Gareth Williams
Nirgends lässt sich die Verführungskunst von Pflanzen schöner erleben als südlich von Kapstadt. Was oft nicht schadet: Feuer im Busch.
Zwei Autofahrstunden südlich von Kapstadt, auf halbem Weg zur Südspitze Afrikas, erstreckt sich eine Landschaft, die auf den ersten Blick wüst und öde erscheint. Dichtes Buschwerk säumt die R 43 zwischen Hermanus und Gansbaai, und der Blick in die Ferne fällt auf eine grün-graue Decke aus den immer gleichen dunklen Sträuchern, die sich bis zum Horizont erstreckt und der Gegend einen eintönigen Eindruck verleiht.
Doch wer zehn Meilen nach Stanford von der Provinzhauptstrasse abzweigt und die Hügelflanke zu den Lodges des Grootbos Private Nature Reserve hinauffährt, kann das Geheimnis dieser monochromen Landschaft entdecken, in der Sex eine entscheidende Rolle spielt.
Zwischen den struppigen Büschen des alles beherrschenden Heidekrauts wächst erstaunlicherweise eine Vielzahl von Pflanzen. Einzelne ähneln mit ihren borstigen Hüllblättern und opulenten Grössen eher exotischen Seeanemonen als Blumen. Oder ihre Stiele sind mit Pelzen überzogen. Oder sie wirken, als hätte man einen Igel mit einem pinkfarbenen Pompon gekreuzt. Das Grün der Landschaft variiert in einzigartiger Weise.
«Fynbos» wird diese Vegetation genannt, was auf Afrikaans «feines Gestrüpp» bedeutet. Der Name verweist auf das Heidekraut, das fein verzweigt und immergrün wächst. In den Frühjahrs- und Sommermonaten blüht es so intensiv, «dass es den Fynbos mit einem farbig leuchtenden Mosaik überzieht», sagt der Field-Guide Ruaan Barnard.
Der Fynbos gehört zum Kapflora-Gebiet, dem kleinsten der sechs botanischen Grossräume der Erde, die wegen ihrer unterschiedlichen klimatischen und geografischen Bedingungen als «Pflanzenreiche» bezeichnet werden. «Das Gebiet der Kapflora ist das kleinste, aber zugleich auch das artenreichste Pflanzenreich der Welt», sagt Ruaan Barnard vor einem Strauch mit scharlachfarbenen, flammenartigen Blütenständen, die aussehen wie glühende Zungen.
Das Pflanzenreich der Kapflora umfasst die westliche und die südliche Kapregion Südafrikas und zeichnet sich durch eine aussergewöhnlich hohe Zahl endemischer Pflanzenarten aus: Von etwa 9500 Pflanzenarten kommen rund siebzig Prozent ausschliesslich hier vor. «Wer den Fynbos erkundet, hat gute Chancen, auf zwei von drei Pflanzenarten zu treffen, die es nur hier gibt», sagt Ruaan Barnard und reicht einen beeindruckenden Vergleich nach: Grossbritannien, das wie die Schweiz mit seiner gemässigten Klimazone zur holarktischen Flora gehört, ist fast dreimal so gross wie das Kapflora-Gebiet, beherbergt aber weniger als die Hälfte der Pflanzenarten wie Südafrika. Die Hälfte davon wiederum wurde durch menschliche Aktivitäten auf die Britischen Inseln eingeführt.
So etwa die Mutterpflanze der Geranie, die Pelargonie, die ihre Wurzeln in der Kapregion hat. Im 17. Jahrhundert wurde sie von niederländischen und britischen Entdeckern nach Europa gebracht. Heute gilt die Geranie in der Schweiz vor Bauernhäusern und Chalets als Symbol für traditionelle Bodenständigkeit und alpine Gemütlichkeit.
Der tausendjährige Zauberwald
Ruaan Barnard nimmt die Gäste mit auf Entdeckungstour: zu Fuss, zu Pferd oder im offenen Geländewagen durch die weite Heide. Er erzählt von Pflanzen und Tieren, klug und anschaulich und mit Witz. Auf den Blumensafaris zeigt er seltene Blüten, manche bizarr, andere zart wie Porzellan. Er führt die Besucher zu Aussichtspunkten mit Blick aufs nahe Meer. Oder in den Milkwood, einen verwunschenen Wald, wie es ihn nur zehnmal auf der Welt gibt und dessen Bäume teilweise über tausend Jahre alt sind. Werden die Bäume verletzt, tritt aus der Rinde eine milchige Flüssigkeit aus, so kam der Wald zu seinem Namen.
Die Stämme und Äste im Milkwood schlingern wie lebendige Zauberwesen kreuz und quer durch das gedämpfte Licht. Die Baumkronen filtern dieses so stark, dass ein grüner Schimmer den Wald durchzieht. Hie und da brechen Lichtstrahlen durch die Äste und werfen tanzende Flecken auf den Boden. Die Schatten sind tief und geheimnisvoll, als ob der Wald seine eigenen, beglückenden Geheimnisse hütet.
Die Spuren erster Menschen
Ruaan Barnard führt seine Gäste aber auch zu den Klippen und Sandstränden der Walker Bay, wo sie die Wucht des Atlantiks spüren. Historisch interessant wird ein Ausflug mit ihm, wenn er bei Gansbaai die Treppen zur Klipgat-Höhle hinabsteigt. «Wer sie betritt, wandelt auf den Spuren der ersten Menschen», sagt Ruaan Barnard.
Über Millionen von Jahren formten Unterwasser-Erosion und die Kraft der Wellen ein Höhlennetz. Dieses besteht aus mehreren Kammern. Grosse fensterartige Öffnungen in der Kalksteinklippe gewähren Ausblicke auf den Atlantik, der unermüdlich gegen die Felsen brandet.
In den Gesteinsschichten der Höhle entdeckten Archäologinnen und Archäologen Werkzeuge, Knochenreste und bearbeitete Muscheln aus der Steinzeit. Die Funde legen nahe, dass die allerersten Homo sapiens vor 250 000 Jahren von der Wiege der Menschheit an der Ostküste Afrikas hierherkamen. Sie profitierten vom milden, mediterranen Klima und lebten von Beeren, vom Fischfang und von anderen Beutetieren.
Aufklärung im offenen Feld
An diesem Morgen lenkt der Field-Guide den Land Rover und das Gespräch jedoch auf ein anderes Thema: den Blümchensex in der Heidelandschaft. Denn an kaum einem anderen Ort der Welt kann man sehen, wie kreativ Pflanzen sind, um sich fortzupflanzen. Während er den Geländewagen über Naturwege steuert, wird offensichtlich, wie reich diese Landschaft mit ganz unterschiedlichen Pflanzen bestückt ist. Inmitten des Heidekrauts stehen stachelig-blühende Pincushion Proteas, fächerartige Mimetes und röhrenartige Restios. Die Farben der Blüten flimmern in der Wärme des südafrikanischen Frühlings, der von Ende August bis November dauert, der Duft des salzigen Atlantikwinds vermischt sich mit der erdigen Frische der Böden und dem würzigen Aroma der Pflanzen.
Natürlich beginnt Ruaan Barnard seinen Aufklärungsrundgang mit Bienchen und Blumen: Pflanzen locken Bestäuber mit Nektar und Pollen an, diese tragen den Pollen von Blüte zu Blüte und sorgen so für die Befruchtung. «Viele Pflanzen haben sich darauf spezialisiert, mit duftenden oder farbenfrohen Blüten Insekten wie Bienen oder Schmetterlinge anzuziehen», sagt der Field-Guide.
Um die Chance einer Bestäubung zu erhöhen, haben einige Heidekraut-Arten ihre röhrenförmigen Blüten im Laufe der Evolution so verändert, dass auch Vögel sie bestäuben können. «Grösse zählt beim Blümchensex. Bei manchen Blumen jedenfalls gilt: je länger, desto besser», sagt Ruaan Barnard. Vögel wie der langschwänzige Kap-Sugarbird mit seinem gelben Steiss haben deshalb lange, gebogene Schnäbel entwickelt, um an den energiereichen Nektar aus den Blüten der Protea zu gelangen. «Es ist erstaunlich, wie sehr sich Pflanzen und ihre Bestäuber einander angepasst haben», sagt Ruaan und hält vor einer dem Boden entlang wachsenden Protea mit grossflächigen, pinkfarbenen und roten Blütenblättern, der Blume, die halb Igel, halb pinkfarbener Pompon ist. Die Strauchart macht sich Mäuse als Bestäuber zunutze, die den Nektar aus den Blüten lecken und dabei ihre Schnauzen bis zur Nase mit Pollen bedecken.
Der vermeintliche Harem
Auf der Weiterfahrt durch die offene Landschaft erzählt Ruaan Barnard von Riedgräsern, deren leichte Pollen vom Wind getragen werden, um neue Standorte zu erreichen. Plötzlich bremst er den Geländewagen und steigt aus. Er deutet auf ein Büschelgras am Wegrand: «Die Gazania ist eine raffinierte Trickserin», sagt er und hebt einen orangen Blütenkopf mit den dunklen, dreidimensionalen Markierungen und weissen Punkten an. Diese ähneln täuschend dem Rücken eines weiblichen Monkey Beetle, eines Insekts der Familie der Blatthornkäfer. Die Flecken werden zur visuellen Attrappe. Mit ihnen lockt die Gazania männliche Monkey Beetles an, die im Vorbeiflug glauben, unter ihnen tummle sich eine Gruppe Weibchen, die nur auf das Männchen gewartet hätten.
«Das Männchen fliegt heran, tollt sich im Blütenkopf, als verliere es sich in seinem vermeintlichen Harem», sagt Ruaan Barnard. Doch statt auf Weibchen zu stossen, findet es nur Pollen, und «so wird aus einem Getäuschten ein Bestäuber».
Die aussergewöhnliche Artenvielfalt der Kapregion ist einem glücklichen Umstand zu verdanken. Während die Eiszeiten weite Teile der Erde unter dicken Eisschichten verhüllten, blieb Südafrika von grossflächigen Vergletscherungen verschont. So konnte die Pflanzenwelt in dieser Region ungehindert weiter gedeihen und sich über Millionen von Jahren weiterentwickeln.
Das mediterrane Klima des Kaplands begünstigt die erstaunliche Vielfalt der Flora. Milde Winter mit Regen, heisse, trockene Sommer, sanfte Temperaturwechsel und nährstoffarme, saure Sandböden, in denen gelegentlich auch Kalkstein und Schiefer vorkommen, schaffen Füllen und Hungersnöte. «Für Pflanzen ist der Fynbos ein Paradies», sagt Ruaan Barnard am Ende der Blumensafari.
Die Wette mit dem Glück
Dass dieses Paradies oberhalb der Walker Bay noch immer besteht, ist Michael Lutzeyer zu verdanken, einem Kapstädter mit deutschen Wurzeln. 1991 nahm sein Leben eine unerwartete Wendung. Während eines Campingwochenendes mit seiner Familie stand er inmitten der Heide, umgeben vom Grün-Grau, und blickte auf die weissen Strände der Walker Bay und das tiefblaue Meer.
Im Norden erahnte er das Kap der Guten Hoffnung, im Süden wusste er das Kap Agulhas, wo der kühle Atlantik auf den warmen Indischen Ozean trifft. «Da war es um mich geschehen», sagt er auf der Terrasse der Grootbos Garden Lodge mit genau dieser Aussicht. «Ich verliebte mich in diesen Ort.»
Als er erfuhr, dass das Grundstück mit der einsamen Wellblechhütte in der Heide zum Verkauf stand, rief er, so schnell er konnte, den Makler an. Kurzentschlossen kaufte er es zusammen mit seinem Bruder und seinem Vater. Von da an verbrachte Michael Lutzeyer jedes Wochenende mit seiner Familie in Grootbos, an den Wochentagen hatte er in Kapstadt mit der Vermarktung von Maschinen zu tun. «Ich wollte nur noch in diesem Naturparadies leben und es bewahren», sagt der heute 72-Jährige.
Um in der Heide zu leben, verkaufte er alles, was er in Kapstadt hatte, und errichtete im Niemandsland fünf Selbstversorgerhütten. «Fünf Bed-and-Breakfasts – nur ohne Frühstück», sagt Michael Lutzeyer. Doch die Gäste blieben fern. In den 1990er Jahren reiste niemand wegen Blumen nach Südafrika, die Touristen folgten lieber dem Ruf der Löwen in die Savanne.
Auch das Meer vor Grootbos zog damals niemanden an. Heute zählt die Walker Bay zu einem der besten Orte, an denen man die «Marine Big Five» beobachten kann: Weisse Haie, Delfine, Pinguine und Robben und Wale. Buckelwale und Südliche Glattwale suchen die Bucht jedes Jahr auf. Letztere verlassen die kalten Gewässer der Antarktis, um sich von Juni bis Dezember in der warmen, geschützten Bucht vor Hermanus zu paaren, zu kalben und ihre Jungen aufzuziehen.
Der Wendepunkt kam, als eine englische Touristin nach Unterkünften mit Verpflegung fragte. Michael Lutzeyers Frau kochte, er servierte, spülte ab und reinigte die Toiletten. «Ich arbeitete hart und hatte eine Portion Glück», sagt er heute auf der Terrasse der Lodge, deren Deckenbalken die verworrenen Äste der Milkwood-Bäume nachahmen.
Luxus für Touristen und den Naturschutz
Nach und nach verwandelte er das Grundstück. Statt in einfachen Hütten logiert man heute in exklusiven Öko-Lodges mit grossen Fenstern und viel Privatsphäre sowie in zwei modernen Villen, alle mit weitem Blick übers Land zum Meer. Die Bauten fügen sich so harmonisch in das private Reservat ein, dass sie fast mit der Natur eins werden. Die Köche kreieren in zwei erstklassigen Restaurants europäische und afrikanische Gourmetgerichte und folgen konsequent der Farm-to-Table-Philosophie: Viele Zutaten stammen aus dem eigenen Garten. Im Weinkeller, einem der besten des Landes, lagern ausgewählte Spitzenweine aus Südafrika, sorgfältig abgestimmt auf die feinen Aromen der Küche.
«Naturschutz gelingt nur, wenn er bezahlt werden kann», sagt Michael Lutzeyer. Mit dem Grootbos Private Nature Reserve vereint er Ökotourismus, Naturschutz und soziales Engagement. Die Lodges des Reservats finanzieren die gemeinnützige Grootbos Foundation, die er gründete. Die Stiftung schützt die Fynbos-Vegetation und unterstützt Arbeitslose sowie lokale Gemeinden, etwa durch Bildungsprojekte. Zudem initiierte Michael Lutzeyer eigene nachhaltige Projekte wie eine Imkerei und eine Biodiversitätsforschung. Die Gäste helfen, wichtige Naturschutzmassnahmen zu finanzieren, darunter die Pflege von 22 000 Hektaren bedrohter Pflanzenwelt, einer Fläche, die fast viermal dem Zürichsee entspricht.
Der vielleicht raffinierteste Strauch der Welt
Um seine Gäste für die Schönheit der Natur weiter zu sensibilisieren, liess Michael Lutzeyer ein «Florilegium» gestalten, eine beeindruckende Sammlung botanischer Aquarelle und wissenschaftlicher Zeichnungen, die die Vielfalt der Pflanzenwelt im Fynbos zeigt. Dafür lud die Grootbos Foundation Künstler monatelang zum Zeichnen und Malen ein. Die Originale hängen in einem sehenswerten Museum auf dem Gelände des Reservats.
Darin festgehalten ist auch der Nadelkissenstrauch. Mit seinen silbergrünen Blättern und leuchtenden Blüten in Rot, Orange oder Gelb gehört er zu den spektakulärsten Pflanzen des Fynbos. Deshalb schmückt er als Schnittblume oft Vasen in den in warmen Erdtönen gehaltenen Lodges von Grootbos, aber auch in Europa, wo er als Importware beliebt ist. Doch der Nadelkissenstrauch ist mehr als nur schön. Er zählt zu den raffiniertesten Pflanzen der Natur.
Im Mai oder Juni blüht er und lockt Vögel wie den Kap-Sugarbird mit seinem gelben Steiss an. Der Vogel klammert sich an den Stiel, trinkt Nektar und nimmt dabei Pollen an Schnabel und Stirn auf. Fliegt er zur nächsten Blüte, überträgt er den Pollen.
Doch der Strauch hat eine weitere Strategie: Er nutzt für seine Fortpflanzung das Feuer und dessen Hitze.
Nach der Bestäubung bildet das Nadelkissen Samen, die eine wachsartige Schicht, das Elaiosom, umhüllt. Fallen die Samen zu Boden, lockt die nährstoffreiche Schicht Ameisen an. Diese tragen die Samen in ihre unterirdischen Nester, um sie vor hungrigen Vögeln und Nagetieren zu schützen. Und um sich selbst über die Wachsschicht herzumachen, die Samen selbst lassen sie unversehrt. «So bleiben diese Jahre, manchmal Jahrzehnte, verborgen, bis ein Buschfeuer ausbricht», sagt Michael Lutzeyer.
Wenn die Feuerwalze mit zehn bis fünfzehn Metern Höhe über die Heide fegt, zerstört sie die Mutterpflanzen und setzt Nährstoffe frei.
Die Hitze bewirkt noch etwas: Sie knackt die harte Samenschale und ermöglicht das Keimen. Der Samen findet nun ideale Bedingungen: nährstoffreichen Boden, viel Licht, Raum und kaum Konkurrenz. «Ein Feuer im Fynbos ist kein zerstörerisches Ereignis, sondern ein unentbehrlicher Teil des Kreislaufs», sagt Michael Lutzeyer. «Es stellt die biologische Uhr auf null und schafft Platz für Neues.» Schon nach wenigen Jahren erblüht die Landschaft wieder: Frische Pflanzen erobern den Raum, und der Zyklus beginnt von vorn. Ohne regelmässige Feuer würde das empfindliche System der Heide zusammenbrechen. Pflanzen wie der Nadelkissenstrauch könnten nicht überleben.
«Trotzdem ist der Fynbos bedroht», sagt der südafrikanische Botaniker und Umweltschützer Sean Privett vor dem Cheminée-Feuer der Garden Lodge. «Die grösste Gefahr für den Fynbos sind invasive Pflanzenarten», erklärt er. Zu diesen eingeschleppten Pflanzen zählen Akazien, die wegen ihres schnellen Wachstums und ihres einfach verwertbaren Holzes von Australien nach Südafrika gebracht wurden, und eine australische Myrte-Art. Sie breiten sich rasant aus, verdrängen heimische Arten, verändern die Nährstoffe im Boden, ersticken Pflanzen und entziehen dem Fynbos lebenswichtiges Wasser. Die Folgen für das Ökosystem sind gravierend. Nicht nur Pflanzen leiden, auch Tiere wie die Langzungenfliege, die bestimmte Heidekraut-Arten bestäubt, sind betroffen. Wenn invasive Pflanzen die heimischen verdrängen, verschwinden auch die Bestäuber. «Das löst einen Dominoeffekt aus, der die Nahrungskette und die Fortpflanzung destabilisiert», sagt Sean Privett.
Um dies zu verhindern, haben Michael Lutzeyer und Sean Privett zahlreiche Projekte gestartet. Grootbos-Teams entfernen invasive Pflanzen und befreien Landflächen. «Doch die Natur kennt keine Grundstücksgrenzen», sagt Sean Privett. Michael Lutzeyer hat deshalb eine Vision. Er nennt sie: den «grünen Korridor».
Er will mit privaten Landbesitzern bis zur Südspitze zusammenarbeiten, um die Biodiversität zu fördern und den Fynbos dauerhaft zu bewahren. Wissenschafter der Grootbos Foundation beraten die Landbesitzer unentgeltlich. Sie erstellen dazu Gutachten, welche Flora und Fauna ihr Land beherbergt und wie sie es sinnvoll nutzen können. Zum Beispiel, indem sie Monokulturen umgestalten, damit seltene Insekten die seltenen Pflanzen, auf die sie sich spezialisiert haben, weiterhin bestäuben. Bricht das eine weg, verschwindet auch das andere.
Nicht alle Landbesitzer lassen sich leicht für eine naturnahe Bewirtschaftung gewinnen. «Manchmal denke ich, ich hätte besser Psychologe statt Biologe werden sollen, um der Natur zu helfen», sagt Sean Privett. Michael Lutzeyer, für den eine wahrlich öde Landschaft ein Graus wäre, ist optimistisch: «Landfleck für Landfleck machen wir Fortschritte.»
Er schaut durch eine offene Glastüre auf die Heide und die Walker Bay. Das Meer wirft Wellen heran, doch sie sind zu fern, als dass man sie hören könnte. Nur der Wind, der durch die Heide streicht, und der salzige Atem des Meeres sind leise zu vernehmen. Am Horizont zeichnet sich das Kap der Guten Hoffnung ab. Die Welt da draussen erscheint so, als müsste man nur einen Schritt in sie setzen, und alle Möglichkeiten öffneten sich. Auf dem Wasser gleisst das Sonnenlicht, als würde es darüber schweben, und es ist, als wäre es der Menschheit erster Tag.
Diese Reportage wurde möglich durch die Unterstützung von Grootbos Private Nature Reserve.