Seit letztem Jahr verkehrt Elon Musks Antithese zum japanischen Pick-up auf Amerikas Strassen. In der Schweiz wird das Fahrzeug kaum zugelassen, immerhin kann man es jetzt in Zürich besichtigen.
Wer etwas Freundliches sagen möchte über das jüngste Geschöpf aus dem Hause Tesla, könnte darin einen flügellahmen Stealth-Bomber auf vier Rädern erkennen. Doch bei aller Robustheit versprüht das Ding, Fahrzeug mag man es nicht nennen, den Charme von Fiat-Kopien des russischen Autobauers Lada aus den siebziger und achtziger Jahren: klare Kante, stramme Linien. Und wer immer schon gedacht hat, dass mit der legendären Citroën-DS, auch bekannt unter dem Namen Déesse oder Göttin, das letzte Kapitel in der Geschichte des Autodesigns geschrieben worden sei, wird es beim Anblick des Tesla Cybertruck einfach nur schütteln.
Das Ding verkehrt seit letztem Jahr auf Amerikas Strassen. Bloss viertausend Stück sind davon bisher verkauft worden. Die Kundenzufriedenheit bewegt sich auf vergleichbar bescheidenem Niveau. Gerade jüngst mussten sämtliche Trucks zurückgerufen werden, weil Benutzer berichteten, das Gaspedal sei bei voller Fahrt blockiert worden. So geht autonomes Fahren der Zukunft: Augen zu und durch.
Derzeit tourt das Ding durch Europa. Allerdings nicht autonom und schon gar nicht aus eigener Kraft. Es ist in keinem europäischen Land zugelassen, auch nicht in der Schweiz, wo es seit Mittwoch in Zürich im Tesla-Showroom immerhin zu besichtigen ist. So schnell wird es auch nicht über die hiesigen Strassen fahren: zu schwer, zu gross, zu gefährlich. Die Stahlkarosse hat bei einem Zusammenstoss die Wirkung eines Prellbocks. Da ist kaum verformbares Material vorhanden, das die Aufprallenergie absorbieren könnte.
Die massive Konstruktion signalisiert im Verbund mit dem Design zweierlei: Egozentrik und Abwehr. Es gibt eine Innenwelt hinter Stahl und getönten – angeblich, aber wirklich nur angeblich – schusssicheren Fenstern. Und es gibt eine feindlich gesinnte Aussenwelt, der man mit maximalem Schutz entgegentreten muss. Geschenkt, dass die Windschutzscheibe einem Hagelsturm nicht gewachsen sein soll und der Stahl rostet. Dann wird halt nachgebessert.
Elon Musk, der Heilsbringer
Der Cybertruck ist für eine Welt gebaut, in der jeder Gang vors Haus ein Himmelfahrtskommando darstellt. Allerdings muss sich in einer Welt, in der Cybertrucks verkehren, jeder Gang vors Haus wie ein Himmelfahrtskommando anfühlen. Elon Musk arbeitet darum wacker an der Herstellung einer Welt, für die sein Ding wiederum die passende Antwort ist. Das Geschäftsmodell klingt einleuchtend: Musk wäre nicht nur der Heilsbringer in einer heillos gewordenen Welt, er könnte daran gleich zweimal verdienen – wenn es denn bloss einen Markt gäbe für sein elektronisch aufgemotztes und in Stahl verpacktes Ungetüm.
Elon Musk hat bei früherer Gelegenheit einen Tesla zu extraterrestrischen Werbezwecken in den Weltraum geschossen. Man hat seither von dem Fahrzeug nichts mehr gehört oder gesehen. Man weiss nicht, ob es auf einem anderen Planeten nachgebaut und dereinst zurückgeschickt wird. Wenn man nicht mit Sicherheit wüsste, dass der Cybertruck aus einer Tesla-Fabrik gerollt ist, dann könnte man ihn als Retourkutsche des Weltalls für den in den Orbit geschossenen automobilen Sondermüll halten. Denn für den Weltraum – wenn nicht gleich für die Tiefsee – ist dieses Ding doch wie gemacht.
Ganz gewiss aber werden nicht sehr viele texanische Rinderzüchter mit einem Cybertruck auf ihren Ranches hinter ihren Herden herfahren. Das Ding würde einfach zu schnell rostig und müsste ausserdem dauernd in die Autowaschanlage gebracht werden. Häufiger wird man dieses ästhetische Dementi von allem, was man als schön oder wenigstens ansehnlich halten mag, im innerstädtischen Verkehr antreffen, wo es potenzielle Gegner umzunieten droht, sofern diese nicht aus freien Stücken das Weite suchen.
Grün getarnter Snobismus
Tesla war einmal bekannt dafür, das Autodesign auf die nächste Stufe zu heben. Es war das elektronische Riesengadget für Puristen, die im gleichen Zug demonstrieren wollten, dass sie es zu Wohlstand gebracht hatten und trotzdem schützend ihre Hand über die Natur halten wollten. Der Tesla bot dem spleenigen Exzentriker aus dem gehobenen Mittelstand die erste und beste Gelegenheit, den Snobismus mit einem grünen politischen Statement zu tarnen.
Mit dem Cybertruck droht dem Tesla-Fahrer die Entzauberung und Enttarnung. Das Ding ist die Antithese zum Citroën DS. Keine Göttin mehr, aber ein Gott, genauer Mars, der Kriegsgott. So gesehen ist der Cybertruck eine Manifestation der Gegenwart und Elon Musk wieder einmal ihr Trendsetter. Das Ding scheint als familientaugliche Version eines gepanzerten Personentransporters wie gemacht für unsere Zeit, die sich gerne apokalyptisch gibt.