Seit zwölf Jahren verhandeln die drei Staaten über ein Freihandelsabkommen. Dank Trump geht es nun voran, doch die Amtsenthebung des koreanischen Präsidenten könnte zum Problem werden.
Die Nachricht von der Amtsenthebung des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol verbreitete sich am Freitag in Seoul rasend schnell. Vor seiner Residenz schrien einige Anhänger nach dem Urteil die Wut aus sich heraus. Andere schluchzten. Unter die Tausende von Yoon-Getreuen hatten sich auch Verkäufer von Devotionalien gemischt. Auf ihren Tischen waren amerikanische und südkoreanische Fahnen ausgelegt, durch die die Yoon-Anhänger ihren Patriotismus und die Nähe zum amerikanischen Bündnispartner ausdrückten.
Die Loyalitätsbekundungen wirkten an diesem Freitagmorgen anachronistisch, denn der amerikanische Präsident Donald Trump hatte tags zuvor im Rosengarten des Weissen Hauses gezeigt, was er von Bündnispartnern wie Südkorea hält: wenig bis nichts.
Auf die Einfuhren aus Südkorea erhebt Amerika künftig einen Zoll von 25 Prozent. Diese Massnahme trifft Südkoreas Politik zur falschen Zeit und die Wirtschaft hart.
Die südkoreanische Politik ist handlungsunfähig
Nach der Amtsenthebung Yoons ist das Land politisch führungslos. Wer soll nun mit Trump verhandeln? Erst am 3. Juni wählen die Südkoreaner ein neues Staatsoberhaupt. Bis sich die Regierung gefunden haben wird, werden Wochen verstreichen, ohne dass Seoul aktiv werden kann.
Die Zölle bringen die exportorientierte Wirtschaft in Bedrängnis. Im vergangenen Jahr beliefen sich Südkoreas Exporte auf insgesamt 683,8 Milliarden Dollar. Wichtigster Absatzmarkt ist China, in das die südkoreanischen Firmen für 133 Milliarden Dollar Waren ausführten. In der Rangliste der wichtigsten Exportdestinationen folgt Amerika mit einem Volumen von 127,8 Milliarden Dollar.
Ökonomen der Hana Bank schätzen, dass die Ausfuhren nach Amerika wegen der Zölle um 13 Prozent einbrechen könnten. Und in dieser Prognose sind die Folgen einer Rezession als Folge der aggressiven Handelspolitik Trumps noch nicht enthalten.
Die Zusicherung des südkoreanischen Konzerns Hyundai Ende März, bis zu 21 Milliarden Dollar in Amerika zu investieren, stimmte Trump wohl nicht gnädig. Hart trifft südkoreanische Firmen wie Samsung und LG zudem der Zoll von 46 Prozent auf Exporte aus Vietnam. So hat allein Samsung in der «China plus 1»-Strategie bisher 23,2 Milliarden Dollar in dem südostasiatischen Land investiert und von dort im vergangenen Jahr Waren im Wert von 54,4 Milliarden Dollar exportiert.
Yoon Suk Yeol geht als Gescheiterter in die Geschichte ein
Die nicht einmal drei Jahre Yoons im Präsidentenpalast werden als eine Amtszeit des Scheiterns in die Geschichtsbücher eingehen. Südkoreas Gesellschaft ist gespaltener denn je. Und Yoon versagte auch bei der Aussenpolitik.
Angetreten war er mit dem Ziel, die bisherige «strategische Zweideutigkeit», die eine Absicherung gegenüber Amerika und China umfasste, durch eine «strategische Klarheit» zu ersetzen. Yoon distanzierte sich von China, diente dem einstigen amerikanischen Präsidenten Joe Biden an und suchte die Aussöhnung mit Japan. Vor dem Gipfel der amerikanischen, japanischen und südkoreanischen Staatsoberhäupter im August 2023 in Camp David hatte das Präsidialamt Yoons gar eine historische Zeitenwende in der sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit der drei Länder angekündigt.
Geblieben ist von all dem nichts.
Seoul und Tokio orientieren sich neu
Amerikas Aussenminister Marco Rubio hatte bei einem Treffen mit seinen japanischen und südkoreanischen Amtskollegen am Donnerstag vergangener Woche in Brüssel zwar nochmals ein Bekenntnis zur Verteidigung der beiden ostasiatischen Länder im Kriegsfall gegeben. Zur künftigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Japan und Südkorea schwieg er sich jedoch aus.
Evan Feigenbaum von der Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace mahnte denn auch, dass Amerikas Einfluss in Asien schwinden werde. Die Vereinigten Staaten würden zu einem Sicherheitsdienstleister, der dort mit Schiffen und Flugzeugen präsent sei, während sich die Region um andere Dinge kümmere, die für sie wichtiger seien, schreibt er. Feigenbaum spielt damit auf die immense wirtschaftliche Bedeutung des Indopazifiks an.
Seoul und Tokio orientieren sich neu. Bereits im März trafen sich die Aussenminister Chinas, Japans und Südkoreas in Tokio. Wenige Tage später kamen die Handelsminister der drei Länder in Seoul zusammen. Zwischen China, Japan und Südkorea gibt es zwar etliche Reibungsflächen wie den territorialen Streit um unbewohnte Inseln. Auch sind die Wunden des japanischen Kolonialismus, der bis 1945 andauerte, noch nicht verheilt.
Doch die drei Länder werden die Gespräche über ein trilaterales Freihandelsabkommen, die vor zwölf Jahren begonnen hatten, nun forcieren, wie Chinas Aussenminister Wang Yi nach dem Treffen in Tokio betonte: «Wir sind übereingekommen, die regionale wirtschaftliche Integration, einschliesslich der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen, voranzutreiben.»
Zwang statt Anziehungskraft
Während Trump die bisherige Handelsordnung zerstört, entsteht in der indopazifischen Region ein neues System. 2018 trat das Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) in Kraft. An dem Freihandelsabkommen sind elf Länder aus dem Indopazifik beteiligt, darunter auch Japan.
Trumps Vorgänger Barack Obama hatte das Projekt entwickelt, um in der Region ein wirtschaftliches Gegengewicht zu China zu schaffen. Trump stieg während seiner ersten Amtszeit 2017 aus dem Abkommen aus. Ein Jahr später trat CPTPP dennoch in Kraft. 2021 bewarb sich China um eine Mitgliedschaft. Diese könnte durch Pekings Annäherung an das CPTPP-Mitglied Japan nun beschleunigt werden.
Zudem gibt es seit 2022 die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP). Dieser gehörten neben den zehn Ländern der Vereinigung südostasiatischer Länder (Asean) auch Australien, Neuseeland, China, Japan und Südkorea an. Inzwischen gibt es erste Gedankenspiele, die beiden Freihandelszonen CPTPP und RCEP zu vereinen.
In der Vergangenheit basierte der Einfluss Washingtons in Asien auf der Anziehungskraft des amerikanischen Modells. Diese Zeiten sind spätestens seit Trumps «Befreiungstag» vorbei. Mit Zwang verprellt er die Asiaten und scheint sie nun trotz allen Feindseligkeiten zu vereinen.