Das Geschäft mit Behandlungen zur Verjüngung boomt. Die Firma Galderma, die enge Beziehungen mit Hautärzten pflegt, verspricht Investoren auch für die kommenden Jahre ein zweistelliges Wachstum. Das attraktive Marktumfeld lockt aber auch viele Konkurrenten an.
«Hautärzte gehören zu den bestbezahlten Medizinern in den meisten Ländern», sagt Flemming Ornskov, Chef des Zuger Konzerns Galderma. Ornskov muss es wissen, denn er leitet eines der führenden Unternehmen, die Hautpflegeprodukte herstellen und mit Dermatologen enge Geschäftsbeziehungen pflegen.
Geschäftstüchtige Hautärzte
Dermatologen profitieren davon, dass sie nicht nur Hautkrankheiten wie Akne oder Schuppenflechte therapieren, sondern nicht selten auch ästhetische Behandlungen vor allem zur Verjüngung der Gesichtshaut anbieten. Manche offerieren zudem hochpreisige Hautcrèmes und andere Schönheitsprodukte in ihren Praxen und sind damit an deren Umsatz beteiligt.
Galderma liefert für alle drei Bereiche Produkte. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen, das Anfang der 1980er Jahre als Joint Venture des Nahrungsmittelriesen Nestlé und des Kosmetikkonzerns L’Oréal entstanden war, einen Konzernerlös von 4,1 Milliarden Dollar.
Das Gesamtvolumen des Marktes mit Erzeugnissen für die Hautpflege und für dermatologische Behandlungen wird auf 87 Milliarden Dollar geschätzt, und es soll in den vergangenen fünf Jahren um durchschnittlich 7 Prozent gewachsen sein. Galderma steigerte den Umsatz laut eigenen Angaben im selben Zeitraum um jährlich fast 12 Prozent – ohne Berücksichtigung von Wechselkursveränderungen.
Es muss schnell gehen
Angesichts von so viel Rückenwind drängt es die Firma, die sich zurzeit noch ausschliesslich im Besitz eines Konsortiums von Finanzinvestoren, angeführt vom schwedischen Unternehmen EQT, befindet, an die Börse. Unternehmen mit zweistelligen jährlichen Wachstumsraten stehen hoch in der Gunst von Investoren und können mit einer stattlichen Bewertung rechnen.
Das Unternehmen gab seine Börsenpläne am Mittwoch bekannt, und Ornskov beeilte sich an einer Telefonkonferenz zu erwähnen, dass der Handel an der SIX Swiss Exchange noch vor Ostern aufgenommen werden solle. Der Firmenchef, der selbst bereits 66 Jahre zählt und auf eine lange Karriere als Topmanager in der Pharmabranche zurückblickt, dürfte dabei auch die stark gestiegenen Bewertungen an den Aktienmärkten im Auge haben. Angesichts immer neuer Rekordstände der Indizes in New York, Frankfurt oder Tokio mehren sich die mahnenden Stimmen, die vor einer scharfen Korrektur warnen. Käme es dazu, würde sich das Fenster für Börsengänge erfahrungsgemäss im Nu schliessen.
Im zweiten Anlauf soll es mit dem Börsengang klappen
Galderma ist obendrein ein gebranntes Kind, denn die Firma, die ab 2014 bis zum Verkauf an das Konsortium von Finanzinvestoren vor fünf Jahren einen Geschäftsbereich im alleinigen Besitz von Nestlé (Skin Health) gebildet hatte, verfolgte schon 2021 Börsenpläne. Die damalige Verschlechterung des Marktumfelds machte ihr aber einen Strich durch die Rechnung. Ein zweites Mal soll dem Unternehmen dieser Lapsus nicht passieren.
In Medienberichten war damals von einem potenziellen Börsenwert von 22 Milliarden Dollar die Rede gewesen. Auch nun wird kolportiert, die Marktkapitalisierung von Galderma könnte sich ungefähr auf diesem Niveau bewegen. So oder so dürften Anleger dem Unternehmen aber einen deutlich höheren Wert zugestehen als die 10,2 Milliarden Franken, welche die Finanzinvestoren 2019 Nestlé als Verkaufspreis entrichtet hatten.
Nestlé scheiterte als früherer Eigentümer
Allerdings war Galderma mit einem damaligen Umsatz von 2,8 Milliarden Franken noch gut ein Viertel kleiner gewesen. Das Unternehmen durchlebte zuletzt im Besitz von Nestlé schwierige Jahre. So war das Wachstum ungenügend, was vor allem an hausgemachten Problemen lag. So wurden rezeptpflichtige Medikamente, deren Patent abgelaufen waren, nicht adäquat ersetzt. Auch lief, wie der Konzernchef von Nestlé, Mark Schneider, in einem Interview mit der NZZ im März 2018 kritisierte, die Expansion im Geschäft mit frei erhältlichen Produkten zur Hautpflege überhastet ab.
All dies führte – zusammen mit ungenügenden Margen – dazu, dass Schneider der Geduldsfaden riss und er den Verkauf an die Finanzinvestoren besiegelte. Zuvor hatte sich Nestlé noch gezwungen gesehen, eine Wertberichtigung von 2,8 Milliarden Franken vorzunehmen.
Mittlerweile scheint sich Galderma mehr als aufgefangen zu haben. Die Firma sieht sich derart gut positioniert, dass sie Investoren bis 2027 auf Basis von konstanten Wechselkursen ein jährliches Umsatzwachstum von ungefähr 10 bis 15 Prozent in Aussicht stellt.
Im Wettbewerb mit Sanofi
Namentlich dazu beitragen soll ein Medikament, das indes noch gar nicht auf dem Markt ist. Dabei handelt es sich um den Wirkstoff Nemolizumab, der vor allem zur Behandlung der verbreiteten Hauterkrankung atopische Dermatitis eingesetzt werden soll.
Das Produkt, an dem Galderma seit Jahren mit hohem Aufwand geforscht hat, befindet sich zurzeit in den USA im Zulassungsverfahren. Ornskov schwärmt von einem 20-Milliarden-Dollar-Markt. Konkret soll das Medikament Galderma einen Spitzenumsatz von über 2 Milliarden Dollar einbringen. Zugleich sei, wie der Konzernchef im Gespräch mit der NZZ einräumte, die Konkurrenz bei Therapien auf diesem Gebiet «sehr hart». In erster Linie wird sich Galderma mit dem französischen Pharmariesen Sanofi als Wettbewerber auseinandersetzen müssen.
Eine andere Frage ist, wie sich der Markt im Bereich der ästhetischen Hautbehandlungen entwickeln wird. Dank stark gefragten Produkten wie Botox und dem Pendant von Galderma, Azzalure, ist dieses Geschäft in den vergangenen Jahren fulminant gewachsen. Allerdings lockt das günstige Umfeld auch zunehmend neue Anbieter an, die ihrerseits auf ein hohes Wachstum hoffen.
Bisherige Besitzer hinterlassen Schuldenberg
Unsicherheiten bestehen auch mit Blick auf das dritte Standbein von Galderma, die Vermarktung von hochwertigen Hautpflegeprodukten. Der Schweizer Kosmetikanbieter La Prairie, der zum deutschen Konsumgüterkonzern Beiersdorf gehört, erlitt im vergangenen Jahr einen organischen Umsatzeinbruch von 15 Prozent. Möglicherweise hat im Zuge der stark gestiegenen Inflation die Bereitschaft, teure Crèmes zu erwerben, bei manchen Konsumenten nachgelassen.
Dank dem Börsengang will Galderma primär frisches Kapital beschaffen. Angestrebt wird ein Erlös von 2,3 Milliarden Dollar, der laut Bloomberg dieses Initial Public Offering (IPO) in Europa zum grössten seit der Publikumsöffnung von Porsche im September 2022 machen würde. Das Geld soll aber nicht für Investitionen in neue Produkte oder andere Zukunftsprojekte, sondern für die Rückzahlung und die Refinanzierung von Schulden verwendet werden. Die Finanzinvestoren haben bei Galderma nicht nur das Wachstum angekurbelt, sondern auch Schulden angehäuft.