Der Gürtel hält längst nicht mehr nur Kleidung an Ort und Stelle, sondern steht jetzt selbst im Mittelpunkt. Wie das einst funktionale Accessoire zum spannendsten Detail der Saison avanciert.
Lange Zeit war der Gürtel ein rein funktionales Element der Garderobe – gedacht, um Kleidung an Ort und Stelle zu halten. Auf den Runways für Spring/Summer 2025 tat er jedoch alles andere als das. Statt unauffällig seinen Zweck zu erfüllen, zog das Accessoire als reines Zierelement Blicke auf sich.
Prada etwa spielte stark mit neuen Styling-Varianten: Gürtel zierten hautenge Strickstrümpfe, blitzten als Layering-Element unter Chiffonkleidern hervor oder wurden als Detail auf Taschen inszeniert. Selbst Fake-Gürtel waren zu sehen: Trompe-l’Œil-Designs täuschten Gürtel an Hosen und Röcken vor, die es gar nicht gab. Sein Nutzen? Nebensache. Von funktional bleibt vor allem «fun» übrig.
Die neuen Styling-Varianten des Gürtels, gezeigt bei Prada.
Vom Statussymbol zum Stil-Statement
Seit der Bronzezeit begleitet der Gürtel die Menschheit. Anfangs diente er dazu, Gewänder zu fixieren, doch später wurde er mit Bedeutung aufgeladen. In der Antike kennzeichnete er soziale Ränge, im Mittelalter symbolisierte er Kraft, Macht und eheliche Treue. Während Adelshäuser mit prunkvollen Modellen aus Brokat und Samt ihren Status zur Schau stellten, nutzten Bürgerinnen und Bürger den Gürtel vor allem funktional – mit daran befestigten Almosentaschen, Besteck oder kleinen Werkzeugen. Im 16. Jahrhundert verschwand er weitgehend aus der sichtbaren Kleidung und wurde unter der obersten Rockschicht getragen.
Erst um 1900 feierte er ein modisches Comeback, insbesondere in Form kunstvoll verzierter Jugendstil-Gürtel, die bis heute begehrte Sammlerstücke sind. In der Herrenmode setzte sich der Gürtel erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wieder durch – als Alternative zu Hosenträgern.
Ein Jahrhundert später erkannten Designer sein ästhetisches Potenzial für die Damenmode: Diors «New Look» der Nachkriegszeit betonte die Taille mit schmalen Gürteln über voluminösen Röcken. Versace machte Ledergürtel mit goldenen Schnallen zum Markenzeichen der Supermodel-Ära der 1990er Jahre, und unter Alessandro Michele erlebte der Gucci-Gürtel mit GG-Logo-Schnalle ein massives Comeback und wurde zum Bestseller.
Die neuen Gürtel-Looks von den Laufstegen
Für die neue Saison bewiesen zahlreiche Labels, dass der Gürtel mehr kann, als nur Silhouetten zu formen. Jil Sander und Loewe präsentierten überlange, geknotete Gürtel, deren Enden bis zum Knie reichten. Bottega Veneta überraschte mit einer Gürtelschnalle in Hasenohren-Optik, während Bally mit skulpturalen Schnallendesigns Schmuck überflüssig machte. Michael Kors setzte mit einem Tipp-Ex-weissen Gürtel ein grafisches Statement zu einem monochromen Look in Schwarz. Auch XXL-Belts feierten ihr Comeback – etwa bei Vaquera, wo sie als dominantes Stilelement über der Kleidung getragen wurden.
Der Gürtel, mal verspielt und süss bei Bottega Veneta, mal mit Ösen und extrabreit bei Vaquera.
Layering ist in dieser Saison nicht nur bei Kleidung ein zentrales Thema, sondern auch beim Gürtel: Miu Miu kombinierte unterschiedliche Gürtelstile miteinander und zeigte, wie vielseitig das Accessoire eingesetzt werden kann. Mehrere detailverliebte Kettengürtel und breite Ledergürtel wurden übereinander gestylt – mal als markanter Taillengürtel über Mänteln, mal als expressives Detail auf tief sitzenden Röcken.
Prada und Moschino griffen den Trend auf und übertrugen ihn auf Taschen: Pradas «Buckle Bag» ist mit markanten Nietengürteln versehen, während Moschinos «Tie Me»-Bag aus einem schmalen, mehrfach gewundenen Gürtel besteht. Dass der Gürtel jetzt von Kopf bis Fuss getragen wird, zeigen auch Schuhtrends: Ann Demeulemeester schmückte Boots mit massiven Gürtelschnallen, während Ganni spitze Mules mit filigranen Gürteldetails versah.
Funktion oder pure Dekoration?
Die neuen Gürtel-Looks werfen die Frage auf, ob Mode überhaupt immer einem Zweck dienen muss. Wenn eine Hose auch ohne Gürtel sitzt – braucht sie dann noch einen? Die neuen Kollektionen zeigen, dass sich das Accessoire von seinem ursprünglichen Nutzen emanzipiert hat und nun das Outfit selbst in den Mittelpunkt rückt.
Während Gürtel lange Zeit als blosse Ergänzung oder Notwendigkeit galten, avancieren sie nun zum eigenständigen Mode-Statement. Dass ausgerechnet jetzt, in schwierigen und unsicheren Zeiten, der Gürtel als Statement-Piece zurückkehrt, ist eine spannende Entwicklung. Schliesslich steht das Sprichwort «den Gürtel enger schnallen» für Verzicht und Sparsamkeit – doch die Mode setzt in dieser Saison ein anderes Zeichen. Vielleicht, weil sie uns daran erinnert, dass sich alles irgendwann wieder lockert – der Gürtel inklusive.