Zwanzigtausend Elefanten aus Botswana bevölkern Deutschland: In ihrem satirischen Roman «Das Geschenk» spielt Gaea Schoeters die politischen Folgen einer kuriosen Einwanderungswelle durch.
Eines Morgens stehen sie da. Berliner Regierungsviertel statt Savanne: Elefanten am Ufer der Spree. Zwei Exemplare vergnügen sich im Wasser, und die Limousine des deutschen Kanzlers muss auf der Fahrt ins Amt vor einer ganzen Herde eine Notbremsung hinlegen. Die belgische Schriftstellerin Gaea Schoeters hat sich mit ihrem neuen Roman «Das Geschenk» etwas ausgedacht, was zwischen Dystopie und Satire schillert und dabei beachtliche Phantasie entwickelt.
Ein Was-wäre-wenn, das dennoch ganz nah an heutigen Realitäten entlanggeschrieben ist. Die Haltung westlicher Staaten gegenüber dem globalen Süden ist hier Thema und, in surrealer Überhöhung, die Migrationskrise. Der Merkel-Satz «Wir schaffen das!» kommt im Roman vor. Andere Anleihen aus der deutschen Nachrichtenlage gibt es auch.
Ein vergiftetes Präsent
Es war im Frühjahr 2024, als Mokgweetsi Masisi, der Präsident von Botswana, der «Bild»-Zeitung gegenüber einen Scherz machte. Wenn Deutschland ein damals geplantes Gesetz beschliesse und die Einfuhr von Jagdtrophäen beschränke, würde sich der afrikanische Staat gerne revanchieren und zwanzigtausend Elefanten nach Deutschland schicken. Dort müssten sie frei herumlaufen dürfen, wären aber wahrscheinlich nicht allzu gut gelaunt. «Das deutsche Wetter ist schlimm genug für sie», sagte Mokgweetsi Masisi der «Bild»-Zeitung. Aber sein Land habe viel zu viele Dickhäuter. Brächte der Tourismus keine Jäger aus dem Ausland mehr, würde die Population weiter wachsen und noch mehr Ackerland vernichten.
Für Schoeters war diese Zeitungsmeldung, die sie auf einer Fahrt mit der Deutschen Bahn las, fast schon ein fertiger Roman. Man musste die Sache nur in die eine oder andere Richtung ausfabulieren – das hat sie in «Das Geschenk» mit grosser Lust getan.
Mit einer Mischung aus Verwunderung und Verzweiflung steht Deutschlands fiktiver Kanzler Hans Christian Winkler an seinem Bürofenster und sieht die ersten Vorboten einer exotischen Invasion. Bald sind Wahlen, neue Probleme kann er nicht gebrauchen. Man weiss nicht, wo die Elefanten herkommen, und glaubt, es nur mit ein paar Exemplaren zu tun zu haben. Aber sie sind überall, wie sich bald herausstellt. Der Staatschef von Botswana zeigt sich in einem launigen Video-Call erfreut, dass sein Präsent das Ziel wohlbehalten erreicht hat.
Wie die klammheimliche Transportlogistik funktionieren konnte, unterschlägt der Roman, aber das darf er auch. Es ist ja eine Satire. Satirisch überspitzt ist hier alles, was mit der innenpolitischen Lage zu tun hat, und die eskaliert schnell. Im Kanzleramt muss ein Krisenteam zusammengestellt werden. Nach dem Vorbild seiner Vorgängerin entscheidet sich der Regierungschef für eine Willkommenskultur. Das possierliche Grosswild soll Emotionen schaffen, die seine Wiederwahl befördern.
Weil es im Pleistozän in Europa schon einmal Waldelefanten gegeben hat, wird die Losung ausgegeben, der Elefant gehöre zu Deutschland. Die rechtspopulistische Opposition frohlockt und hofft, mit der Behauptung Stimmen zu gewinnen, unberechenbare Migranten seien dem Kanzler wichtiger als die Bürger des Landes. Eine rasch eingesetzte Ministerin für Elefantenangelegenheiten geht die Sache recht forsch an und legt fest, welches deutsche Bundesland wie viele Dickhäuter aufnehmen muss. Die östlichen Bundesländer sind überdurchschnittlich betroffen, Bayern kann es sich wieder einmal richten.
Konkurrenz bringt Innovation
Gaea Schoeters transportiert mit ihrem Roman allerlei zoologisches Kollateralwissen. So erfährt man zum Beispiel, dass zwanzigtausend Elefanten mindestens die Fläche Brandenburgs benötigten, um artgerecht leben zu können. Weniger artgerecht sind die Versuche, die stolzen Tiere in das Leben der deutschen Hochkultur einzubinden. Bei einem Konzert des Cellisten Mischa Maisky sollen sie mittrompeten, fallen aber mit plötzlichen Zornesausbrüchen aus der Rolle. Vielleicht weil Maisky Hemdknöpfe aus Elfenbein trägt?
Mit ihrem Buch «Trophäe» hat Schoeters einen Afrika-Roman geschrieben, dessen Spiegelbild «Das Geschenk» ist. In «Trophäe» geht es um westliche Hobbyjäger, die in Kolonialherrenmanier in Wildtierkolonien einfallen und sich dort ein bisschen Spass gönnen. Es geht um eine invasive Art, wie es in Deutschland dann die Elefanten sind. Plumpe Mensch-Tier-Analogien, Analogien zwischen einem wachsenden «Dickhäuterdebakel» und den Migrationsdebatten stellt die Autorin nicht her. Ihre beherzt in alle Richtungen austeilende Satire kann aber auch schlichter gelesen werden, als sie es sich vielleicht selbst erhofft.
«Das Geschenk» ist eine Parabel auf Konkurrenzkulturen, und weil Konkurrenz manchmal auch Innovation mit sich bringt, läuft die Sache mit den Elefanten eine Zeitlang sogar ganz gut. Es stellt sich heraus, dass die Endverdauungsprodukte der Vierbeiner ausgezeichneten Dünger ergeben. Ein regierungsoffizieller «Kackeplan» entsteht. Deutschland hat unversehens wieder einen Exportschlager, die Wirtschaft brummt. Man stellt sich das Vergnügen vor, mit dem sich die 49-jährige Autorin, die auch noch Tochter eines Politikers ist, solche Dinge ausgemalt hat.
Ein vollends dystopisches Szenario gibt es am Ende auch noch. Die Tiere aus Afrika haben Pflanzensamen eingeschleppt, die Folgen werden nach und nach sichtbar. Das Land wird von einem Gewächs überwuchert, das sich ungemein schnell verbreitet. Der Staat verwildert genauso wie seine Sitten. «Zur Rettung des Rechtsstaates bin ich bereit, alles zu opfern, sogar den Rechtsstaat», so wird die Verzweiflung des fiktiven Kanzlers zitiert. Was die Elefanten betrifft, beschliesst man am Ende die bedingungslose Ausschaffung der Population und bringt sie in einen sicheren Drittstaat. Nach Rwanda.
Zu Gaea Schoeters’ Fiktion gab es vor über zwölfhundert Jahren ein Vorbild auf deutschem Boden. Ein weit weniger invasives allerdings. Damals schenkte der Bagdader Kalif Harun al-Raschid Kaiser Karl dem Grossen einen Elefanten, mit dem dieser dann stolz durch Aachen spazierte. Das Tier hiess Abul Abbas, zu Deutsch: «Vater der Falten». Neben diesem einen Exemplar sind Schoeters’ Dickhäuter wohl Väter der Sorgenfalten.
Gaea Schoeters: Das Geschenk. Roman. Aus dem Niederländischen von Lisa Mensing. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien 2025. 144 S., Fr. 32.90.