöpsel in die Ohren stecken kann, verstehe ich auch nicht.
Das beste Getränk beim Skifahren?
Ich gehe früh auf die Piste. Zuerst trinke ich einen Cappuccino. Nach einem schönen Morgen esse ich gemütlich zu Mittag und nehme einen Schluck Rotwein dazu.
Das lustigste Erlebnis, das Sie je auf einem Skilift hatten?
Ich war mit Adolf Ogi auf dem Sessellift zum Lauberhorn hinauf, neben ihm sass ein Asiate. Dölf hat ihm erklärt, wer er sei. Er sei der Bundespräsident der Schweiz, sagte er, so etwas wie der amerikanische Präsident. I am the same, I am the same, wiederholte Ogi immer wieder. Ein wunderbares Theater.