Die Richter heben zentrale Teile des Luzerner Polizeigesetzes auf. Erneut kritisieren sie einen «unverhältnismässigen» Eingriff in die Grundrechte. Das Urteil hat Signalwirkung für die gesamte Schweiz.
Einen Blankocheck zur Massenüberwachung, so kann man das revidierte Polizeigesetz nennen, das der Luzerner Kantonsrat im Oktober 2022 verabschiedete. Fortan sollte die Polizei automatisiert Fahrzeuge, deren Kontrollschilder und Insassen fotografieren dürfen. Die Daten sollten fast zeitgleich mit diversen Datenbanken abgeglichen werden, um Verbrechen, Vergehen und «schwere Verkehrsdelikte» zu verfolgen. Darunter fielen Mord und Rasen, aber etwa auch schwere Dopingdelikte.
Das Bundesgericht hat diesen und andere Teile des Luzerner Polizeigesetzes nun gekippt. Die Begründung hat es in sich: Die Kantone hätten gar nicht die Kompetenz, im Bereich der Strafverfolgung eigene Gesetze zu erlassen, betont das Gericht. Diese Kompetenz hat allein der Bund.
Luzern wollte Daten hundert Tage lang speichern
Die Richter rügen zudem den «unverhältnismässigen» Eingriff in die Grundrechte, welchen die Erfassung, Auswertung und Aufbewahrung der Überwachungsdaten bedeuten würde. Die Daten in Luzern hätten hundert Tage lang gespeichert und bei ausbleibenden Treffern im Abgleich mit Datenbanken anschliessend gelöscht werden sollen.
Das Urteil hat Bedeutung für die gesamte Schweiz, wie auch die Richter betonen. Sie verweisen auf die geplante Plattform Polap, mit welcher der Bund und die Kantone ein einheitliches Informationssystem zur zentralen Abfrage von polizeilichen Daten schaffen wollen. Das Bundesgericht kritisiert, dass dieses Abrufverfahren Daten «unmittelbar zugänglich» mache, ohne vorgängiges Amtshilfeersuchen. Das erschwere «die Kontrolle und den Rechtsschutz».
Vor dem Kanton Luzern hatte das Bundesgericht bereits die Kantone Thurgau und Solothurn in ähnlichen Fällen gerügt. Nun wiederholt das Gericht seine grundsätzliche Kritik an der automatisierten Verkehrsüberwachung. Luzern habe «weder die Datenkategorien noch die Bearbeitungszwecke oder den Kreis der Zugriffsberechtigten» begrenzt. «Für einen derart weitgehenden Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung» gebe es keine ausreichende Gesetzesgrundlage, beziehungsweise die Luzerner Regelung verstosse gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit.
Bundesgericht schränkt KI-Systeme ein
Die Klägerinnen – zwei Kantonsrätinnen von den Grünen und der SP sowie dreizehn weitere Personen – sehen in dem Urteil einen «grossen Erfolg für die freie Gesellschaft und die Privatsphäre der Luzernerinnen und Luzerner». Sie freuen sich in einem Communiqué auch über das Verbot von «intelligenten» Analysesystemen mit automatischer Gesichtserkennung im Kampf gegen Serienkriminelle. Solche KI-gestützten Systeme sei nur zulässig, wenn menschliche Analysten zum Einsatz kämen und Daten manuell eingegeben würden, schreibt das Bundesgericht.