Die VOX-Analyse der Vorlagen vom 22. September bestätigt die ersten Eindrücke. Die Biodiversitätsinitiative wurde als zu einschränkend, die BVG-Reform als zu belastend angesehen.
Am 22. September hat die Schweiz gleich zwei Vorlagen an der Urne abgelehnt: die Biodiversitätsinitiative und die Reform der beruflichen Vorsorge. Wie die VOX-Analyse zeigt, scheiterten die beiden Vorlagen jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Die Biodiversitätsinitiative, die den Schutz und die Förderung der Biodiversität in der Schweiz stärken wollte und von 63 Prozent der Stimmberechtigten abgelehnt wurde, sprach offenbar ein Thema an, das von vielen Menschen nicht als Problem wahrgenommen wird. Sie scheiterte, wie die Studienautoren schreiben, an «als gering wahrgenommenem Problemdruck».
Vor allem Personen, die sich im politischen Spektrum bei Mitte-rechts verorten, waren der Meinung, dass der Bund und die Kantone bereits genügend für die Biodiversität leisten würden. Die Landwirtschaft sei schon stark genug belastet, da brauche es keine weiteren Einschränkungen.
Wer wie stimmte, hing offenbar auch davon ab, wer wem vertraute: Wer den Umweltverbänden Glauben schenkte, stimmte eher mit Ja, während diejenigen, die den Bauern vertrauten, eher Nein sagten. Bei der FDP sagten 91 Prozent der Sympathisanten Nein, bei der SVP 88, und bei der landwirtschaftsfreundlichen Mitte-Anhängerschaft waren es rund 78 Prozent, die die Initiative schliesslich ablehnten. Grüne und SP-Wähler sagten klar Ja, während die GLP-Basis gespalten war; dies, obwohl die Partei die Ja-Parole beschlossen hatte.
Wie die Befragung zeigt, war eine Mehrheit der Stimmberechtigten zwar der Meinung, dass Umweltzerstörung ein gravierendes Problem ist. Sie sahen aber keinen Grund für dringliche Massnahmen.
Mit 67 Prozent klar gescheitert ist auch die Reform der beruflichen Vorsorge, die Massnahmen zur langfristigen Finanzierung zukünftiger Renten und zur Verbesserung der Situation von Menschen mit geringem Einkommen umfasste. Obwohl die Verbesserung der Situation von Geringverdienerinnen und -verdienern als wichtig angesehen wurde, überzeugte der Vorschlag nicht.
Bei der Beurteilung spielte offenbar auch die Inflation eine Rolle. Eine allfällige Kürzung der BVG-Rente wurde als zu grosses Risiko und als nicht verkraftbar angesehen. Die Vorlage wurde im linken Lager ziemlich geschlossen abgelehnt. Aber auch fast zwei Drittel der SVP- und Mitte-Wählerinnen und -Wähler stimmten gegen die Ja-Parole ihrer eigenen Partei.
Die Annahme, dass man nach der BVG-Reform mehr bezahlen müsse, aber weniger erhalte, trieb die Wählerinnen und Wähler stark um. Einigermassen überzeugt von der Vorlage waren demnach nur FDP-Wähler und Personen, die den Pensionskassen oder Wirtschaftsverbänden vertrauen. Für sie war die BVG-Reform ein Schritt in Richtung Gerechtigkeit und Solidarität für Personen mit tiefem Einkommen, Frauen und Teilzeiter.
Wer sich politisch an einem der Pole links oder rechts orientierte, liess sich stärker von den beiden Vorlagen mobilisieren als Personen in der politischen Mitte. Die Reform der beruflichen Vorsorge wurde als leicht wichtiger als die Biodiversitätsinitiative wahrgenommen.
Die VOX-Analyse, durchgeführt von GfS Bern und finanziert von der Bundeskanzlei, beruht auf der Befragung von 3360 Stimmberechtigten.