Jede Woche kommen neue KI-Chatbots auf den Markt. Wir erklären Stärken, Schwächen, Eigenheiten und Preise der verschiedenen Modelle.
Chat-GPT: das Flaggschiff
Wer KI denkt, denkt Chat-GPT. Die Anwendung von Open AI aus dem Silicon Valley hat Chatbot-Assistenten vor zwei Jahren massentauglich gemacht.
Mittlerweile besteht Chat-GPT eigentlich aus zwei verschiedenen Produkten, die sich in ihren Möglichkeiten stark unterscheiden. Einerseits gibt es das Modell GPT-4o, eine «gewöhnliche» Chatbot-KI. Es kann das, was man von einem Sprachmodell erwartet. GPT-4o ist hervorragend darin, Text zu generieren, Dokumente zusammenzufassen, Daten zu interpretieren.
Andererseits gehört zu Chat-GPT das Modell o1. Es arbeitet anders, da es sich um ein sogenanntes «Reasoning-Modell» handelt. Diese Modelle bauen auf die Eingabe des Nutzers hin eine komplexe Gedankenkette. Dabei wirkt es so, als würde sich die KI Schritt für Schritt durch ein Problem denken. Tatsächlich ist es ein ständiges Selbstgespräch, in dem die KI immer wieder kontrolliert, was sie produziert. Am Ende steht ein Resultat, das meistens deutlich besser ist als jenes von GPT-4o. So kann o1 komplexere Aufgaben lösen. Dafür dauert es manchmal minutenlang bis zu einer Antwort. Entsprechend eignen sich die «Denkmodelle» wie o1 vor allem für schwierige Aufgaben wie Projektplanung oder komplexe technische Fragen.
Gemäss standardisierten Tests ist o1 das derzeit smarteste KI-Modell auf dem Konsumentenmarkt. Wer Zugang dazu will, muss 18 Franken pro Monat für das Abo Chat-GPT Plus bezahlen. Damit kann man GPT-4o eine grosse Anzahl Fragen pro Stunde stellen und erhält eine stark limitierte Nutzung von o1. Gratis gibt es nur sehr wenige Fragen für GPT-4o sowie freien Zugang zu einer schlechteren Version des Basismodells. Am Freitagabend veröffentlichte Open AI nun eine eingeschränkte Version ihres neusten «Denkmodells» o3. Erstmals stehen dabei einige Fragen pro Tag auch Gratisnutzern zur Verfügung.
Die Bezahlversion beinhaltet auch Zugriff auf einen beeindruckenden Live-Sprach- und Videomodus und erlaubt das Generieren von Bildern. Wer aber wirklich die volle Power von Chat-GPT will, muss tief in die Tasche greifen: Open AI bietet ein Pro-Abo für 180 Franken pro Monat an, das Zugriff auf ein noch intelligenteres Modell namens o1 pro und unlimitierte Fragen für o1 bietet.
Ein Problem für den Durchschnittsnutzer ist aber, dass die Antworten von Chat-GPT standardmässig meist einen wiedererkennbaren Stil haben, dem man die Künstlichkeit der Intelligenz anmerkt. Wirklich natürliche Schreibe schafft Chat-GPT nur dann, wenn der Nutzer dem Programm mit deutlichen Eingaben klarmacht, wie er den Text will, etwa indem er Beispiele mit eingibt. Doch diese zielgerichteten Aufforderungen, das sogenannte Prompting, brauchen etwas Erfahrung und Zeit – mehr als einige Nutzer haben.
Deepseek: der chinesische Newcomer
Der neue Konkurrent aus China bietet – komplett gratis – vieles von dem, was Chat-GPT kann. Das zeigt sich immer deutlicher. Für den Deepseek-Hype im Westen sorgt das neue «Denkmodell» R1. Es schneidet bei standardisierten Tests fast gleich gut ab wie das Flaggschiff-Produkt o1 von Open AI.
Das bestätigt sich in der Praxis. R1 löst komplexe Probleme mit Bravour. Im Unterschied zu o1 von Open AI zeigt das Deepseek-Produkt seine ganze Gedankenkette, mit allen Verirrungen und Selbstkorrekturen. Das bringt mehr Kontrolle. Wie beinahe alle KI-Chatbots kommt Deepseek auch mit Bildern, Dokumenten und anderen Dateien zurecht.
Theoretisch kann man das potente Modell auf der Deepseek-Website und in der App unbeschränkt gratis nutzen. Doch in der Praxis stösst man immer wieder an unsichtbare Wände. Die Server ächzen unter der Belastung des weltweiten Hypes. Oft melden sie technische Probleme und verweigern die Arbeit. Wenn eine Konversation zu lang wird, antwortet R1 manchmal auch einfach nicht mehr.
Der Nachteil des Angebots von Deepseek ist, dass die Nutzer-Eingaben in Rechenzentren in China landen. Damit unterstehen die Daten der Hoheit des chinesischen Staates, woran man bei der Eingabe stets denken sollte. Was damit letztlich passiert, ist unklar. Das gilt mindestens, wenn man das Modell über die Deepseek-Infrastruktur nutzt und nicht lokal betreibt, was aber Know-how erfordert.
Die Herkunft der KI ist spürbar. Fragen zum Tiananmen-Massaker oder zur Politik Xi Jinpings will das Deepseek-Produkt nicht beantworten. Manchmal schreibt R1 dazu auch lange Abhandlungen, die man kurz sehen kann, bevor es alles wieder löscht und mitteilt, zu dieser Frage könne es nichts sagen. Doch für den gewöhnlichen Nutzer ist das eher irrelevant, da er die KI wohl kaum ständig dafür benötigt, um über chinesische Politik zu chatten.
Claude: die KI mit Seele
Claude ist der Liebling der Nerds. Das Produkt von Anthropic stammt wie Chat-GPT aus San Francisco. Ausserhalb der KI-Bubble wird es aber kaum zur Kenntnis genommen. In der Schweiz wird etwa fast nicht danach gegoogelt, wie Statistiken zeigen.
Damit verpasst die breite Öffentlichkeit etwas. Denn bei den standardisierten Tests schneidet das Modell Claude 3.5 Sonnet oft besser ab als Chat-GPT-4o. Teilweise ist es bei komplexen Aufgaben ähnlich gut wie die «Denkmodelle» von Open AI und Deepseek. Obwohl Claude eigentlich nicht als Reasoning-Modell gilt und keine erkennbare Gedankenkette hat. Dennoch wird Claude besonders oft benutzt, um Computercode zu schreiben.
Ein grosses Plus von Claude ist, dass sich die Kommunikation der KI von allen verfügbaren Modellen mit Abstand am «menschlichsten» anfühlt. Soll Claude etwa eine einfache geschäftliche E-Mail generieren, ist das Resultat auch mit einer sehr simplen, wenig konkreten Eingabe sehr gut. Die E-Mail wird so, wie sie jemand schreiben würde, der sich seit Jahren im Büroumfeld bewegt. Die Resultate von Chat-GPT und Deepseek erinnern dagegen standardmässig eher an die Schreibe eines übermotivierten Praktikanten.
Gratis gibt es bei Claude nur wenige Nachrichten pro Tag. Das Plus-Abo kostet 18 Franken im Monat. Doch das grosse Manko von Claude macht sich auch damit schnell bemerkbar: Der Betreiber Anthropic verfügt offenbar über zu wenig Rechenkapazität. Wer Claude viel benutzt, wird trotz Abo ständig gedrosselt. Immer wieder poppt die Nachricht auf: «Keine Nachrichten mehr». Dann muss man stundenlang warten.
Perplexity: die Such-Expertin
Statt ein gesprächiger KI-Assistent zu sein, durchsucht Perplexity das Internet. Für viele hat die Such-KI Google ersetzt, mindestens bei komplizierten Fragen. Perplexity liefert stets Quellen für ihre Antworten und halluziniert weniger falsche Informationen als die Konkurrenz. Das Produkt ist aber stark auf die Online-Suche zugeschnitten. Für die Lösung komplexer Probleme eignet sich Perplexity weniger.
Wirklich nützlich wird die Such-KI in der Pro-Version, die 18 Franken pro Monat kostet. Dann kann man die Flaggschiff-Modelle von Chat-GPT, Deepseek und Claude innerhalb von Perplexity für die Suche nutzen. Sowohl einige der Chat-GPT-Modelle als auch Deepseek haben selbst Internetzugang und eine Such-Funktion. Doch Perplexity scheint die besseren Resultate zu liefern. Fünf solche Abfragen pro Tag erhalten bei Perplexity auch Gratisnutzer. Damit kann auch R1 von Deepseek genutzt werden, ohne Daten nach China zu senden, da Perplexity das Deepseek-Modell auf Computern in den USA betreibt.
Gemini: die mit dem guten Gedächtnis
Auch Google mischt im KI-Rennen mit. Das Produkt des Suchriesen mit dem Namen Gemini schneidet in den Tests ähnlich gut ab wie die Basismodelle von ChatGPT und Claude, teilweise sogar besser.
Besonders an Gemini ist, dass es stark mit anderen Google-Diensten verknüpft ist. So kann die KI E-Mails aus dem Gmail-Postfach zusammenfassen, Orte auf Google Maps suchen und Dokumente aus der eigenen Google Drive auslesen.
Eine weitere Stärke der Google-KI ist, dass sie ein unheimlich gutes Gedächtnis hat. Sie kann in einer einzigen Konversation fünf- bis zehnmal so viele Informationen «im Kopf behalten» wie die Konkurrenz. Damit eignet sich Gemini besonders, um lange Dokumente, etwa PDF mit bis zu 1500 Seiten, zu verarbeiten.
Google bietet Gemini wie seine meisten Dienstleistungen gratis an. Doch wer die vollen Funktionen möchte, zahlt 17 Franken pro Monat. Gemini bietet wie Chat-GPT auch die Generierung von Bildern und einen Live-Sprachmodus an. In der Praxis scheint letzterer dem von Chat-GPT aber unterlegen.
Ein Artikel aus der «»