Eine Studentin beantragt finanzielle Unterstützung, da sie nach einer Gaza-Demo eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs kassiert hatte. Und kommt durch damit.
Am 7. Mai 2024 versammelten sich etwas mehr als 100 Personen im Hauptgebäude der ETH Zürich, um mit einem Sitzstreik gegen den Gaza-Krieg und gegen Israel zu demonstrieren. «No tech for genocide!», skandierte die Menge. Und: «Israel bombardiert, ETH finanziert!» Offiziell richtete sich der Protest der jungen Menschen auf dem Boden der Eingangshalle gegen Kooperationen der Hochschule mit israelischen Universitäten, die dem Militär des jüdischen Staates nahestehen sollen.
Palästina-Fahnen wurden gehisst, ein Palästinensertuch wurde ausgebreitet, einige Teilnehmer waren vermummt. Neben üblichen Schlachtrufen der Linken («Hoch! Die! Internationale Solidarität!») wurden auch Slogans geschrien, die Israel das Existenzrecht absprechen. «Global Intifada!», hallte es durch den Raum.
Die ETH Zürich wollte sich das nicht bieten lassen. Nach einer knappen Stunde teilte die Hochschule den Anwesenden mit, dass man ihre Kundgebung nicht tolerieren werde. Die ETH sei ein Ort der freien Meinungsäusserung. «Unbewilligte Aktionen werden aber nicht akzeptiert», hiess es damals in einem Statement.
Die Hochschule alarmierte die Polizei, die ausgerückten Sicherheitskräfte stellten den Besetzern ein Ultimatum: Noch fünf Minuten, dann werde man die verbliebenen Demonstranten nach draussen führen. Sie hätten mit einer Anzeige wegen der Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung und wegen Hausfriedensbruchs zu rechnen.
Mehreren Dutzend Personen war das egal. Sie blieben sitzen und wurden wenig später abgeführt. Einige leisteten passiven Widerstand und mussten von den Polizisten weggetragen werden. Der Verband der Studierenden an der ETH (VSETH) verurteilte die Aktion. An der Kundgebung seien rote Linien überschritten worden, sagte die damalige VSETH-Präsidentin gegenüber der NZZ.
Finanziert von der Studentenschaft
Im Verband der Studierenden der benachbarten Universität Zürich (VSUZH) sieht man das offenbar anders. Wie die «Zürcher Studierendenzeitung» in ihrer April-Ausgabe schreibt, hat das Parlament des Studierendenverbands vor kurzem entschieden, die Prozesskosten jener Studentinnen und Studenten der Universität zu übernehmen, die bis zum Schluss an der Kundgebung beteiligt waren und dafür eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs kassiert hatten.
Nach Angaben von Sébastian Margot, dem Co-Präsidenten des Studierendenverbands, betrifft dies neun Studierende der Universität. Sie sollen nun für ihre bisherigen Verfahrenskosten 7200 Franken aus der VSUZH-Kasse erhalten.
Fünf der neun Studenten haben gegen die Anzeige der ETH Rekurs eingelegt. Für diese zusätzlichen Verfahrenskosten erhalten sie je 1000 Franken. Macht zusammen 12 200 Franken. Das Geld soll laut Margot einem Fonds entnommen werden, den der Verband eigens für Rechtsfragen angelegt hat. Die Mittel dazu freilich stammen aus der Studentenschaft: Studierende der Universität können jedes Semester entscheiden, ob sie den VSUZH mit 14 Franken finanzieren wollen.
Kurz: Der Verband hat Geld, das ihm Studenten anvertraut haben. Und was macht er damit? Die Antwort lautet: Er führt es sich selber zu.
Den Antrag auf finanzielle Unterstützung eingereicht hatte eine der fünf Studierenden, die die Anzeige der ETH wegen Hausfriedensbruchs weitergezogen haben. Die junge Frau gehört der linksgerichteten Gruppierung kritische Politik (kriPo) im VSUZH-Rat an. Bis Ende 2024 war sie Co-Präsidentin des VSUZH. Ihr Antrag datiert vom vergangenen November. Damals war sie als Co-Präsidentin des Verbandes bei Geschäften des Parlaments nicht stimmberechtigt. Im März 2025 hingegen, als der Rat darüber abstimmte, zählte ihre Stimme.
Recht auf freie Meinungsäusserung in Gefahr?
Gegenüber der NZZ stellt sich die Studentin auf den Standpunkt, dass es in dieser Angelegenheit nicht um sie oder die vier weiteren Demonstranten der Universität Zürich gehe. Zur Debatte stehe vielmehr das Recht auf freie Meinungsäusserung. Damit hätten sich Hochschulen kritisch auseinanderzusetzen. Diese Frage sei wichtiger als das Argument, dass der harte Kern der Kundgebung im ETH-Hauptgebäude Hausfriedensbruch begangen habe.
«Wir haben keine Gänge blockiert und den Hochschulbetrieb somit nicht aufgehalten», sagt die Politologiestudentin zur NZZ. Auch den Einwand, dass die Kundgebung an der ETH und nicht in Räumlichkeiten der Universität Zürich stattgefunden habe, lässt sie nicht gelten: «Die beiden Hochschulen teilen sich Bibliotheken, Lernplätze, das Sportangebot im ASVZ, die Mensen am zentralen Standort im Hochschulquartier.»
Klarer Entscheid
Die Frage der Zuständigkeit wurde im Studentenparlament der Universität Zürich ebenfalls diskutiert, wie Sitzungsprotokolle vom Dezember 2024 und vom März 2025 zeigen. Ein Vertreter des Fachvereins Ökonomie hatte nach Kräften darauf hingewiesen, dass der VSUZH für Aktionen von Uni-Studierenden an anderen Hochschulen nicht zuständig sei. Unterstützung gab es dafür von der Gruppierung der Liberalen Ökologischen Studierenden.
Doch die Mehrheit der Studentenvertreter sah das anders. Der Antrag der Studentin der Gruppierung kriPo wurde deutlich angenommen. Sie konnte sich in der Debatte auf eine schriftliche Erklärung des VSUZH von Mitte Mai 2024 berufen – und hatte offenbar Erfolg damit. Damals hatte es der Studentenverband der Universität für «unerlässlich» befunden, «dass freie Meinungsäusserung im demokratischen Rahmen und die Versammlungsfreiheit auf dem Gelände der Universität geschützt werden».
Wenige Tage vor diesem Statement hatte es auch im Lichthof der Universität eine unbewilligte propalästinensische Kundgebung gegeben. Auch damals waren Polizisten vor Ort. Doch anders als an der ETH zogen die Besetzer ab, bevor das Ultimatum abgelaufen war und die Sicherheitskräfte hätten eingreifen müssen.