Die Wandmalereien im Grab des Neferhotep waren stark beschädigt und von einer Schicht fettigen schwarzen Russes überdeckt. 25 Jahre lang haben Restauratorinnen daran gearbeitet. Ohne eine neue Technik wäre es nicht gelungen: Reinigung per Laser.
Das Grab als Basis für das ewige Leben, als Haus: So haben die Menschen im alten Ägypten sich das vorgestellt. Was sie sich eher nicht vorgestellt haben dürften: Im 19. Jahrhundert nahmen ein paar Leute das mit dem Grab als Haus sehr wörtlich und zogen ein.
Von der Familie, die mit Schafen und Ziegen im Grab des Beamten Neferhotep in al-Khokha wohnte, gibt es noch Fotos, und man kann versuchen, sich das vorzustellen: Wie sie in der in den Fels geschlagenen Kammer Fladenbrot und Bohnen assen, und im Hintergrund lächelten die 3300 Jahre alten Statuen des Neferhotep und seiner Frau Merit-Re.
Erst vor sechzehn Jahren wurden die letzten Bewohner des in einer altägyptischen Nekropole gewachsenen Dorfes umgesiedelt. Die Restaurierung des Grabes des Neferhotep hatte da bereits begonnen, jetzt ist sie abgeschlossen. Die Statuen, aber vor allem die Wandmalereien, haben ihre ursprünglichen Farben zurück. Zu verdanken ist das dem jahrzehntelangen Einsatz zweier Restauratorinnen – und einer neuen Technik, die hier zum ersten Mal in Ägypten angewendet wurde: der Reinigung per Laser.
Das Grab des Neferhotep liegt gegenüber dem Tempel von Karnak
Der Schauplatz ist Theben-West, 700 Kilometer südlich von Kairo. Da ist der Nil mit dem schmalen Streifen grünen Fruchtlandes zu beiden Seiten. Da sind auf dem Ostufer die riesigen Tempelanlagen von Karnak und Luxor, und auf dem Westufer, in Richtung Sonnenuntergang und damit des Reichs der Toten, drängen sich jahrtausendealte Grabstätten an den Rand der Wüste. Auf halbem Weg zwischen dem Nil und dem Tal der Könige liegt al-Khokha.
Hier liessen hochrangige Offizielle zur Zeit von König Ay, dem Nachfolger Tutanchamuns, Gräber in den Fels schlagen. Auch Neferhotep tat das, der oberster Schreiber am Tempel von Karnak war und die Aufsicht hatte über Nutztiere, Getreide und Sklaven des Heiligtums. Er starb um 1320 v. Chr.
Wie damals üblich, war sein Glaube an das Leben nach dem Tod eng verknüpft mit dem Konzept des Ka. Der Ka war im ägyptischen Weltbild eine Art spiritueller Zwilling jedes Menschen, immateriell, aber gleichwohl auf sehr greifbare Dinge angewiesen: einen Körper, in dem er wohnen konnte, und Nahrung. Deshalb wurde die Leiche einbalsamiert und in eine versiegelte unterirdische Kammer gelegt. Und deshalb hatte jedes Grab noch einen weiteren, oberirdischen Teil. Dort stellten Verwandte des Toten Lebensmittel ab, auf dass der Ka sich nähren und die Lebenskraft des Toten im Jenseits erhalten möge.
Die Wände im Grab des Neferhotep waren mit fettigem schwarzem Russ bedeckt
Dieses Grab also entdeckte ein schottischer Forscher im Jahr 1826. Die Zeichnungen aus seinen Tagebüchern zeigen bemalte Wände und klare Farben, auf dem Fussboden liegen Mumien. Drei Jahre später betrat Jean-François Champollion das Grab, der Entzifferer der Hieroglyphenschrift. Die Wände waren schwarz. Und die Mumien waren verkohlt.
Wer schon einmal einen Grill gesäubert hat, weiss: Fettiger Russ ist hartnäckig. Aber einen Grill kann man mit harten Kratzschwämmen schrubben. Was, wenn der fettige Russ die mehr als 3000 Jahre alten, empfindlichen Wandmalereien in einem ägyptischen Grab bedeckt – und nicht durchs Grillieren entstanden ist, sondern weil im 19. Jahrhundert jemand auf die Idee kam, in Einbalsamierungsöl getränkte Mumien zu verbrennen?
Ein Laserreiniger als Mittel gegen den Mumienruss
Als die beiden Restauratorinnen Christina Verbeek und Susanne Brinkmann mit der argentinischen Ägyptologin María Violeta Pereyra 1999 zum ersten Mal in der Grabkammer standen, wussten sie allerdings noch nicht, woher die schwarze Schicht kam. Erst durch naturwissenschaftliche Analysen, archäologische Funde im Grab und historische Quellen fanden sie heraus, was sich hier abgespielt hatte.
Der Zustand des Grabes war auch sonst prekär. Die Farben blätterten ab, weil die Bindemittel nach über 3000 Jahren fast vollständig verschwunden sind. Auch die im Stein vorhandenen Salze wirkten zerstörerisch. Hinzu kommen Wassereinbrüche nach Regenfällen und die jahrzehntelange Bewohnung, die vor allem im unteren Bereich der Wand grosse Schäden hinterlassen hat.
Die ägyptischen Behörden hatten Pereyra erlaubt, das Grab zu erforschen – mit der Auflage, es zu restaurieren. Weil dafür aber zuerst gar kein Geld da war, arbeiteten Verbeek, Brinkmann und weitere Restauratoren die ersten Jahre umsonst, immer nur ein paar Wochen lang. Erst ab 2005 unterstützte die Gerda-Henkel-Stiftung das Projekt.
Die Spezialistinnen mussten zunächst eine Strategie entwickeln, wie sich der fettige Russ entfernen liess. Denn mit Lösungsmitteln, die bei der Restaurierung sonst zum Einsatz kommen, «hätte man den Russ nur in die weissen Flächen darunter geschwemmt», sagt Brinkmann am Telefon. Bei früheren Restaurierungsversuchen war genau das geschehen.
So kamen sie auf den Laser. Lasertechnik wurde bis dahin schon an historischen Steinobjekten eingesetzt; die Geräte dafür sind aber monströs gross, wiegen mindestens 200 Kilogramm und erfordern einen Stromanschluss. «So viel Platz haben wir im Grab nicht, und die Stromversorgung bricht dauernd zusammen», erzählt Brinkmann. Sie fanden einen Hersteller aus Deutschland, dessen kabelloser Laserreiniger in einen Rucksack passt. Allerdings war er für industrielle Zwecke entwickelt worden, nicht für jahrtausendealte Wandbilder.
Unter dem Laserstrahl kommen die altägyptischen Malereien zum Vorschein
Das Prinzip des Laserreinigers basiert auf dem Farbunterschied der Schmutzschicht und der darunterliegenden Fläche. Der schwarze Dreck absorbiert das Laserlicht, nimmt Energie auf, dehnt sich aus und platzt ab. Die darunterliegende, helle Schicht hingegen reflektiert das Licht und bleibt unversehrt. Schwarzes Pigment in der Malerei muss deshalb abgedeckt werden, bevor man mit dem Laser darübergehen kann.
Verbeek und Brinkmann mussten das Gerät in langwierigen Versuchen justieren, in Zusammenarbeit mit dem Hersteller und dem Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik in Dresden. Es arbeitet jetzt mit sehr geringer Leistung, maximal 20 Watt. So konnten sie den Russ schichtweise abtragen.
Doch zuvor mussten sie noch die ägyptischen Behörden überzeugen, dass sie den in Ägypten unerprobten Laser einsetzen dürfen. Als das gelungen war, standen sie sechs Stunden am Tag mit dem mehrere Kilo schweren Gerät in der Hand im Grab, mit Schutzbrille und FFP2-Maske, weil die Russschicht zu krebserregendem Feinstaub verdampft.
Als die Ägypter gesehen hätten, wie gut das funktioniert habe, sei die Euphorie sehr gross gewesen, erzählt Verbeek. «Aber man kann nicht einfach so anfangen loszulasern. Man muss gut ausgebildet sein und zuerst lange Versuchsreihen an undekorierten Stellen durchführen.»
So sei es wichtig, das Gerät im richtigen Abstand zur Oberfläche zu führen und damit die Laserintensität zu regulieren. Auch musste oft erst mit dem Skalpell vorgearbeitet werden, um nachträglich aufgetragenen Lehmputz zu entfernen. Versuche in anderen Gräbern haben viel weniger gute Ergebnisse erbracht.
Durch Besucher drohen neue Schäden im Grab des Neferhotep
Im Fall Neferhoteps war die Mischung aus Vorarbeit mit dem Skalpell und Laser die richtige. Jetzt sieht man, dass manche Partien golden schimmern, weil die ägyptischen Handwerker vor 3300 Jahren hier Pistazienharz als Firnis aufgetragen haben. Man sieht Bilder von der Papyrus- und der Dattelernte, der Viehzucht und der Weinherstellung. Man sieht in einer Festszene eine Frau, die sich übergibt.
Man sieht eine einmalige zeitgenössische Darstellung der Tempelanlage von Karnak, mit Kanälen, über die der Tempel mit dem Nil verbunden war, und Schiffen darauf, einen Obelisken und einen Schaduf, eine Vorrichtung zum Wasserschöpfen, wie es sie auch heute noch gibt in Ägypten. Und man sieht nun auch die vielen Details, Neferhoteps Bartstoppeln, das Bäuchlein eines Steuermanns, und dass die Wände des Tempels als Rosengranit gezeichnet sind, sieht man auch.
Ab 11. Februar sollen alle es sehen können, dann wird das Grab der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. «Die Ägypter fragen schon seit Jahren: ‹Wann können wir öffnen?›», erzählt Verbeek. Und sie verstehe natürlich, dass für das Land der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle sei.
Aus rein restauratorischer Sicht aber wäre es ihnen lieber, «das Grab zu schliessen oder wenigstens die Zahl der Besucher zu beschränken». Denn Menschen bedeuten Ausdünstungen, Ausdünstungen bedeuten Feuchtigkeit, Feuchtigkeit bedeutet Schimmel – ein riesiges Problem in allen ägyptischen Gräbern. Hinzu kommen mechanische Schäden durch Rucksäcke, die an Wänden entlangschrammen, und Ähnliches.
Würden die Gräber geschlossen, könnten Besucher durch Repliken wandeln; vom Grab des Tutanchamun gibt es bereits eine. Und die, sagt Verbeek, «ist phantastisch. Selbst mit geschultem Auge sieht man nicht, dass es nicht das Original ist.» Und die Magie des Ortes könnten die Besucher selbst dann spüren, wenn sie die Gräber nur von aussen sähen.
Weil in Ägypten aber das Ministerium für Altertümer auch das Ministerium für Tourismus ist, wird das Grab des Neferhotep nun wiedereröffnet. Also konnten die Restauratorinnen nur sanft und indirekt versuchen, die absehbaren Schäden zu verringern. «Im Vorhof gibt es jetzt einen schönen, schattigen Sitzplatz und Informationstafeln», sagt Verbeek. «Die Hoffnung ist, dass die verschwitzt ankommenden Besucher dann erst einmal dort ausdünsten und nicht im Grab.»
Denn das Grab noch einmal 25 Jahre lang zu restaurieren, darauf dürfte niemand wirklich erpicht sein.