In den Swarovski Kristallwelten in Wattens in Tirol hat Anfang Mai 2025 eine immersive Installation von Chiharu Shiota eröffnet. Ein Gespräch mit der japanischen Künstlerin.
Chiharu Shiota, wofür steht der Titel «Crystallizing Identity» Ihrer neuen Arbeit in den Swarovski Kristallwelten?
Ich vergleiche meine Identitätsfindung gerne mit Meer- oder Salzwasser. Früher habe ich mich in Japan wie unfassbares, durchsichtiges Wasser gefühlt. Seitdem ich in Deutschland lebe, ist es verdunstet, und meine Identität ist in Form der zurückgebliebenen Salzkristalle fassbarer geworden: Ich kann mich nun deutlicher erkennen.
Neben dem Netzwerk aus roten Fäden stösst man in dieser Installation auch auf kristalline Abgüsse Ihrer Füsse und Hände. Weshalb?
Meine Füsse stehen zwar fest auf dem Boden, sind aber nicht mit meinem Körper, sondern mit etwas Grösserem verbunden, dem Universum. Ich hatte vor einigen Jahren zweimal Krebs und fühlte mich nach den Chemotherapien nicht mit meinem Körper verbunden. Dieses Erlebnis hat mich stark geprägt.
Was sind die wiederkehrenden Themen in Ihrer Arbeit?
Identität, Erinnerung und Verbindungen, die ich mit den Netzen aus Fäden darstelle.
Stimmt es, dass Sie ursprünglich Malerin werden wollten?
Ja, ich begann mit Malerei, war aber frustriert, dass meine Bilder nicht neu aussahen und so, als wären sie von jemand anderem. Als ich um die 22 Jahre alt war, begann ich dann, mit Fäden zu experimentieren, als ob ich mit ihnen zeichnen würde. Meine heutigen Installationen sind wie Malereien im Raum.
Ihre ersten Gedanken zu Swarovski?
Die Kristalle sind zu glänzend, zu schön. Kunst ist nicht nur Schönheit. Ich wollte etwas Tiefgründigeres schaffen. Die vielen miteinander verbundenen Fäden symbolisieren die Vernetzungen einer Person, nicht nur mit dem eigenen Körper, sondern auch mit anderen Menschen. Auch wenn man alleine für sich ist, steht man immer auch mit anderen Personen, mit der Natur, dem Universum in Verbindung.
Die mit Swarovski Kristallen verknüpften Fadennetze wurden in Shiotas Berliner Atelier angefertigt.
Was hat Sie überrascht oder beeindruckt, als Sie zum ersten Mal die Kristallwelten in Wattens besucht haben?
Ich war sehr beeindruckt, grossartige Arbeiten berühmter Namen wie Salvador Dalí, Yayoi Kusama oder James Turrell hier anzutreffen. Es war eine Herausforderung für mich, neben diesen grossen Künstlern einen eigenen Raum zu kreieren. Aber nun bin ich glücklich mit dem Ergebnis.
Im Überblick
Chiharu Shiota
1972 in Osaka geboren, wollte Shiota bereits als 12-Jährige Künstlerin werden. In Deutschland studierte sie Kunst, war Schülerin bei Rebecca Horn und Marina Abramovic. Heute lebt und arbeitet Shiota in Berlin. 2015 repräsentierte sie Japan an der 56. Biennale von Venedig, ebenfalls mit einer Installation aus einem roten Fadennetzwerk.
«Crystallizing Identity»
Anfang Mai wurde die neue Wunderkammer «Crystallizing Identity» von der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota eröffnet: Ein mit Kristallen verwobenes Netzwerk mündet in kristallinen Abgüssen der Füsse und Hände der Künstlerin. «Wir glauben häufig, unsere Erfahrungen seien isoliert, doch in Wirklichkeit sind wir untrennbar miteinander verbunden. Mich fasziniert diese Spannung: Wir leben in getrennten Körpern, teilen aber ein Universum des Denkens», sagt Chiharu Shiota.
Swarovski Kristallwelten
Die 1995 zum 100-Jahr-Jubiläum von Swarovski eröffnete Erlebniswelt, bestehend aus Park, Kunstmuseum, Shop und Restaurant, erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 7,5 Hektaren. Markenzeichen ist der von André Heller erdachte Riese: Der grün bewachsene Kopf, aus dessen Mund ein Wasserfall sprudelt, dient als Eingangspforte zu den Wunderkammern.
Adresse und Öffnungszeiten
Swarovski Kristallwelten, Kristallweltenstrasse 1, Wattens, Österreich.
Täglich von 9 bis 19 Uhr geöffnet; letzter Einlass 18 Uhr. Spielturm und Karussell im Garten sind täglich von 10 bis 18 Uhr offen.
Eintritt
24 Euro für Erwachsene, 8 Euro für Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 17 Jahren, gratis für Kinder bis 5 Jahre in Begleitung (mit Erwachsenenticket).