Der Israel-Pavillon bleibt bis auf weiteres geschlossen. Die Verantwortlichen wollen damit ein Zeichen für den Frieden setzen. Das wird ihnen nun von propalästinensischen Aktivisten als Opportunismus ausgelegt.
Vor dem Länderpavillon Israels in den Giardini der Biennale von Venedig ist kein Durchkommen. Pro-Palästina-Aktivisten haben den Vorplatz vor dem Ausstellungsgebäude neben dem Länderpavillon der USA in Beschlag genommen. Der Platz ist mit roten Flugblättern zugedeckt. Die Hetzschriften beschuldigen Israel des Völkermords. Derweil skandieren die in Palästina-Flaggen und Arafat-Tücher gehüllten Aktivisten laut, was man an solchen Demonstrationen mittlerweile in allen europäischen Städten hören kann: «From the River to the Sea» ist ein Slogan, der Israel das Existenzrecht abspricht.
Drei Soldaten bewachen die Türen zum Pavillon. Diese bleiben geschlossen. Allerdings nicht als Folge des Protests der antisemitischen Aktivisten von der Organisation Art Not Genocide Alliance. Vielmehr sind es die Verantwortlichen des Pavillons selber, die eine Öffnung vorläufig ausschliessen, wie sie in einer an der Tür festgemachten Verlautbarung mitteilen: «Die Künstlerin und die Kuratoren des israelischen Pavillons werden die Ausstellung eröffnen, sobald eine Vereinbarung über einen Waffenstillstand und die Freilassung von Geiseln erzielt wird.»
Ein Zeichen setzen
Wer allerdings hoffte, dass mit diesem Beschluss den Anti-Israel-Hetzern der Wind aus den Segeln genommen würde, hat sich getäuscht. Dabei sagte die israelische Künstlerin Ruth Patir, die den israelischen Pavillon für die 60. Kunstbiennale in Venedig gestaltet hat, gegenüber der «New York Times», sie sei überhaupt nicht glücklich über ihren Entscheid, halte die Schliessung jedoch für wichtig. Die Biennale sei zwar eine grosse Chance für eine junge Künstlerin wie sie, die Situation in Gaza sei jedoch «so viel grösser als ich», und die Schliessung des Pavillons sei ihr einziges Mittel zu einem Engagement für einen Waffenstillstand.
Es ist ein kleiner Trost, dass die Aktion der Künstlerin dennoch eine gewisse internationale Aufmerksamkeit sichern dürfte, auch wenn man ihre Kunst nicht sehen kann – oder nur durch die Fenster des Ausstellungsgebäudes. Denn mit der Weigerung, den Pavillon zu öffnen, droht Patir in Israel heftige Kritik. Dies insbesondere nach dem Drohnenangriff Irans auf Israel. Die israelische Regierung beglich die Hälfte der Kosten für den Pavillon. Über den Protest wurde sie von der Künstlerin und den beiden Kuratorinnen Tamar Margalit und Mira Lapidot nicht informiert.
Kein Novum
Bereits im Februar hatten Tausende von Kulturschaffenden den offenen Brief der Aktivistenorganisation Art Not Genocide Alliance unterschrieben. Dieser forderte den Ausschluss Israels von der Länderkunstschau in Venedig. Israels Pavillon wurde darin als «Genozid-Pavillon» bezeichnet. Jede offizielle Vertretung Israels auf der internationalen Kulturbühne sei eine Befürwortung von Israels «grausamem Apartheidsystem» und dem «Völkermord in Gaza», hiess es in der Petition.
Die von der Hamas begangenen Greueltaten des 7. Oktobers fanden darin keine Erwähnung. Auch jetzt ist nichts davon zu finden auf den herumwirbelnden Flugblättern. Die Aktivisten kritisieren die Schliessung des israelischen Pavillons durch die israelische Künstlerin und die Kuratorinnen vielmehr als leere und opportunistische Geste, «die auf maximale Berichterstattung in der Presse ausgerichtet» sei.
Der jetzige Tumult ist kein Novum in der Geschichte des israelischen Pavillons. 1982, nach Israels Einmarsch in Libanon, zündeten italienische Kommunisten vor dem Gebäude eine Bombe. 2015 wurde der Pavillon von propalästinensischen Aktivisten sogar besetzt.
Ob Ruth Patirs Biennale-Beitrag «(M)otherland» vor Ende der Biennale im November gezeigt werden kann, ist ungewiss. Die Künstlerin setzt sich darin mit antiken Fruchtbarkeitsstatuen des alten Palästina auseinander. Sie kritisiert damit den Druck auf Frauen von heute, Mütter zu werden. In einem animierten Video zeigt sie die Terrakottafiguren während eines Demonstrationsumzugs. Unweigerlich erinnern diese oft fragmentierten Frauenfiguren, denen teilweise Köpfe und Gliedmassen fehlen, auch an das Massaker der Hamas vom 7. Oktober.