Ein Vorstoss zur Reduktion der Bundesratsprivilegien hat am Montag eine alte Frage neu befeuert: Bekommen die Regierungsmitglieder zu viel?
Wer raschen Applaus beim breiten Publikum und bei den Populärmedien will, schiesst am besten auf die hohen Löhne in den Chefetagen. Besonders gerne ins Fettnäpfchen setzen sich die Spitzenmanager der grossen Banken und Pharmakonzerne. Dass Sergio Ermotti als Chef der mutmasslich «staatsnahen» (weil mit Staatsgarantie gesegneten) Bank UBS 2023 für neun Monate Arbeit Vergütungen für über 14 Millionen Franken erhielt, sorgte jüngst für breites Kopfschütteln – und nicht für mehr Verständnis zugunsten einer «sanften» Regulierung der verbliebenen Schweizer Grossbank.
Auch eher staatsnah ist der Pharmakonzern Novartis, dessen Erträge in manchen Ländern von staatlich festgesetzten Medikamentenpreisen abhängen. Die letztjährige Entlöhnung von über 16 Millionen Franken für den Novartis-Chef Vas Narasimhan war ebenfalls ein Steilpass für Kritiker und hat das Verständnis für hohe Medikamentenpreise nicht gefördert.
Im Vergleich zu den Überfliegern globaler Konzerne wird der Bundesrat bescheiden entlohnt. Heuer erhalten die Regierungsmitglieder einen Jahreslohn von 472 958 Franken – gut fünfmal so viel wie der mittlere Jahreslohn für eine Vollzeitstelle in der Schweizer Volkswirtschaft. Daneben bekommen aber Bundesräte noch einige Privilegien, die zum Teil für Nasenrümpfen sorgen. Eine Motion von 2022 aus der SVP zu diesen Privilegien kam am Montag in den Nationalrat. Trotz dem Titel des Vorstosses («Reduktion der Bundesratsprivilegien») verlangte der Text vor allem eine Überprüfung und nicht zwingend eine Reduktion. Vorzusehen sei dabei auch ein Vergleich mit der Privatwirtschaft.
Renten, Abos, Chauffeur
Die Bundeskanzlei listet die finanziellen Privilegien für Bundesräte nebst dem Lohn auf: Spesenpauschale von jährlich 30 000 Franken; Anspruch bei einem Rücktritt nach mindestens vier Amtsjahren auf eine Jahresrente von der Hälfte des Jahreslohns; Gratis-Jahresabo für die SBB in der ersten Klasse; Gratis-Abo für Festnetz- und Mobiltelefon zulasten des Bundes; Anspruch auf ein Repräsentationsfahrzeug mit Chauffeur; zusätzlich ein Dienstfahrzeug für den persönlichen Gebrauch; Gratis-Abo von Seilbahnen Schweiz.
Das letztgenannte Privileg war offenbar zu viel. Nachdem Kritik an den «Gratis-Ski-Pässen» laut geworden war, kam der Bundesrat Ende März zum Schluss, dass «die Annahme von Dauerfreikarten der Seilbahnen Schweiz unter Umständen als Verstoss gegen das Verbot der Vorteilsannahme gewertet werden kann». Die Regierung verzichte deshalb ab 2025 auf dieses Privileg. Auch auf die Gratis-Nutzung der Theaterloge im Stadttheater Bern will der Bundesrat verzichten. Dieser Verzicht schien der Regierung leichtzufallen: Die Loge sei «kaum genutzt» worden.
Laut der Bundeskanzlei verwenden zurzeit fünf der sieben Regierungsmitglieder als Repräsentationsfahrzeug einen BMW, zwei benutzen einen Mercedes. Etwas mehr Vielfalt gibt es bei den persönlichen Dienstfahrzeugen: zweimal Volvo, einmal BMW, einmal Mazda, dreimal Gebrauch des Privatwagens oder Verzicht auf ein persönliches Dienstfahrzeug. Repräsentations- und Dienstfahrzeuge stehen den Bundesräten für Dienst- und Privatreisen zur Verfügung. Immerhin müssen Bundesräte bei den Dienstwagen einen Privatanteil von jährlich knapp 11 Prozent des Kaufpreises als Lohnbestandteil versteuern. Auch AHV-Beiträge fallen auf diesem Betrag an.
Offizieller Lohn mal zwei
Unter den Nebenleistungen für Bundesräte fällt der Rentenanspruch von zurzeit 236 000 Franken pro Jahr finanziell mit Abstand am meisten ins Gewicht. Die Idee der Rentenregelung: Bundesräte sollen in ihrer Amtszeit nicht durch finanzielle Sorgen im Hinblick auf die Zeit nach dem Abgang beeinflusst werden. Den hohen Rentenanspruch finanzieren die Bundesräte nicht mit eigenen Beiträgen, weshalb man den Anspruch zum Lohn addieren kann. Ein Zürcher Salärberater hat einst auf Basis der durchschnittlichen Amtsdauer von Bundesräten und der durchschnittlichen Restlebenserwartung nach dem Rücktritt vorgerechnet, dass Regierungsmitglieder ihren Jahreslohn durch den Rentenanspruch im Mittel faktisch etwas mehr als verdoppeln. Hochgerechnet auf heutige Löhne käme man somit auf einen Jahresverdienst von etwa einer Million Franken. Mit den anderen finanziellen Nebenleistungen gäbe dies wohl höchstens 1,1 Millionen Franken pro Jahr.
Ist das zu viel? Diese ewige Frage zu den Löhnen hängt vom Vergleichsmassstab und von den persönlichen Ansichten des Betrachters ab. Gängige Beurteilungskriterien für Managerlöhne sind etwa die Komplexität und Grösse des Betriebs, die konkrete Funktion der Betroffenen, das Lohnniveau von «ähnlichen» Branchen und das Lohnniveau von alternativen Tätigkeiten potenzieller Kandidaten.
Im Vergleich zu den Chefs grosser börsenkotierter Schweizer Konzerne verdienen Bundesräte wenig – und dies nicht nur gemessen an der UBS und Novartis. Laut einer Erhebung der Salärberatungsfirma HCM lag 2022 bei 17 grossen börsenkotierten Firmen in der Schweiz die mittlere Vergütung (Median) für den Chef bei rund 7,5 Millionen Franken; je die Hälfte verdiente mehr beziehungsweise weniger. Auch der Median von knapp 60 untersuchten mittelgrossen kotierten Firmen lag mit 1,4 Millionen Franken noch über dem Lohn der Bundesräte.
Auf Augenhöhe mit SBB-Chef
Auch der Chef der mehrheitlich in Bundeshänden liegenden Swisscom verdient mehr als Regierungsmitglieder. Ähnlich viel wie Bundesräte verdienen dagegen die Chefs der Staatsbetriebe Post und SBB sowie jene mancher kleinerer börsenkotierter Firmen (vgl. Grafik).
Jeder Bundesrat ist nur ein Siebtel der Regierung (spricht für tieferen Lohn im Vergleich zu Chefs grosser Privatfirmen). Die persönliche Exponierung der Bundesräte ist enorm hoch, Kritik gehört zum täglichen Geschäft, und das Privatleben ist stark eingeschränkt (spricht für höheren Lohn). Das aktuelle Lohnniveau und der Lohn möglicher Alternativen sind bei typischen potenziellen Bundesratskandidaten oft deutlich tiefer als bei typischen potenziellen Kandidaten für Chefposten in der Privatwirtschaft (spricht für tieferen Lohn). Das Bundesratsamt bringt hohen Status, Prestige und damit für entsprechend geneigte Personen einen grossen nichtfinanziellen Nutzen (spricht für tieferen Lohn). Bundesratslöhne sind politisch noch viel heikler als Cheflöhne in der Privatwirtschaft (spricht für tieferen Lohn). Es hat bisher nicht an Bundesratskandidaten gefehlt (spricht für tieferen Lohn). Ob es an fähigen Kandidaten fehlt, soll indes hier offenbleiben.
Unter dem Strich gibt es keine «richtige» oder «falsche» Antwort zur Lohnfrage, sondern nur verschiedene Meinungen. Der Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf: Er betrachte angesichts der Verantwortung des Amts und dessen Anforderungen an die Verfügbarkeit der Regierungsmitglieder die Bundesleistungen als angemessen. Der Nationalrat ist ihm am Montag gefolgt: Er lehnte den Vorstoss zur Überprüfung der Bundesratsprivilegien mit 98 Nein- zu 85 Ja-Stimmen ab.