Uganda hatte in den 1980er Jahren eine der höchsten HIV/Aids-Raten Afrikas. Dank amerikanischen Geldern wurde das tödliche Virus erfolgreich bekämpft. Trumps Angriff auf USAID stellt das infrage.
Penelope Kyarikunda sitzt im Wohnzimmer ihres kleinen Lehmhauses in einem Dorf in Uganda, ihren 3-jährigen Sohn auf dem Schoss. «Werden wir jetzt alle sterben?», fragt die 23-jährige Frau mit leiser Stimme. Die Frage treibt sie um, seit sie am 24. Januar im Radio gehört hat, dass der amerikanische Präsident Donald Trump alle Zahlungen der Entwicklungsagentur USAID für 90 Tage auf Eis gelegt hat. In dieser Zeit will Trump alle Ausgaben überprüfen lassen.
Zwar hat der Aussenminister Marco Rubio kurz darauf erklärt, lebensrettende Programme seien von dem abrupten Stopp der Hilfe ausgenommen, also vor allem Medikamente, medizinische Hilfe und Nahrungsmittelhilfe. Aber die Aussagen aus Washington waren so vage, dass in Uganda zum Beispiel niemand eine Vorstellung davon hat, wie sie auszulegen sind. Deshalb ruhen alle Tätigkeiten erst einmal weiter.
Kyarikunda weiss seit knapp drei Jahren, dass sie HIV-positiv ist. Sie hat sich testen lassen, nachdem das HI-Virus bei ihrem Sohn Sheldon nachgewiesen worden war. Der Junge war kränklich seit der Geburt, hatte häufig Fieberschübe, Hautprobleme, Magenschmerzen. Der positive Befund war für sie ein Schock.
Als sie dann auch noch erfuhr, dass sie selbst positiv war, sei sie in Panik geraten. Kyarikunda hatte Angst zu sterben, als Versorgerin ihres Sohnes auszufallen. Auf ihren Mann könne sie sich nicht verlassen, sagt sie. Er sei ebenfalls HIV-positiv und als Gelegenheitsarbeiter zudem tagelang auf der Suche nach Geld unterwegs.
Die Panik ist wieder da
Nach der ersten Verzweiflung, die Monate anhielt, habe sich die Lage wieder stabilisiert – vor allem dank amerikanischen Geldern und Medikamenten. Sie merkte, dass sie gesund und kräftig blieb, dass sie Gemüse anbauen und ihre kleine Bananenplantage pflegen konnte, dass sie es weiterhin schaffte, die schweren Kanister mit Trinkwasser nach Hause zu schleppen.
An diesem sonnigen Morgen liegen Mais und Hirse vor ihrem Haus zum Trocknen. Es ist der Ertrag ihrer jüngsten Ernte, alles selbst angebaut. «Jetzt ist die Panik wieder da», sagt die junge Frau, und äussert die Fragen, die sie nachts schlaflos halten: «Was ist, wenn die Krankheit ausbricht und ich nicht mehr die Kraft habe, mein Feld zu bestellen und Wasser zu schleppen? Was wird mein Sohn essen? Wovon werden wir leben?»
Die USA waren bisher in der Entwicklungszusammenarbeit weltweit mit Abstand das grösste Geberland. Als wichtiger Erfolg galt das Programm Pepfar, das der frühere amerikanische Präsident George W. Bush 2003 ins Leben rief. Durch Pepfar wurden nach Angaben der amerikanischen Regierung bis September 2023 weltweit 25 Millionen Menschenleben gerettet, vor allem in südlich der Sahara gelegenen Ländern. In Uganda deckte das Programm bis Ende Januar 2025 etwa 80 Prozent des HIV/Aids-Budgets ab. Die Aids-Epidemie wütete in Uganda in den 1980er Jahren besonders stark, in den Städten lag die Infektionsrate nach Schätzungen bei bis zu 30 Prozent. Seit den frühen 1990er Jahren ging sie kontinuierlich zurück, auf jetzt 5,1 Prozent laut Unaids.
Während des Gesprächs schmiegt sich Kyarikundas Sohn Sheldon an seine Mutter. «Seit wir von der Krankheit wissen, bekommt er Medikamente», erzählt die Mutter. «Sein Gesundheitszustand hat sich stabilisiert, er kann ganz normal leben.» Auch sie selbst nimmt seit drei Jahren ihre antiretrovirale Therapie, also Medikamente gegen HIV/Aids. Die Panik um ihr Leben und das ihrer Familie habe sie mit der Zeit verlassen, dank den Gesprächen und der Unterstützung durch einen Sozialarbeiter der ugandischen Hilfsorganisation Acord. Deren HIV-Programme wurden bisher durch die USA finanziert. Das machte fast 60 Prozent des Budgets der Organisation aus.
Auch Sozialarbeiter verlieren ihre Arbeit
Mindestens einmal pro Monat ist Bill Ivan Tumwine im Auftrag der Organisation vorbeigekommen. Er hat die Familie, vor allem das Kind, ins Herz geschlossen und ist jetzt ein letztes Mal zu Besuch, obwohl das nicht mehr seine Aufgabe ist: Mit der Anordnung von Trump wurde Tumwine über Nacht arbeitslos – so wie 300 weitere Mitarbeitende von Acord, gut 60 Prozent der Belegschaft. Er teilt Kyarikundas Angst: «Ich bin sicher, dass sich der Gesundheitszustand des Jungen verschlechtert, sobald er keine Medikamente mehr bekommt.»
Im nächstgelegenen Krankenhaus, dem Kitagata Hospital im Südwesten des Landes, rund acht Autostunden von der Hauptstadt Kampala entfernt, gebe es zwar noch die lebensrettenden antiretroviralen Medikamente, sagt die Sozialarbeiterin Apopha Ahabwe. «Aber die Angestellten befürchten, dass die Bestände in Zukunft nicht aufgefüllt werden.» Deshalb geben sie den Patienten, die wie gewohnt ihren Nachschub für mehrere Monate abholen wollen, nur noch genug für ein bis drei Monate mit. Ahabwe hat die vergangenen 12 Jahre in der HIV/Aids-Abteilung des Spitals gearbeitet, die weitgehend von USAID finanziert wurde. Seit Trumps Entscheidung ist auch sie arbeitslos.
Was, wenn die Medikamente nicht mehr kommen?
Für ein Gespräch ist sie trotzdem noch einmal gekommen. «Viele unserer Patientinnen und Patienten leben sehr weit entfernt», sagt Ahabwe. «Etliche werden ihre Medikamente nicht mehr immer holen können und aus der Behandlung fallen.» Nicht wenige hätten sich die Fahrt zum Krankenhaus ohnehin nur leisten können, weil Acord ihnen mit amerikanischen Geldern auch den Transport bezahlen konnte.
Ahabwe führt durch die leeren Gänge und in die verwaisten Zimmer ihrer früheren Abteilung. Ausser den in der Leere hallenden Schritten und der Stimme der 44-Jährigen ist nichts zu hören. Die Sozialarbeiterin ist äusserlich gefasst, doch ihr ist anzumerken, dass sie sich zusammenreissen muss. Beruflich werde sie sich neu erfinden müssen, zeigt sie sich überzeugt, ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie das gelingen kann.
Immerhin aber ist sie gesund. Bei den Infizierten ist die Erschütterung noch grösser. Kyarikunda drückt zusätzlich der Gedanke an ihr ungeborenes Kind, sie ist wieder schwanger. «Ich habe grosse Angst, dass ich ein krankes Kind auf die Welt bringe», sagt sie leise. So sehr hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt, dass sie auch als HIV-positiver Mensch normal leben kann, dass sie keine Bedenken hatte, ein weiteres Kind zu bekommen.
Sie verstehe, dass die USA nicht auf immer für die Gesundheitsversorgung zuständig sein könnten, sagt die 23-Jährige. «Aber Uganda hat nicht genug Geld, um das alleine zu bezahlen.» Bis März hat sie noch genügend Medikamente für sich und ihren Sohn.