Vor allem staatliche Investitionen im verarbeitenden Gewerbe befeuerten das Wachstum im ersten Quartal. Die Handelspraktiken sorgen im Ausland für Kritik.
Chinas Wirtschaft ist überraschend gut ins neue Jahr gestartet. Zwischen Januar und März legte das Bruttoinlandprodukt im Jahresvergleich um 5,3 Prozent zu. Vom Datenlieferanten Wind befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Wachstum in Höhe von 4,9 Prozent gerechnet. Im Schlussquartal des vergangenen Jahres hatte das Wirtschaftswachstum bei 5,2 Prozent gelegen.
«Wir sind solide gestartet», sagte Sheng Laiyun, Vize-Direktor der Nationalen Statistikbehörde Chinas (NBS), bei der Vorlage der Zahlen am Dienstag in Peking. Das Wachstum während des ersten Quartals bilde eine gute Grundlage für das Gesamtjahr, so Sheng weiter. Die chinesische Regierung hat für das laufende Jahr ein Wachstumsziel von fünf Prozent ausgegeben.
Weil sich der Immobiliensektor weiterhin im freien Fall befindet, lenken Chinas Wirtschaftsplaner jetzt in grossem Stil Ressourcen in die verarbeitende Industrie, um das Wachstum zu stützen. «Abteilungen auf lokaler Ebene» hätten während der vergangenen Monate grosse Anstrengungen unternommen, um für Dynamik zu sorgen, sagte Sheng. Die Investitionen in der Industrie stiegen zwischen Januar und März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast zehn Prozent.
China stützt unter anderem die Fertigung von Elektroautos, Solarmodulen und Turbinen für Windkraftanlagen. Die Unternehmen des Landes exportieren ihre Produkte nach Europa und die USA, eine Praxis, die dort zunehmend Missbilligung hervorruft.
China flutet die globalen Märkte
Die US-Finanzministerin Janet Yellen hatte bei ihrem China-Besuch in der vergangenen Woche deutliche Kritik geäussert. China flute die globalen Märkte mit Gütern aus einer subventionierten Fertigung, sagte Yellen, und das gefährde amerikanische Unternehmen und Arbeitsplätze.
Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sprach Chinas Handelspraktiken bei seinem Treffen mit Staats- und Parteichef Xi Jinping am Dienstag an. Die Europäische Union hat inzwischen für mehrere Produktgruppen Anti-Dumping-Prüfungen aufgenommen oder angekündigt.
Gestützt von staatlichen Hilfen wuchs Chinas Industrieproduktion zwischen Januar und Februar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sieben Prozent. Im März liess die Dynamik aber bereist wieder nach; der Zuwachs bei der Industrieproduktion betrug nur noch 4,5 Prozent.
Ähnliches gilt für die Umsätze im Detailhandel. Diese kletterten im Januar und Februar um 5,5 Prozent, im März betrug das Plus dagegen nur noch 3,1 Prozent, und der Abwärtstrend scheint sich fortzusetzen. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Reisen lagen während der Feiertags-Saison Anfang April inflationsbereinigt immer noch deutlich unter Vor-Pandemie-Niveau.
Überall müssen Hotels und Läden schliessen
Viele Chinesinnen und Chinesen haben durch den Immobiliencrash sowie durch den Abschwung an den Aktienmärkten viel Geld verloren und halten sich mit Ausgaben zurück. Die Konsumflaute ist inzwischen auch in den grossen Städten deutlich sichtbar. Viele Hotels, vor allem im oberen Preissegment, müssen schliessen, überall stehen Ladenlokale zum Verkauf oder zur Vermietung.
Ein Ende der Krise am Immobilienmarkt ist offenbar nicht in Sicht. Die Verkäufe von Neubauwohnungen schrumpften zwischen Januar und März im Jahresvergleich um kräftige 30,7 Prozent. Mehrere Immobilienfirmen mussten inzwischen aufgeben, und wer den Absturz bisher überlebt hat, investiert nicht mehr. Die Investitionen im Immobiliensektor fielen im ersten Quartal um 9,5 Prozent Prozent. Dabei war bereits das erste Quartal des vergangenen Jahres extrem schwach.
Nicht nur die nicht endende Krise am Immobilienmarkt treibt Chinas Machthabern derzeit die Schweissperlen auf die Stirn. Sorge bereitet Peking auch die Aktivitäten des Westens, mit denen sich dieser gegen chinesische Billigexporte zur Wehr setzen will. Die Regierung weiss, dass die Wirtschaft des Landes trotz der vielversprechenden Wachstumszahlen für das erste Quartal noch längst nicht über den Berg ist.
Kein solides Fundament
«Das externe Umfeld wird zunehmend komplex, unsicher und ernst», sagte NBS-Vize Sheng am Dienstag und fügte hinzu: «Das Fundament für wirtschaftliche Stabilität ist noch nicht solide.»
Das zeigte sich auch an den Handelszahlen für den März. Waren Chinas Ausfuhren im Januar und Februar noch um mehr als sieben Prozent gestiegen, stürzten die im März regelrecht ab. Im Vergleich zum März 2023 stand ein Minus von 7,5 Prozent zu Buche. Die Exporte in die EU und die USA fielen um satte 15 beziehungsweise 16 Prozent.
Private Analysten sind mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Monaten denn auch äusserst skeptisch. Die «Die Bedingungen für die Nachfrage im Ausland blieben unvorhersagbar tückisch», schreiben die Experten von Oxford Economics in Hongkong.
Im laufenden Quartal werde sich Chinas Wachstum deshalb abschwächen. Für das Gesamtjahr rechnet Oxford Economics mit einem Zuwachs des Bruttoinlandprodukt in Höhe von 4,7 Prozent. Damit würde China sein Ziel von fünf Prozent verfehlen.