Das neue Programm bietet den betroffenen Immigranten Schutz vor Rückschaffung, eine Arbeitserlaubnis und den Zugang zu einer «Green Card». Die Initiative gilt auch als eine Art Ausgleich für die Verschärfung des Asylrechts, die der Präsident vor zwei Wochen einführte.
Am Dienstag hat der amerikanische Präsident Joe Biden eines der folgenschwersten Einwanderungsprogramme des letzten Jahrzehnts verkündet. Es sieht die erleichterte Einbürgerung für papierlose Ehepartner amerikanischer Bürger vor. Bis jetzt konnte eine Person, die illegal in die USA gekommen war, im Prinzip jederzeit ins Herkunftsland zurückgeschafft werden, auch wenn sie mit einem amerikanischen Bürger verheiratet war. Um zu einer Green Card zu kommen – dem Königsweg zu einer Einbürgerung und einer Arbeitsbewilligung – musste die Person für längere Zeit ins Herkunftsland zurückkehren. Das war insbesondere für Mütter und Väter eine oft schwer umsetzbare Bedingung.
Mit der neuen Regelung entfällt diese Erfordernis, und die Person kann in den USA einen entsprechenden Antrag stellen. Das Programm gilt für Amerikanerinnen und Amerikaner, die seit mindestens zehn Jahren in den USA leben und vor dem 17. Juni geheiratet haben. Betroffen sind schätzungsweise 500 000 Personen. Sie können voraussichtlich ab dem Spätsommer ihre Anträge stellen.
Wahltaktisches Manöver
Vor zwei Wochen hatte Biden eine massive Einschränkung des Asylrechts verkündet. Bei grossem Andrang an der südlichen Grenze der USA kann diese vorübergehend geschlossen werden. Personen, die unerlaubt in die USA gelangt sind, können dann nach Mexiko zurückgeschafft werden, ohne die Möglichkeit, Asyl zu beantragen. Die Massnahme gilt jeweils so lange, bis die Zahl wieder gesunken ist. Bidens überraschende Kehrtwende in der Migrationspolitik stand offensichtlich im Zusammenhang mit den anstehenden Wahlen und der verbreiteten Kritik unter Amerikanern an der hohen Zahl illegal Eingereister.
Im linken Flügel der Demokraten wurde starke Kritik an Biden laut, der während seines Wahlkampfs 2020 versprochen hatte, eine «humanere» Einwanderungspolitik als Trump zu verfolgen. Das aktuelle Programm muss nun wohl als wahltaktischer «Ausgleich» betrachtet werden, indem Biden damit die immigrationsfreundliche Fraktion in seiner Partei zufriedenstellen kann, ohne mit allzu viel Gegenwind der «Hardliner» rechnen zu müssen. Denn unter Amerikanern dürfte, laut dem «Wall Street Journal», eine hohe Akzeptanz für die Massnahme existieren.
Nachdem die Biden-Regierung die Bedingungen zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis für Millionen von kürzlich Eingereisten in letzter Zeit gelockert hatte, gab es vermehrt Stimmen, vor allem unter der wichtigen Wählergruppe der Mexikaner, die von einer Benachteiligung derjenigen Migranten sprachen, die schon Jahre in den USA leben, aber immer noch über keinen geregelten Aufenthaltsstatus verfügen. Die neue Regelung ist auch als Entgegenkommen gegenüber diesen alteingesessenen Papierlosen zu sehen.
In Erinnerung an Obamas Daca-Programm
Das neue Programm schliesst auch die etwa 50 000 Kinder von Papierlosen ein, die durch die Heirat zu Stiefkindern von amerikanischen Bürgern wurden. Laut der «New York Times» könnte die Initiative Biden in umkämpften Gliedstaaten wie Nevada, Arizona und Georgia helfen. In jedem dieser Swing-States leben etwa 100 000 Stimmberechtigte in «gemischten» Haushalten, die direkt von dieser Massnahme betroffen sind.
Dass das neue Programm ausgerechnet am 18. Juni verkündet wird, ist kein Zufall. Genau vor zwölf Jahren lancierte der damalige Präsident Obama das sogenannte Daca-Programm. Es gab jungen Migranten (sogenannten «Dreamers»), die als Kinder illegal mit ihren Eltern in die USA gekommen waren, die Möglichkeit, für zwei Jahre vor einer Abschiebung geschützt zu sein und eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Im Rahmen einer Feier im Weissen Haus soll das Jubiläum gefeiert und das Daca-Programm bekräftigt werden, dessen Zukunft unsicher ist.
Die neue Regelung stützt sich auf ein Immigrationsgesetz, das als «Parole in place» bekannt ist. Es erlaubt es der Regierung, den Aufenthaltsstatus von Migranten zu legalisieren, selbst wenn sie illegal eingereist sind. Die Regelung könnte, solcherart juristisch abgestützt, auch nicht ohne weiteres von Trump wieder umgestürzt werden, falls er erneut zum Präsidenten gewählt wird. Ein ähnliche Regelung existiert bereits seit zehn Jahren für Familien von Armeeangehörigen. Sie gilt allerdings nicht für Ausländer, deren Visum abgelaufen ist, oder die zwar mit einem amerikanischen Bürger verheiratet sind, aber im Ausland leben.
Die Republikaner haben das neue Programm bereits als eine Art «Massen-Amnestie» kritisiert.