Die Swiss Marketplace Group bringt sich für einen Börsengang in Stellung und hat die Preise für Inserate stark erhöht. Makler reagieren entrüstet – eine neue Offensive des Konzerns weckt noch grössere Sorgen.
Der Boykottaufruf stammt von einem gewissen «Dr. F. Meier». In Wirklichkeit heisst er anders. Das Schreiben zirkuliert zurzeit unter Schweizer Immobilienmaklern und Bewirtschaftungsunternehmen. Es fordert die Adressaten auf, alle Inserate von den Plattformen Homegate und Immoscout24 zwischen dem 14. Februar und dem 14. März zu entfernen. «Lassen wir uns nicht länger vom monopolistischen Verhalten der Swiss Marketplace Group AG beeinflussen, und setzen wir gemeinsamen ein starkes Zeichen für unsere Freiheit und unsere Branche.»
Der Aufruf ist Teil eines Konflikts zwischen der Schweizer Maklerbranche und der Swiss Marketplace Group (SMG), der Muttergesellschaft der beiden grössten Schweizer Immobilienportale Homegate und Immoscout24. Ausgangspunkt der neuesten Episode sind starke Preiserhöhungen für Immobilieninserate, die die SMG seit einigen Monaten auf breiter Front bei Makler- und Bewirtschaftungsgesellschaften durchsetzt.
Betroffene Makler sprechen von Aufschlägen von 50 Prozent und mehr für die monatlich abgerechneten Abonnements. Die SMG dagegen betont, die Preisanpassungen seien aufgrund neu eingeführter Leistungen «in einem höchstens mittleren zweistelligen Prozentbereich» erfolgt und lägen im Durchschnitt merklich tiefer.
Die eigentliche Sorge der Maklerbranche dreht sich aber nicht um kostspielige Inserate: Die Immobilienverkäufer fürchten um das Fundament ihres Geschäftsmodells, also dass die Homegate- und Immoscout24-Besitzerin künftig einen grossen Teil der Provisionen bei Verkäufen für sich beanspruchen könnte. Wie NZZ-Recherchen zeigen, befindet sich die SMG tatsächlich im Aufbau dieses neuen Geschäftszweigs. Der Konflikt zwischen der Maklerbranche und den grossen Immobilienportalen geht damit in eine neue Phase.
Homegate und Immoscout24 dominieren den Markt
Schon bevor die Medienunternehmen Ringier und die TX Group im Jahr 2021 Homegate und Immoscout24 zusammen mit weiteren Portalen im gemeinsamen Unternehmen SMG zusammenlegten, regte sich Widerstand.
Um die Marktdominanz von Homegate und Immoscout24 zu brechen, beteiligten sich die Makler und Bewirtschafter im Jahr 2019 mit dem eigenen Unternehmen Next Property AG an der deutlich kleineren Immobilienplattform Newhome. Dieses Portal, das im Jahr 2013 von mehr als einem halben Dutzend Kantonalbanken gegründet wurde, sollte ein Gegengewicht gegen die Marktmacht der grossen Portale bilden. Heute sind 500 Aktionäre aus der Immobilienbranche und auch der Versicherer Axa beteiligt.
Allerdings schaffte es Newhome nie, in wichtigen regionalen Märkten wie Zürich und Bern richtig Fuss zu fassen. Der schweizweite Marktanteil des Portals beträgt heute schätzungsweise 10 Prozent, es ist nur in lokalen Märkten wie Graubünden oder in der Innerschweiz marktführend. Auf dem Platz Zürich und in Bern dominieren Homegate bzw. Immoscout24.
Auch die Makler und Bewirtschafter selbst inserierten nach der Beteiligung an Newhome weiter auf einer der beiden grossen Plattformen, weil ihnen sonst schlicht zu viele potenzielle Kunden entgangen wären.
Die Erfolgsaussichten des jüngsten Boykottaufrufs gegen Preiserhöhungen dürften vor diesem Hintergrund gering sein: Grosse Bewirtschaftungsgesellschaften können es sich nicht leisten, auf Kosten ihrer institutionellen Kunden – Banken, Versicherungen oder Pensionskassen – keine Inserate mehr auf Homegate und Immoscout24 zu schalten. Sie müssen leerstehende Wohnungen so rasch als möglich wieder vermieten.
Claude Ginesta, Inhaber des gleichnamigen Maklerunternehmens und Verwaltungsratspräsident der Next Property AG, teilt den Ärger von «Dr. F. Meier» über die Aufschläge. Auch er zahle mit seinem Unternehmen künftig 50 Prozent mehr, um Inserate auf Homegate und Immoscout24 zu schalten, sagt er. Die von der SMG als Grund für die höheren Preise geltend gemachten Zusatzdienstleistungen hält er für wenig überzeugend – er brauche diese Dienste nicht, so wie viele andere Makler und Bewirtschafter auch.
Vielmehr ist er überzeugt, dass die Erhöhung nur der Anfang einer grösseren Offensive der Homegate- und Immoscout24-Besitzerin ist, ihre Ertragsbasis «noch einmal sehr deutlich» auszubauen. Damit liegt er richtig.
Adressen gegen einen Anteil der Provision
Die SMG betreibt seit vergangenem Jahr eine Website namens getyourleads.ch, die darauf abzielt, den Maklern sogenannte Leads zu verkaufen oder einen Anteil an ihrer Provision zu erhalten.
Bei Leads handelt es sich um verifizierte Adressen von Homegate- oder Immoscout24-Nutzern, die mit grosser Wahrscheinlichkeit am Verkauf ihrer Immobilie interessiert sind. Entweder, weil sie dies auf einer der beiden Websites explizit so angegeben haben, ihre Immobilie auf einer der Plattformen bewerten liessen oder weil sie aufgrund ihres Surfverhaltens mit einer erheblichen Wahrscheinlichkeit an einer Transaktion interessiert sein dürften. Die Makler können diese Adressen erwerben oder sie liefern bei einem erfolgreichen Verkauf einen Teil ihrer Provision an die SMG ab.
Ein Sprecher bestätigt dies auf Anfrage der NZZ: Makler hätten seit einiger Zeit die Möglichkeit, von der SMG «teilweise sehr aufwendig qualifizierte Leads» von verkaufswilligen Immobilienbesitzern zu beziehen. «Dieses noch junge Produkt unterstützt die Makler bei der Akquise neuer Objekte für ihr Maklergeschäft und hilft ihnen bei der Erwirtschaftung zusätzlicher Umsätze.» Die SMG teste das Produkt seit letztem Jahr am Markt und entwickle es stetig weiter.
Die Marktführer bei den Immobilienportalen in den Vereinigten Staaten und in Deutschland praktizieren das Leads-Modell schon seit Jahren. Kommt es dort zum Abschluss einer Transaktion, ist der Makler dem Immobilienportal 30 bis 40 Prozent der Provision schuldig.
Die SMG selbst gibt keine Zahlen über die Höhe der Provisionsbeteiligung bekannt. Klar ist allerdings: Es geht nicht mehr um einige Tausend Franken pro Monat für ein Inserateabo, sondern potenziell um über zehntausend Franken pro Transaktion. «Wenn sich dieses Modell in der Schweiz durchsetzt, sind wir bald die Uber-Fahrer der Immobilienbranche. Also reine Gehilfen des Marktplatzes, die nicht mehr über die Konditionen eines Immobilienverkaufs entscheiden», sagt Ginesta.
Ziemlich beste Feinde
Aus Sicht der SMG ist das Vorpreschen in der Wertschöpfungskette des Immobilienmarkts allerdings logisch: Schon bei der Gründung lautete eines der Ziele der Aktionäre, die Gesellschaft eines Tages an die Börse zu bringen. Durch Preiserhöhungen bei Inseraten und Perspektiven auf noch ertragreichere Geschäftsmodelle wie den Verkauf von Leads steigen die Erfolgsaussichten bei einem Börsengang.
Ein Risiko für die SMG besteht darin, dass ihr dereinst der Preisüberwacher oder auch die Wettbewerbskommission (Weko) zu Leibe rücken könnten. Letztere ist bisher nicht aktiv geworden, weil der absolute Umsatz der SMG unter 500 Millionen Franken jährlich liegt. Der Preisüberwacher Stefan Meierhans teilte am Freitag gegenüber CH Media aber mit, dass er in Zusammenhang mit den Preiserhöhungen verschiedene Abklärungen eröffnet habe.
Für die Makler stellt sich derweil die Frage, ob die SMG tatsächlich das grösste aller Übel ist. Ringier und die TX Group erklärten beim Zusammenschluss ihrer Portale – zur Gruppe gehören neben Homegate und Immoscout24 auch Autoscout und Ricardo –, dass es darum gehe, grosse ausländische Wettbewerber und Tech-Konzerne vom Schweizer Markt fernzuhalten. Ein Beobachter bezeichnet die Makler und die SMG-Portale denn auch als «Frenemies» (Freundfeinde) mit gemeinsamen strategischen Interessen: Sie sind Kontrahenten – aber ohne einander geht es auch nicht.