Ein Bericht des Bundes spielt den Gegnern des Autobahnausbaus in die Hände. Er legt nahe, dass die externen Kosten des Strassenverkehrs bisher unterschätzt wurden.
Es sind Zahlen, die für Bundesrat Albert Rösti zur Unzeit kommen. Am 24. November stimmt die Schweiz darüber ab, ob die Autobahnen ausgebaut werden sollen. Nun zeigt ein Bericht des Bundesamtes für Raumentwicklung, das ausgerechnet zu Röstis Departement gehört, dass die externen Kosten des motorisierten Strassenverkehrs viel höher ausfallen als in früheren Berechnungen.
So resultierten für die Strasse im Jahr 2021 21,6 Milliarden Franken – was gegenüber der alten Berechnungsart einer Kostensteigerung von satten 60 Prozent entspricht. Nicht weniger als 83 Prozent der externen Kosten aller Verkehrsträger werden dabei auf der Strasse verursacht.
Allerdings verzeichnen auch andere Verkehrsträger aufgrund einer neuen Berechnungsmethode stark steigende Werte: Beim Flugverkehr beträgt die Zunahme der externen Kosten gar über 180 Prozent, beim Zugverkehr sind es ebenfalls 60 Prozent. Insgesamt stiegen die berechneten externen Kosten aller Verkehrsträger im Jahr 2021 um 69 Prozent auf 26,1 Milliarden Franken.
Zu den externen Kosten der Mobilität werden alle negativen Auswirkungen gezählt, die durch eine Verkehrsaktivität verursacht werden – aber nicht durch die Teilnehmenden bezahlt werden, etwa über das Benzin, die Vignette oder das Billett. Dazu gehören unter anderem die Schädigung der Gesundheit durch Abgase oder Lärm, die durch den CO2-Ausstoss hervorgerufenen Klimaschäden wie Ernteausfälle und Waldschäden, die Zerstörung von Natur und Landschaft durch den Bau neuer Strassen und Schienen sowie auch Unfälle.
Schätzung mit enormen Unschärfen
Die Schätzung dieser «Begleitkosten» ist allerdings hochkomplex und mit grossen Unschärfen behaftet. Je nachdem, welche Methode angewandt wird, fallen die erhobenen Zahlen völlig unterschiedlich aus. Den Kostenschock beim Verkehr verursacht hat denn auch eine neue Berechnungsart, die sich am heutigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse orientiert. So haben die Studienverantwortlichen etwa neue Krankheitsbilder, die durch Luftverschmutzung verursacht werden, in die Berechnungen integriert wie Lungenkrebs, Diabetes und Demenz.
Am stärksten ins Gewicht fällt eine Anpassung des Kostensatzes beim Klima. Statt wie bisher 140 Franken pro Tonne CO2 wurde nun ein Wert von 430 Franken gewählt, was zu einer Steigerung der Klimakosten von über 200 Prozent führt. Mit 7 Milliarden Franken bestimmt das Klima denn auch den grössten Anteil der externen Kosten, worauf die Gesundheitskosten durch Luftverschmutzung (5,9 Milliarden Franken) folgen.
Die erhobenen externen Effekte des Verkehrs sind derweil mehr als nur eine theoretische Grösse. Sie fliessen in die Statistiken des Bundes ein, die eine essenzielle Grundlage für die Verkehrspolitik bilden. Ebenfalls sind die externen Kosten des Schwerverkehrs, neben weiteren Aspekten, für die Festlegung des Tarifs der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe relevant.
Für die Gegner des Autobahnausbaus sind die am Mittwoch veröffentlichten Zahlen deshalb ein Steilpass im Abstimmungskampf. So fordern Vertreter der grünen Partei bereits, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis der sechs vorgelegten Autobahnprojekte mit jüngsten Zahlen neu ermittelt werde. Es könne nicht sein, dass die Stimmbevölkerung einen Entscheid auf der Basis völlig veralteter Grundlagen treffen müsse, erklärte Nationalrätin Franziska Ryser in der «NZZ am Sonntag».
Verkehrsminister Rösti betonte am Donnerstag an einer Pressekonferenz zur anstehenden Abstimmung, dass die Berechnungen der externen Effekte in keinem direkten Zusammenhang mit den sechs Ausbauprojekten stünden, über die das Volk im November entscheide. Da diese aber zur Verhinderung von Stau beitragen würden, könnten damit die externen Kosten in den Bereichen Lärm, Schadstoffe und Verkehrssicherheit reduziert werden.