Donald Trump erhofft sich Milliardeneinnahmen aus ukrainischen Minen – doch wie realistisch ist das? Im Interview erklärt der Kiewer Ökonom Wolodimir Landa, weshalb das grösste Potenzial nicht bei den seltenen Erden liegt.
Herr Landa, Donald Trump vermittelt den Eindruck, dass mit einem Rohstoffabkommen zwischen der Ukraine und den USA auf einen Schlag Rohstoffe im Wert von Hunderten Milliarden Dollar gefördert werden könnten. Stimmt das?
Laut meinen eigenen Schätzungen von 2022 gibt es in der Ukraine Bodenschätze im Wert von insgesamt 14,8 Billionen Dollar. Diese Zahl bezieht sich auf bestehende Minen, aber auch auf Vorkommen, die unerschlossen sind. Ob diese auch abgebaut werden können, ist eine andere Frage. Zwei Drittel dieser Bestände sind Kohle und Eisenerz. Davon befindet sich rund die Hälfte entlang der Front oder in besetztem Gebiet.
Donald Trump geht es aber vor allem um die sogenannten seltenen Erden.
Davon hat er zumindest gesprochen. Ja, es gibt seltene Erden in der Ukraine, aber nicht im Überfluss. Als Beispiel: Wir verfügen über Scandium, das in Uranerz zu finden ist. Aber in einer Tonne ukrainischen Uranerzes befinden sich im Schnitt nur 105 Gramm Scandium. In chinesischen Erzen hingegen sind es 240 Gramm. Insgesamt dürfte es in der Ukraine etwa 1000 Tonnen Scandium geben. Es ist schlicht nicht praktikabel, dieses zu fördern. Darum glaube ich, dass es den USA nicht um seltene Erden geht, sondern um die sogenannten kritischen Mineralien.
Was versteht man darunter?
Das sind Rohstoffe, die für die Energiewende und moderne Technologien unabdingbar sind. Wofür sich Washington konkret interessiert, weiss man aber nicht so genau, weil das in den bisherigen Vertragsentwürfen nicht aufgelistet ist. Ich nehme an, dass die USA vor allem an Titan und Lithium interessiert sind, vielleicht auch an Graphit, Nickel oder Kobalt.
Und diese lassen sich einfacher fördern?
Die Titanindustrie in der Ukraine ist ziemlich weit entwickelt. Beim Lithium sieht es anders aus. Es gibt zwar Vorräte, aber sie werden noch nicht abgebaut. Es wird davon ausgegangen, dass die Ukraine nach Deutschland über die zweitgrössten Lithiumbestände Europas verfügt. Global gesehen ist das nicht viel. Aber wenn der Westen seine Abhängigkeit von China reduzieren will, könnten diese Bestände trotzdem wichtig sein.
Angenommen, ein Rohstoffabkommen mit den USA kommt zustande. Wie lange wird es dauern, bis die Förderung dieser Mineralien profitabel wird?
Das ist schwierig zu sagen und hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt vom Kriegsverlauf. Ein Waffenstillstand allein wird nicht ausreichen, um mit den nötigen Investitionen zu beginnen. Es wird Jahre dauern, bis überhaupt Erträge erzielt werden, und nochmals weitere Jahre, um Gewinne zu erzielen. Es braucht also einen Frieden mit robusten Sicherheitsgarantien.
Solche Garantien waren bisher aber in keinem einzigen Vertragsentwurf der Amerikaner enthalten. Vielmehr hat Washington für die Ukraine völlig inakzeptable Bedingungen gestellt. Wie ist es dazu gekommen?
Das Rohstoffabkommen war ja ursprünglich eine ukrainische Initiative, von der man sich Sicherheitsgarantien und Investitionen in den Wiederaufbau erhoffte. Doch was die Amerikaner vorgelegt haben, war kein Abkommen, sondern ein kolonialer Vertrag, in dem die Ukraine keinerlei Rechte gehabt und die Kontrolle über sämtliche Rohstoffe abgegeben hätte. Das alles gehört zur Trumpschen Verhandlungstaktik, in der Maximalforderungen gestellt werden, um dann möglichst viele Zugeständnisse zu erzielen.
Inzwischen hat es Fortschritte in den Verhandlungen gegeben. Vergangene Woche haben die Ukraine und die USA ein Memorandum zu dem geplanten Rohstoffabkommen unterzeichnet.
Es handelt sich lediglich um eine Absichtserklärung. Darin sind keine Details enthalten. Die eigentliche Arbeit ist noch nicht getan, alles muss noch vereinbart werden.
Trump sieht ein Rohstoffabkommen auch als Möglichkeit, sich die von den USA geleistete Militärhilfe zurückzahlen zu lassen. Dabei war diese von der Biden-Regierung als unentgeltlich deklariert worden.
Diese Forderung ist völlig inakzeptabel. Falls die geleistete Hilfe tatsächlich als Schulden deklariert werden soll, könnte das zum Kollaps nicht nur des ukrainischen, sondern des globalen Finanzsystems führen. Wenn jedes Land nun plötzlich seine Hilfsgelder an andere Staaten als Schulden betrachtet, hätte das unabsehbare Konsequenzen. Falls man sich aber darauf einigt, dass nur zukünftige Hilfeleistungen zurückbezahlt werden müssten, wäre das akzeptabel.
Zur Person
Wolodimir Landa
Als leitender Ökonom beim Kiewer Zentrum für ökonomische Strategie forscht Landa zum Potenzial der ukrainischen Wirtschaft und zum Bedarf für den Wiederaufbau des Landes. Davor arbeitete er als stellvertretender Chefredaktor bei Forbes Ukraine.
Wie sähe denn ein Abkommen aus, dem die Ukraine zustimmen könnte?
Das Hauptziel der Ukraine ist, diesen Krieg zu den bestmöglichen Konditionen zu beenden. Es ist uns bewusst, dass wir nicht mit gerechten Konditionen rechnen können. Gerecht wäre es, wenn Russland alle besetzten Territorien zurückgeben und seine Atomwaffen vernichten würde. Das wird natürlich nicht passieren.
Was wäre realistisch?
Ein Rohstoffabkommen kann nur funktionieren, wenn sowohl die Ukraine als auch die USA profitieren. Washington kann nicht einfach die Kontrolle über unseren Rohstoffsektor übernehmen und bestehende Rohstofffirmen enteignen. Damit würde ein Beitritt der Ukraine zur EU unmöglich. Wenn es aber darum geht, dass die USA und andere Staaten in künftige Rohstoffprojekte investieren, dass nur zukünftige Hilfen erstattet werden müssen und dass Teile der Erträge in den Wiederaufbau der Ukraine fliessen, bin ich optimistisch. Wenn das passiert, spielt es auch keine Rolle, ob die Investitionen wie vorgesehen nur zu 50 oder gar zu 100 Prozent aus dem Ausland kommen. Solange ein ausländischer Unternehmer Stellen schafft und Steuern in der Ukraine zahlt, ist das für uns ein positives Szenario.
Sie haben bereits erwähnt, dass sich ein grosser Teil der ukrainischen Rohstoffe in von Russland besetzten Gebieten befindet. Verfolgte Putin mit seiner Invasion auch ökonomisches Kalkül?
Ich glaube nicht, dass die ukrainischen Rohstoffe eine entscheidende Rolle spielten. Die Gründe für den Krieg sind historisch. Russland will ein Imperium sein. Und Imperien müssen wachsen, um zu überleben. Interessanterweise geht Putin immer dann gegen die Ukraine vor, wenn unser Bruttosozialprodukt die Schwelle von 200 Milliarden Dollar erreicht. Ein erstes Mal war das 2013 der Fall. Im Jahr darauf annektierte Russland die Krim. Das zweite Mal war 2021, wenig später begann der Krieg.
Dennoch ist die Ukraine auch ein wirtschaftlicher Konkurrent Russlands, gerade in der Landwirtschaft.
Russland ist vor allem von Öl und Gas abhängig. Die Einnahmen aus diesem Sektor sind grösser als die gesamte ukrainische Wirtschaft. Aber ja, es gibt Bereiche, wo wir Konkurrenten sind. Die Ukraine ist beispielsweise der weltweit grösste Produzent von Sonnenblumenöl. Nun haben uns die Russen einige Verarbeitungsanlagen für Sonnenblumen in der Südukraine gestohlen. Inzwischen haben sie die Ukraine in diesem Sektor fast überholt. Aber davon profitiert Russland wirtschaftlich kaum – denn es hat Milliarden für diesen Krieg aufgewendet.