Peking versucht mit Verlockungen und Drohungen, die letzten diplomatischen Alliierten Taiwans abspenstig zu machen. Für Palaus Präsidenten, Surangel Whipps Jr., ist das trotz dem wirtschaftlichen Potenzial keine Option.
Nur noch zwölf Länder haben offizielle diplomatische Beziehungen mit Taiwan. Eines davon ist Palau, eine kleine Inselnation mit rund 15 000 Einwohnern im westlichen Pazifik. Diese Beziehungen werden von Taipeh bei jeder Gelegenheit zelebriert: So war Präsident Surangel Whipps Jr. Ehrengast an der Inauguration des neuen taiwanischen Präsidenten Lai Ching-te.
Palau erlangte erst vor dreissig Jahren seine Unabhängigkeit. Mit der letzten Kolonialmacht, den USA, ist das Land heute eng verbunden. Gemäss dem sogenannten Compact of Free Association, kurz Cofa, übernimmt Washington die Verteidigung Palaus und darf Truppen im Land stationieren und palauische Bürger rekrutieren. Dafür erhält Palau eine finanzielle Entschädigung. Zudem können seine Bürger ohne Formalitäten in den USA arbeiten und studieren.
Präsident Whipps, warum ist Taiwan für Palau wichtig?
Palau ist seit 30 Jahren unabhängig, und wir haben seit 25 Jahren Beziehungen zu Taiwan. Wir teilen gemeinsame Werte wie Demokratie und Freiheit. Wir finden, dass alle Menschen auf dieser Welt eine Stimme haben sollten. Darum setzen wir uns in der Uno dafür ein, dass die 23 Millionen Einwohner von Taiwan repräsentiert sein sollen.
Mit Palau anerkennen nur noch zwölf Länder Taipeh, alle andern haben sich früher oder später Peking zugewandt. Warum bleiben Sie standhaft?
Es ist wichtiger denn je, dass wir zu Taiwan stehen. Wir wollen Frieden und Stabilität. Als kleines Land müssen wir uns mit Ländern zusammentun, die diese Werte teilen. Darum haben wir eine enge Verteidigungspartnerschaft mit den USA.
China versucht die letzten diplomatischen Alliierten Taiwans auf seine Seite zu ziehen. Spüren Sie Druckversuche?
Ja. So tauchen immer wieder chinesische Forschungsschiffe in unserer exklusiven Wirtschaftszone auf und vermessen den Seegrund. Laut dem Seerecht benötigen sie dazu unsere Zustimmung – doch sie kümmern sich nicht darum. Wir sehen auch, wie China unseren Nachbarn, die Philippinen, im Südchinesischen Meer bedrängt.
Gibt es auch Versprechungen?
Natürlich. 2016 besuchten 100 000 chinesische Touristen Palau – und machten damit weit mehr als die Hälfte der Besucher aus. Als wir unsere diplomatischen Beziehungen mit Taiwan dennoch nicht abbrachen, wurde der Touristenstrom stark reduziert. Das traf unsere Wirtschaft empfindlich. Jetzt versprechen sie uns wieder das Blaue vom Himmel: «Wenn ihr Beziehungen zu uns aufnehmt, füllen wir jedes einzelne Hotelbett mit chinesischen Touristen.»
Und das wollen Sie nicht?
Es geht ums Prinzip. Wir haben mit dem taiwanischen Volk eine Freundschaft, die wir sehr schätzen. Taiwan hat uns schon vor unserer Unabhängigkeit geholfen, mit landwirtschaftlichen Projekten. Und auch in der Covid-Pandemie half uns Taiwan sehr. Und bei allen chinesischen Versprechungen: Es gibt auch taiwanische Investitionen in Palau, vor allem im Tourismus.
Gleichzeitig investieren immer mehr Chinesen in Palau . . .
Richtig. Leider haben wir immer wieder Fälle, wo chinesische Investoren ihre Versprechen nicht einhalten. Etwa, indem sie Projekte nicht umsetzen oder Gebäude nicht fertigstellen. Diese Bauruinen verschandeln dann unser Land.
Was kann Palau dagegen tun?
Es gibt natürlich chinesische Investoren, die diesen Namen verdienen. Diese sind willkommen bei uns. Aber gewisse chinesische «Investoren» sind wohl nicht aus geschäftlichen Gründen hier. Es könnte sein, dass sie von ihrer Regierung beeinflusst sind. Wir müssen sicherstellen, dass wir die ehrlichen Investoren anziehen. Denn wir glauben an die freie Marktwirtschaft.
Palau hatte auch schon Probleme mit chinesischen Kriminellen. Vor vier Jahren wurden 165 Chinesen verhaftet, die von Palau aus Websites für illegales Glücksspiel betrieben. Das sind weit mehr, als Ihr Land Gefängnisplätze hat. Wie kommen Sie mit Ihren beschränkten Ressourcen gegen solche Machenschaften an?
Wir brauchen die Hilfe unserer Partner, wie der USA. Und Taiwan kann uns auch helfen – chinesische Sprachkenntnisse sind bei der Bekämpfung chinesischer krimineller Organisationen sehr hilfreich. Wir führen jetzt biometrische Kontrollen an unserem Flughafen ein, um besser zu überwachen, wer ins Land kommt. Und wir sind vor kurzem Interpol beigetreten, da diese kriminellen Organisationen international tätig sind.
Palau ist mit dem Compact of Free Association mit den USA verbunden. Dieser Vertrag wurde soeben verlängert. Doch der Streit im Kongress verzögerte die Finanzierung über Monate. Was löst das bei Ihnen aus, wenn Ihre Schutzmacht ihren Verpflichtungen nicht nachkommt?
Natürlich löst das gewisse Zweifel aus. Wenn man ein Abkommen schliesst, muss man den Verpflichtungen nachkommen. Aber wir verstehen, dass Demokratien nicht immer so effizient arbeiten, wie autokratische Regime das tun. Manchmal braucht es halt eine Debatte – nun stellen wir erfreut fest, dass Demokraten wie Republikaner hinter dem Abkommen stehen.
Das Cofa-Abkommen ermöglicht den USA, Truppen in Palau zu stationieren. Gegenwärtig rehabilitieren die Amerikaner ein altes Flugfeld in Peleliu. Und sie bauen eine Radaranlage, mit der sie ein riesiges Gebiet überwachen können. Einzelne Stimmen auf Palau kritisieren, dass Ihr Land dadurch bei einem chinesisch-amerikanischen Krieg zur Zielscheibe wird.
Wir Palauer haben sehr gelitten im Zweiten Weltkrieg. Wir wollen sicher nicht, dass wir wieder in einen Krieg hineingezogen werden. Die militärische Präsenz der USA auf Palau wirkt abschreckend. Dies ist unser Schutz, ohne den wir wehrlos wären. Ich habe den Eindruck, dass China den Ländern im Pazifik weiszumachen versucht, dass die USA die Region militarisierten und so einen Konflikt provozierten. Ich sage das Gegenteil: Die USA sind unser Sicherheitsnetz.
Viele Palauer – wie Sie selber auch – sind in Guam, Hawaii oder auf dem amerikanischen Festland geboren. Oder sie ziehen dorthin für die Schulbildung und bessere berufliche Aussichten. Das Cofa-Abkommen macht das alles sehr einfach. Ist es nicht ein Problem für Palau, wenn so viele Leute wegziehen?
Ich selber bin ein Beispiel dafür, dass auch Leute zurückkommen. Aber es stimmt, dass viele wegziehen. Heute leben mehr als die Hälfte der registrierten Wählerinnen und Wähler ausserhalb des Landes.
Das ist also eine negative Seite des Abkommens . . .
Wir müssen einen palauischen Traum schaffen. Wir brauchen eine Wirtschaft, die Löhne bietet, die den Menschen einen guten Lebensstandard bieten und es ihnen ermöglicht, für ihre Familien zu sorgen.
Aber irgendwie ist es komisch: Die jungen Palauer ziehen in grosser Zahl ins Ausland. Und der heimische Tourismussektor muss Tausende von Gastarbeitern rekrutieren als Personal in den Hotels und Restaurants.
Es gibt einen fast unbegrenzten Nachschub an billigen Arbeitskräften, aus den Philippinen, aus Bangladesh. Wir müssen den Minimallohn erhöhen und dafür sorgen, dass dieser auch eingehalten wird. Dann bleiben mehr Palauer hier, und es besteht weniger Bedarf an ausländischen Arbeitern.
Viele junge Palauer verpflichten sich auch in den amerikanischen Streitkräften. Was macht das Militär so attraktiv?
Das Militär bietet eine hohe Jobsicherheit, eine Unterkunft, zu essen. Und wer den Dienst beendet, hat in den USA gute Berufsaussichten. Palau hat kein eigenes Militär, also sind die amerikanischen Streitkräfte auch unsere Streitkräfte. Wir versuchen aber Washington dazu zu bringen, dass die Soldaten ihren Dienst zum Teil in Palau absolvieren können. Und dass sie als Veteranen in Palau die gleichen Dienstleistungen erhalten, wie wenn sie in den USA lebten.
Wir haben viel über Militär und Konflikt gesprochen. Wie besorgt sind Sie, dass es zu einem Krieg kommt?
Wir müssen den Frieden und die Sicherheit im asiatisch-pazifischen Raum unbedingt erhalten: Das ist es, was die Region dynamisch und wohlhabend macht. Frieden an der Strasse von Taiwan ist nicht nur gut für den Rest der Welt, sondern auch für China selber. Peking muss mit dem Säbelrasseln aufhören. Das wird es nur tun, wenn wir eine glaubwürdige Abschreckung aufrechterhalten.