Der Wandel zur E-Mobilität und die Digitalisierung, eine schwache Nachfrage sowie die starke Regulierung bereiten den Konzernen gravierende Probleme. 2025 könnte sich die Lage noch verschärfen.
2024 war für die deutsche Wirtschaft und vor allem für die sehr wichtige Autoindustrie ein düsteres Jahr. Die Konjunktur schwankte zwischen Stagnation und leichter Rezession, die erhoffte Erholung ist ausgeblieben und auch bis jetzt nicht absehbar. In der Autobranche erlitten der Volkswagen-Konzern, Mercedes-Benz und BMW erhebliche Gewinneinbussen, vielen Zulieferern geht es noch schlechter.
Insgesamt kündigten Autohersteller und Zulieferer in den vergangenen Monaten einen Abbau von gut 71 000 Stellen an, davon über 63 000 in Deutschland. Das Ende dieser schmerzlichen Entwicklung dürfte angesichts der grossen Probleme noch nicht erreicht sein.
Chaotische E-Auto-Förderpolitik der «Ampel»
Die Autoindustrie befindet sich in einem «perfekten Sturm», von dem die deutschen Hersteller besonders betroffen sind. Seit Jahren kosten der Umstieg auf die Elektromobilität und die Digitalisierung der Fahrzeuge die Unternehmen grosse Milliardensummen.
Doch viele Kunden sind weiterhin zurückhaltend mit dem Kauf eines Elektroautos. Daran hat die chaotische Förderpolitik der Ampelregierung und des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck einen erheblichen Anteil. Zudem beklagen die Hersteller, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur schneller vorangehen müsse.
Zugleich läuft es in allen drei grossen Absatzmärkten der Welt – in Europa, den USA und in China – derzeit schlecht. Die Verkaufszahlen der gesamten Branche liegen unter dem Vor-Corona-Niveau. In Europa werden 2 Millionen Fahrzeuge weniger verkauft als im Jahr 2019. Das gleiche Bild ergibt sich in abgeschwächter Form für die USA.
Besonders stark treffen die deutschen Hersteller die Entwicklungen in China, wo sie in den vergangenen Jahren mehr als jedes dritte Auto verkauften. Im Reich der Mitte belastet die Immobilienkrise viele Menschen, weshalb sie das Geld zusammenhalten. Zudem boomen dort Elektrofahrzeuge. In diesem Segment sind die deutschen Hersteller jedoch teilweise nicht wettbewerbsfähig aufgestellt, das gilt vor allem für den Massenhersteller Volkswagen.
Massiver Stellenrückgang bei den Zulieferern
Laut einer Umfrage des europäischen Autozuliefererverbandes Clepa wurde seit dem Jahr 2020 der Abbau von 86 000 Stellen angekündigt, davon fast zwei Drittel in Deutschland. Das Autoland ist damit das Epizentrum des Branchenbebens. Während es zwischen Nordsee und Alpen im Jahr 2018 bei den Zulieferern noch 311 000 Beschäftigte gab, waren es 2023 nur noch gut 270 000. Diese Zahl könnte laut Schätzungen bis Ende des Jahrzehnts auf 200 000 sinken.
Bei den Zulieferern gibt es die grössten Einschnitte bei ZF Friedrichshafen. Der Konzern will in den kommenden Jahren 14 000 der 54 000 Arbeitsplätze in Deutschland abbauen, also rund ein Viertel. Bis zu einem Drittel der 35 Werke könnten geschlossen werden, wie der Betriebsratschef Achim Dietrich im Gespräch mit dem «Handelsblatt» sagte. Allein in Saarbrücken will ZF offenbar rund 1800 Jobs reduzieren.
Das Unternehmen hatte seinen Schwerpunkt bei Getrieben und Fahrwerken, die in der Welt der Elektromobilität nicht mehr vorkommen oder eine geringere Rolle spielen. Deshalb hatte ZF milliardenschwere Übernahmen zur Diversifizierung des Geschäfts getätigt. Die daraus resultierenden Schulden über 13 Milliarden Euro lasten angesichts der gestiegenen Zinsen inzwischen schwer auf dem Unternehmen.
Im Umbau befindet sich seit Jahren auch Continental aus Hannover. Der Konzern hat den Abbau von über 7000 Stellen bis 2028 angekündigt, davon 2500 in Deutschland. Continental hatte die frühere Antriebssparte Powertrain unter dem Namen Vitesco Technologies erst an die Börse gebracht und dann vor gut einem Jahr an den Konkurrenten Schaeffler aus Herzogenaurach verkauft. Jüngst beschloss der Vorstand in seiner Not zudem die Aufspaltung in eine Autozulieferer- und eine Reifensparte. Über die endgültige Zerschlagung des Konzerns müssen 2025 die Aufsichtsräte und Aktionäre entscheiden.
Stellenabbau auch in anderen Branchen
Der Branchenprimus Bosch aus Stuttgart plant insgesamt eine Reduktion von 12 000 Stellen, davon die Hälfte in Deutschland. Besonders betroffen ist die Mobilitätssparte. Schaeffler wiederum will in Europa 4700 Stellen abbauen, davon 2800 in Deutschland. Zudem soll jeweils ein Werk in Österreich und Grossbritannien geschlossen werden. Auch die kleineren Zulieferer Brose aus Bamberg und Eberspächer aus Esslingen am Neckar planen den Abbau von 700 und 200 Arbeitsplätzen in Deutschland. Bei vielen anderen Zulieferern zeigt der Trend in die gleiche Richtung.
Bei den Autoherstellern befindet sich vor allem der Volkswagen-Konzern in der Krise, wobei die Marken VW und Audi im Fokus stehen. Der Vorstand und der Betriebsrat haben sich kurz vor Weihnachten auf den sozialverträglichen Abbau von mehr als 35 000 Stellen bis 2030 verständigt. Dabei dürften die Standorte Dresden und Osnabrück zwar erhalten, mittelfristig jedoch aus dem Konzern ausgelagert werden. Und nicht zuletzt hat der amerikanische Hersteller Ford jüngst mitgeteilt, in Europa 4000 Stellen zu streichen, davon 2900 in Deutschland.
Das Malaise im verarbeitenden Gewerbe und speziell in der Autobranche spiegelt sich inzwischen auch auf dem Arbeitsmarkt. In Deutschland ist die Arbeitslosenquote erstmals seit acht Jahren wieder über 6 Prozent gestiegen. Hier macht sich bemerkbar, dass auch in anderen Branchen immer mehr Jobs verlorengehen. So kündigte etwa ThyssenKrupp den Abbau von 11 000 Stellen in den kommenden Jahren an, und BASF will eine vierstellige Zahl an Stellen streichen.
Im Jahr 2025 droht neues Ungemach
Die Unternehmen beklagen die hohen deutschen Strom- und Energiepreise, die vernachlässigte Infrastruktur, die mangelnde Digitalisierung, die zunehmend plan- statt marktwirtschaftliche Politik sowie die immense Bürokratie und Regulierung in Deutschland und der EU, für die das Lieferkettengesetz und die Taxonomie sinnbildlich stehen. Dazu kommen jeweils Fehler von Vorständen und Aufsichtsräten.
Laut einer Umfrage des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft planen 38 Prozent der Unternehmen im kommenden Jahr einen Stellenabbau, nur 17 Prozent wollen netto neue Mitarbeiter einstellen. In der Industrie sind die Werte mit 44 zu 14 Prozent sogar noch schlechter. Inzwischen greift der harzige Wirtschaftsverlauf auch auf den Dienstleistungssektor über, der sich bisher stabil gezeigt hatte.
Das kommende Jahr dürfte für die Autobranche kaum einfacher werden. Unter dem neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump droht ein internationaler Zollkrieg, der auch die Autoindustrie stark treffen könnte. In China werden sich der Preiskrieg und das Aufkommen lokaler Wettbewerber voraussichtlich intensivieren. Und in Europa müssen die Hersteller mit schärferen CO2-Vorgaben der EU zurechtkommen. Sollten sie diese nicht erfüllen, drohen ihnen Strafzahlungen. Die Talfahrt für Hersteller und Zulieferer könnte sich 2025 also noch beschleunigen.
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