Hinter dem antipatriarchalen Highschool-Schwank steht die fulminante Tina Fey.
Gute Mädchen kommen in den Himmel. Böse Mädchen kommen überall hin. Der Gassenhauer des Postfeminismus gilt also noch. In «Mean Girls» sind die bösen Girls die intriganten, machtbewussten, aggressiven. Und sie haben jede Menge Spass an der narzisstischen Selbststeigerung. Warum nicht? Moderne junge Frauen begreifen die eigene Schönheit als Ressource, die sich im Geschlechterkampf bestens bewirtschaften lässt. Alles andere – Integrität, Bildung, Sozialgefühl – ist erst einmal zweitrangig.
Das schönste, fieseste, also «meanste» Girl der jüngeren Filmgeschichte ist Regina George. Regina, die Herrscherin. George wie die amerikanischen Präsidenten: George Washington, George W. Bush. Regina George trumpfte schon auf mit präsidialer Grandezza, als sie das erste Mal 2004 im Kino in Erscheinung trat.
«Mean Girls», geschrieben von der Comedian Tina Fey, zeigte, wie Ermächtigung im Zeichen machiavellistischer Bosheit aussehen konnte. Damals spielte Rachel Adams die bildschöne Highschool-Domina, die ihre Mädchen-Entourage quält und eine ganze Schule mit glamouröser Härte in Atem hält.
Blödmänner, Punks, Dauerkiffer
In der ebenfalls von Fey besorgten Neufassung ist es Reneé Rapp, eine exzellente Pop-Sängerin und Musical-Darstellerin, die aus dem toxischen Vollen schöpfen darf. Wieder ist der Spielort die Highschool. Es gibt die in zahllosen Hollywood-Schuldramen etablierten Cliquen. «Jocks», also sportliche Blödmänner. Band-Freaks, das heisst vor sich hin schrammelnde Rock- und Punk-Kids. Dauerkiffer (selbsterklärend), Streber (dito), Theaterspinner (Schüler, die von einer Broadway-Karriere träumen, also jener Karriere, die Rapp bereits absolviert hat).
Und die sogenannten «Plastics». Plastik ist seit den achtziger Jahren das Material, in das der Kapitalismus seine Glücksversprechen hüllt. Der Begriff wird dialektisch angewandt: einmal abwertend, im Sinne von billig, oberflächlich, bildungsfern und politisch inkorrekt. Aber auch als Chiffre für eine bewusste, den Kitsch moralischer Empfindsamkeit karikierende Oberflächlichkeit.
Regina George, die Herrscherin aller Klassen – damit sind sowohl Schuljahrgänge als auch soziale Milieus gemeint –, ist eine «Plastic». Gemeinsam mit ihren beiden «besties», das gängige Wort für beste Freundin, das sich mit minimaler Lautverschiebung zum «beast», zur Bestie, umwandeln lässt, knöpft sie sich die unbedarfte Cady (Angourie Rice) vor. Ein Mädchen vom Lande, neu auf der Schule. Natürlich verknallt sie sich in den supersüssen Mathekurs-Boy Aaron (Christopher Briney). Der ist allerdings für Regina reserviert. Oha.
Aber erst einmal muss die Neue ästhetisch optimiert werden. «Am Mittwoch tragen wir nur Rosa», lernt Cady. Und: «Wenn du dich nicht ‹slutty› zurechtmachst, dann ‹slutshamest› du uns!» «Mean Girls» ist in weiten Teilen eine Pygmalion-Geschichte mit Regina in der Rolle der Kultur- und Benimmvermittlerin und Cady als zu gestaltendem Nobody.
Schmissige Songs
Tina Fey gehört zur ersten Garde amerikanischer Comedy-Fachkräfte. Sie war Chef-Autorin bei «Saturday Night Live», der seit Jahrzehnten Humor-Massstäbe setzenden Sketch- und Unterhaltungsshow. Mit «30 Rock» schuf sie eine Sitcom, die hinter den Kulissen einer Sketch-Show spielte. Die Punchline-Dichte war verwirrend hoch, das Szenario selbstreflexiv an der Grenze zum Surrealen. In «Mean Girls» nun wird der schnelle, auf die Pointe zielende TV-Humor mit der grossen Geste des Musical-Dramas und den Looks der Clip-Ästhetik gekreuzt. Die Songs sind schmissig, die Darstellenden perfekt in ihrer Doppelrolle als Sänger und Handlungsakteure.
«Mean has never been this fun.» Bösesein hat noch nie so viel Spass gemacht, lautet der Slogan des Films. So buchstabiert sich der neuere Feminismus die Übernahme patriarchaler Machtkonventionen aus. Männer waren schon immer fies und rücksichtslos, wenn es um die Durchsetzung ihrer Interessen ging. Zeit, dass die Frauen sich diesen Erfolgsstil zu eigen machen.
Weil Filmerzählungen aber nicht ohne Konflikte auskommen, muss es einen moralischen Counterpart zur lustvoll ausgespielten Bosheit geben. Der neue «Mean Girls»-Film ist entsprechend wie der alte didaktisch. Das ist nicht schlimm: Ein bisschen sittliche Korrektur am Charakterprofil der Insta-Beautys kann nicht schaden. Böse Mädchen kommen überall hin, stimmt. Das heisst aber manchmal auch: ins soziale Aus, wenn die kosmetisch-zynische Eigenoptimierung ins Pathologische umschlägt.
So ist «Mean Girls» eine bunte Utopie zur Überwindung sozialer und habitueller Schieflagen. Regina, die Wohlstandsschönheit, und Cady, die bildungsbewusste Landpomeranze, ziehen letztlich am selben Strang, dessen anderes Ende eine männerdominierte Gesellschaft fest in Händen hält. Feminismus als Seilziehen zwischen den Geschlechtern.
Queeres Signal für Toleranz
Für Aufregung sorgte ein kurzer Moment im Trailer des Films. Da fordert Regina die Neue mit süffisantem Lächeln auf, zu ihr ins Auto zu steigen. «Get in the Car, loser!» ist mittlerweile ein durch die sozialen Netzwerke rauschendes Meme. Die Szene wird als queer-feministisches Signal für Toleranz und Offenheit interpretiert. Reneé Rapp selbst hat sich als bisexuell geoutet – ein biografisches Detail, das auf den Filmpart zurückwirkt und ihn mit weiteren Bedeutungen auflädt. Ist der Kampf zwischen Regina und Cady womöglich ein vertracktes romantisches Werben?
Das Schöne am Pop, egal ob musikalisch oder filmisch verfasst: Er ist ein Spielfeld für Projektionen und Auslegungen. Wie auch immer man «Mean Girls» sieht – als moralischen Kursus für Heranwachsende oder als tendenziell queere Demontage von Gender-Konventionen: Es ist ein gelungener Film für Spass auf die Schnelle.