Neue Technologie muss sich in ein altes Rechtssystem einfügen. Wie komplex das bisweilen ist, zeigt das Beispiel der automatischen Parkplatzerkennung.
Wer im Thurgauer Hauptort Frauenfeld einen Parkplatz sucht, muss nicht mehr ziellos um die Häuserzeilen kreisen, sondern kann auf einer App einsehen, wo es freie Plätze hat. Das ist dem Zürcher ETH-Spin-off Parquery zu verdanken. Die Firma nimmt im Zweiminutentakt Bilder der öffentlichen Parkplätze in der Innenstadt auf, analysiert diese mit einer automatisierten Bilderkennung und stellt freie Plätze auf einer Online-Karte dar.
Was nach einem einfachen und nützlichen Einsatz von maschinellem Lernen klingt, hat eine komplexe Abhandlung um Recht auf Privatsphäre im öffentlichen Raum nach sich gezogen. Denn Kameras in der Öffentlichkeit dürfen in der Regel keine Menschen erkennbar machen.
Unter welchen Auflagen eine automatische Erkennung von freien Parkplätzen dennoch zulässig ist, haben Universität und Kanton Zürich jüngst gemeinsam festgestellt: Erstens sollen Kameras in möglichst grosser Höhe platziert werden, damit der Winkel der Aufnahme so steil ist, dass kaum Details wie Gesichter aufgenommen werden. Zweitens soll die Auflösung der Bilder so schlecht sein, dass auch Nummernschilder unlesbar bleiben.
Drittens sollen Ausschnitte in den Bildern, die nicht für die Erkennung der Parkplätze benötigt werden, möglichst schon bei der Aufnahme unkenntlich gemacht werden, zum Beispiel mit einem Filter, der einen Teil des Bildes verschleiert. Viertens sollen die Bilder automatisch analysiert werden, ohne dass Verwaltungsangestellte oder andere Personen Zugang dazu erhalten. Und fünftens sollen sie sofort nach der Analyse gelöscht werden.
Parquery gewährleiste diese Massnahmen, sagt der Gründer und CEO Andrea Fossati, dessen Systeme inzwischen in über dreissig Ländern zum Einsatz kommen, in der Schweiz unter anderem auch in Murten, Montreux und Vevey.
Zürcher Innovation aus dem Sandkasten
Dass sie nun auch in Frauenfeld eingeführt wurden, ist einem Projekt des Kantons Zürich zu verdanken, der «KI-Sandbox». Unter diesem Schlagwort förderte der Kanton in den vergangenen zwei Jahren fünf Ideen, um intelligente Systeme in den Alltag zu integrieren, unter anderem einen selbstfahrender Rasenmäher für Fussballplätze, eine Korrektursoftware für den Primarschulunterricht und einen Sprachübersetzungsdienst für die kantonale Verwaltung.
Mit der «Sandbox» will man unter anderem gewährleisten, dass KI-Startups nicht an der Regulierung scheitern – und gleichzeitig geltendes Recht einhalten. «Es ist ein Austausch», sagt Raphael von Thiessen, Projektleiter der KI-Sandbox beim Kanton Zürich, «die Firmen bringen neue Ideen, und wir bringen ihnen Kontakte in die Verwaltung und Know-how zu Regulierung.»
Gerade beginnt ein neuer Förderzyklus. KI-Startups können beim Kanton bis Ende Mai ihre Ideen pitchen und erhalten, falls sie dafür ausgewählt werden, Zugang zu Rechtsexperten – ähnlich wie im Fall von Parquery in Frauenfeld.
Gefördertes Rasenmäher-Startup inzwischen in Konkurs gegangen
Dass die Unterstützung durch den Kanton Zürich aber nicht in jedem Fall zum Erfolg führt, zeigt das Startup Ronovatec. Es wollte einen selbstfahrenden Rasenmäher «für die professionelle Grünflächenbewirtschaftung» auf den Markt bringen. Die Firma ist inzwischen in Konkurs gegangen.
Offenbar, wie Raphael von Thiessen abseits der Medienkonferenz sagte, hat die rechtliche Abklärung des Kantons für die Firma ergeben, dass es dem autonomen Rasenmäher nicht erlaubt ist, ohne menschliche Steuerung vom einen Fussballplatz zum anderen zu fahren, falls er dafür einen öffentlichen Gehweg überqueren müsste. Und dass er trotz dem sehr spezifischen Einsatzgebiet eine Autonummer des Strassenverkehrsamts brauchte.
Das zeigt: Auch wenn bestehende Regeln im Hinblick auf manche neue Produkte wenig Sinn ergeben, können sie für Tech-Startups zum Problem werden. Sandkasten hin oder her.