Wie Charles Darwin die Entstehung der Arten erklärte, so wollte Daniel Dennett zeigen, wie das menschliche Bewusstsein funktioniert. Am Freitag ist der amerikanische Philosoph 82-jährig gestorben.
Er halte Gott nicht für eine besonders gute Idee, hat Daniel Dennett einmal gesagt. Wer an Gott glaube, könne genauso gut an Elfen, Kobolde und Feen glauben. Solange man nicht sicher sein könne, dass Gott existiere, gebe es keinen Grund, an ihn zu glauben. Wobei Dennett stets zugestand: Wir können auch nicht sicher sein, dass es Gott nicht gibt.
Das war Dennett allerdings zu wenig. Wir sollten uns nicht an Vermutungen halten, fand er, sondern an gute Gründe. An rationale Erklärungen. An das, was sich beweisen lässt. Dass es Dinge gibt, die uns unerklärbar scheinen, durfte für den amerikanischen Philosophen kein Grund sein, sich in übernatürliche Erklärungen zu flüchten.
Denn für rätselhaft hielt Dennett – nichts. Weder den Menschen noch die Welt, auf der er lebt. Grundsätzlich, das ist die Überzeugung, die hinter seinem Denken steht, ist am Wesen des Menschen alles naturwissenschaftlich erklärbar. Auch wenn wir den Schlüssel dafür noch nicht gefunden haben.
Das, was man erklären kann
Der 1942 in Boston geborene Philosoph, der wegen seines Rauschebarts vom Magazin «The New Yorker» einmal als Mischung zwischen Charles Darwin und dem heiligen Nikolaus charakterisiert wurde, war einer der prominentesten Vertreter der Philosophie des Geistes. Er war ein Brückenbauer zwischen Philosophie und Naturwissenschaft und versuchte die Philosophie immer wieder vom Spekulieren abzuhalten.
Das war ein Akt der Bescheidenheit, auch wenn ein hoher Anspruch dahinterstand: nur das für wahr zu halten, was wir wirklich verstehen. Das, was wir erklären können. So wie Charles Darwin, der tatsächlich eines seiner grossen Vorbilder war, die Entstehung der Arten wissenschaftlich erklären konnte, war es Dennetts Ziel, zu erklären, wie das menschliche Bewusstsein funktioniert.
Bei vielen Philosophen stiess er mit seinem materialistischen Ansatz auf Widerstand. Descartes hatte postuliert, dass zwischen dem erkennenden Geist und der Natur, die ihn umgebe, ein fundamentaler Unterschied bestehe. Für Dennett war das Bewusstsein ein Teil der Natur und musste damit auch rein naturwissenschaftlich erklärt werden können.
Genauso wie sich der Mensch im Lauf der Evolution zu dem entwickelt hat, was er heute ist, hielt Dennett auch das Bewusstsein für ein Produkt der Evolution. Und letztlich für eine Illusion, die das Hirn sich selbst schafft. Auch Gefühle und Denken, so Dennett, seien nichts anderes als Illusionen. Komplexe biologische und chemische Vorgänge, den Gesetzen der Natur unterworfen.
Und vor allem: nur bedingt vom Menschen gesteuert. Die Evolution war für Dennett ein Beweis dafür, dass selbst ein hochkomplexes System funktionieren kann, als ob es von jemandem gelenkt würde, auch wenn es sich tatsächlich nach unveränderlichen Gesetzmässigkeiten entwickelt, die niemand beeinflussen kann.
Wie Maschinen
Selbst hochentwickelte Tiere funktionieren nach Dennetts Ansicht grundsätzlich wie Maschinen. Sie verfügen über genügend Wissen, um ihr Leben zu organisieren, freilich ohne ein Verständnis für die Grundlagen zu haben, auf denen ihr Leben beruht. Sowenig ein Computer verstehen müsse, was Rechnen sei, um rechnen zu können, so wenig müssten Tiere verstehen, was Leben heisse, sagte Dennett.
Mit den Menschen verhält es sich nach Dennetts Ansicht nicht wesentlich anders. Sie verfügten über eine umrisshafte Vorstellung vom eigenen Ich. Doch diese, so Dennett, sei letztlich nicht viel mehr als eine «Benutzerillusion». Dennett pflegte das Verständnis des Menschen für die Grundlagen seines eigenen Bewusstseins mit der Kompetenz eines Computer-Users zu vergleichen, der mit einer App umzugehen weiss, aber keine Ahnung vom Quellcode hat, der ihr zugrunde liegt.
Die Philosophie, so warnte Dennett, verwechsle zu oft die Benutzeroberfläche mit dem Quellcode. Als Professor, zunächst in Irvine, Kalifornien, und ab den frühen 1970er Jahren an der Tufts University bei Boston, hielt er seine Studierenden dazu an, nach dem Wesen des Menschen zu fragen, ohne den Täuschungen des Bewusstseins zu erliegen. Am Freitag ist Daniel Dennett 82-jährig gestorben.