Der Täter glaubte, er tue dem Land einen Dienst. Die Richterin fand, der 38-Jährige habe die Demokratie verraten.
Wer dachte, in den USA sei der gesamte Justizapparat gegen Donald Trump, wird zumindest in diesem Fall eines Besseren belehrt: Am Montag wurde der 38-jährige Charles Littlejohn zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. 2019 und 2020 hatte er, damals im Auftrag einer Beratungsfirma für die nationale Steuerbehörde IRS tätig, Steuererklärungen von Tausenden reicher Amerikaner gestohlen, darunter auch jene des damaligen Präsidenten Donald Trump.
Die «New York Times» und die Investigativplattform Pro Publica hatten 2020 wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl in mehreren Artikeln bekanntgemacht, dass Trump seit 2000 so gut wie keine Bundessteuern bezahlt hatte. Damit lieferten sie den Beweis dafür, was viele schon länger vermutet hatten: Trump ist nicht der reiche Tausendsassa, als den er sich verkauft, sondern vermeidet systematisch Steuern und frisiert seine Buchhaltung so, dass er am Ende vom Staat profitiert.
Es erstaunt deshalb nicht, dass die «New York Times» und Pro Publica das Urteil als «zu hart» kritisieren. Schliesslich sei Littlejohn ein Whistleblower, der der Öffentlichkeit geholfen habe, die finanziellen Verpflichtungen und Steuerstrategien des Präsidenten zu verstehen. Pro Publica argumentierte zudem, dass Whistleblower oft die Lebensader des investigativen Journalismus seien und deshalb Schutz vor Strafverfolgung verdienten.
Richterin sieht in der Tat nichts «Edles»
Die Richterin Ana Reyes war am Montag ganz anderer Meinung. Sie gab den Forderungen der Staatsanwaltschaft vollumfänglich statt und verhängte für Littlejohn das höchstmögliche Strafmass. Wie immer bei Urteilssprüchen zu politischen Fällen in den USA wurde auch dieses Mal erwähnt, wer Reyes zur Richterin berufen hatte: der demokratische Präsident Joe Biden.
Eigentlich sollte die Unparteilichkeit bei Richtern selbstverständlich sein. Doch wenn es um Trump geht, ist der Vorwurf der Parteilichkeit so gut wie immer im Gerichtssaal zugegen. Dies hat auch mit dem ehemaligen Präsidenten und wahrscheinlichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten selbst zu tun. Er bezeichnet sämtliche Gerichtsverfahren, in die er involviert ist, als Hexenjagd gegen ihn.
Reyes ist mit ihrem Urteil nun aus der Schusslinie. Sie zeigte sich gemäss Medienberichten erstaunt, dass die Staatsanwaltschaft Littlejohn lediglich eines einzigen Verbrechens beschuldigte, der unbefugten Offenlegung von Einkommenssteuern. Schliesslich habe er den damaligen Präsidenten gezielt ins Visier genommen und so dem Land geschadet. Denn wer es auf das Amt des Präsidenten abgesehen habe, ziele auf die Demokratie, sagte sie.
Die Tat plante Charles Littlejohn über Jahre
Trump habe, so die Richterin, wie alle Amerikaner ein Recht auf Privatsphäre. Amerikanische Präsidenten seien zudem nicht verpflichtet, ihre Steuerdaten offenzulegen, obwohl das seit den siebziger Jahren alle Präsidenten getan hätten. Die Presse behaupte, sagte Reyes, dass die Demokratie in der Dunkelheit sterbe. Sie bezog sich dabei auf den Slogan der «Washington Post» und fügte an: «Die Demokratie stirbt aber auch in der Gesetzlosigkeit.» Obwohl viele Littlejohn für einen Helden hielten, sehe sie in seiner Tat weder etwas Edles noch etwas Moralisches.
In den von Littlejohn gestohlenen Datensätzen befanden sich teilweise sehr heikle Informationen von rund 18 000 Privatpersonen und 600 Firmen, darunter Angaben zu Investitionen und Aktiengeschäften. Charles Littlejohn war gleich zu Beginn der Ermittlungen geständig und bekundete vor Gericht Reue. Laut den Gerichtsakten war er über die Tatsache erzürnt, dass Trump nicht wie seine Vorgänger mit seinen Steuerdaten herausrücken wollte. Auch habe er sich seit einer Weile mit der Einkommensungleichheit in den USA beschäftigt, die er zunehmend als ungerecht empfunden habe. Er war überzeugt, dem Land zu dienen, wenn er unter anderem Trumps Steuergeheimnis lüftete.
Littlejohn bekam die Höchststrafe von fünf Jahren auch deshalb, weil er sein Verbrechen von langer Hand geplant hatte. Er heuerte bei der Beratungsfirma Booz Allen Hamilton an, weil er wusste, dass die Firma im Mandatsverhältnis mit der Steuerbehörde IRS zusammenarbeitet. Er nahm die Stelle an in der Hoffnung, dereinst Einblick in die Steuererklärungen Trumps zu erhalten. Zwei Jahre nach Arbeitsbeginn fand er auch einen Weg, wie er die Daten aus dem Computersystem abziehen konnte, ohne dass dieses Alarm schlug.