Die Uefa erwartet am laufenden Turnier Einnahmen von 2,4 Milliarden Euro, überlässt einen grossen Teil der Kosten den Gastgeberstädten, zahlt kaum Steuern. Doch das Image ist besser als das vom Weltfussballverband Fifa. Wie kann das sein?
Der Uefa-Hauptsitz befindet sich in einem Glaspalast an bester Lage am Genfersee. Bei gutem Wetter sehen die Funktionäre auf der anderen Uferseite bis hinauf zum Montblanc. Fusswege führen zu den Sportplätzen und zur 60 Millionen Franken teuren Repräsentanz, dem ringförmigen Bâtiment Clairière, in dem die VIP-Gäste empfangen werden.
Die mondäne Erhabenheit in Nyon kontrastiert mit der bodenständigen Ausgelassenheit in den deutschen EM-Fanzonen. Doch gerade auch dort ist die Uefa omnipräsent und kassiert hemmungslos ab. Sie sichert sich ihre Erträge noch kompromissloser als der Weltfussballverband. Ihr Image bleibt aber anders als jenes der Fifa weitgehend intakt – und das hat etwas mit den obersten Funktionären zu tun.
Jede Gastgeberstadt musste sich vor dem Turnier verpflichten, eine solche Fanzone zu betreiben. Und obwohl die Steuerzahler von Stuttgart bis Hamburg alle Kosten tragen, bleiben die kommerziellen Rechte bei der Uefa: Ihre Vertragspartner haben beim Betrieb von Essens- und Getränkeständen Vorrang. Das berichten das Medienunternehmen Correctiv und das Portal «Frag den Staat» gestützt auf Verträge, die jede Stadt unterschreiben musste.
Austragungsorte werden gegeneinander ausgespielt
Insgesamt summieren sich die Ausgaben der Gastgeberstädte im Zusammenhang mit der EM gemäss den Berichten auf 295 Millionen Euro, 66 Millionen mehr als zunächst geplant. Neben den Fanzonen fallen vor allem Sicherheitsmassnahmen finanziell ins Gewicht. Die Uefa wiederum erwartet an dem Turnier Einnahmen von 2,4 Milliarden Euro. Der Verkauf der EM-Fernsehrechte verlief glänzend, im Kontrast zu jenem vieler nationaler Fussballligen, wo die Erlöse sinken (Frankreich, Schweiz) oder im besten Fall stabil bleiben (England, Deutschland).
Um die eigenen Ausgaben minimal zu halten und auch sonst sämtliche Vorstellungen durchzusetzen, nutzt die Uefa rigoros aus, dass es ein Überangebot an Interessenten gibt. Bremen soll im Bewerbungsverfahren gescheitert sein, weil es nicht sämtlichen Auflagen des Verbands zustimmte. Bereits vor der länderübergreifenden EM 2021 wurden Austragungsorte gegeneinander ausgespielt. Bilbao und Dublin wurden im letzten Moment gestrichen, weil sie keine Garantie dafür abgeben wollten, an den Spielen trotz der Pandemie Zuschauer zuzulassen.
Ein noch verlässlicherer ökonomischer Erfolgsgarant als die EM ist für die Uefa unterdessen die Champions League. Dank dem jährlichen Kräftemessen der besten europäischen Klubs sind die Einnahmen des Kontinentalverbands in Nyon deutlich stabiler als jene des Weltfussballverbandes in Zürich, wo die Umsätze ausschliesslich in WM-Jahren hoch ausfallen. Über vierjährige Zeiträume hinweg verdient die Uefa mehr als die Fifa.
Angesichts der unterschiedlichen Einnahmestrukturen liegt auf der Hand, warum die Fifa geradezu verzweifelt versucht, die Klub-WM ab 2025 zu einem mehrwöchigen Grossturnier auszuweiten: Sie will die Champions League torpedieren. Ob der Plan aufgeht, ist jedoch offen. Bis jetzt ist das Sponsoreninteresse begrenzt.
Bei der Uefa kennen die Prognosen weiterhin nur eine Richtung: nach oben. In der Saison 2024/2025 dürften die Erlöse aus Klubwettbewerben von 3,7 auf 4,5 Milliarden Euro steigen. Und trotz ihrer aktenkundigen Unnachgiebigkeit gegenüber Vertragspartnern hat die Uefa ein besseres Image als die Fifa. Für Fehlentwicklungen im Fussball wird in allererster Linie der Weltfussballverband verantwortlich gemacht.
Wie sehr die öffentliche Wahrnehmung differiert, ist einigermassen erstaunlich. Die Fifa steht beispielsweise wegen ihrer finanziellen Verflechtung mit Autokratien in der Kritik, dabei steht ihr die Uefa in dieser Beziehung nur wenig nach. Zu den 13 weltweiten Sponsoren der laufenden EM gehört die Tourismuskampagne «Visit Qatar». Hinzu kommen gleich fünf Werbepartner aus China: Der Onlinehändler Ali Express, die Zahlungsplattform Ali Pay, die Autofirma BYD, der Elektronikkonzern Hisense und das Technologieunternehmen Vivo.
Dass die Logos der genannten Geldgeber in diesen Tagen permanent sichtbar sind, hat die Uefa ebenfalls vertraglich sichergestellt: Rund um die EM-Stadien ist ausschliesslich Werbung von Partnern des Verbandes erlaubt.
Debatte um tiefe Steuern im Keim erstickt
Vor der letzten WM war die Nähe des Fifa-Präsidenten Gianni Infantino zum Gastgeber Katar ein mediales Dauerthema. Dass das Emirat auch bei der Uefa über Macht verfügt, wird seltener thematisiert. Im Exekutivkomitee des Verbands sitzt Nasser al-Khelaifi, katarischer Geschäftsmann und Präsident des Klubs Paris Saint-Germain.
Beide Fussballorganisationen haben gemeinsam, dass sie sehr wenig Geld an den Fiskus zahlen. Im vergangenen Jahr verbuchte die Uefa Steuern und sonstige Ausgaben wie Zinsen von lediglich 28,5 Millionen Euro. Das waren gerade einmal 0,65 Prozent des Umsatzes. Bei der Fifa waren die Steuern im WM-Jahr 2022 mit 22,7 Millionen Dollar vergleichbar.
Auch hier gilt: Am Pranger steht vor allem die Fifa. Als vor wenigen Wochen eine Debatte darüber aufkam, ob der Verband einen Wegzug aus Zürich plane, erinnerten Lokalpolitiker an die privilegierte Besteuerung, als könnten sie es kaum erwarten, die Bevorzugung zu streichen.
Eine vergleichbare Debatte rund um die Uefa liegt etliche Jahre zurück. Nach der EM 2008 in der Schweiz und Österreich hinterfragten einzelne Parlamentarier die fiskalische Vorzugsbehandlung. Ein damaliger Nationalrat der Grünen forderte: «Die Uefa muss korrekt besteuert werden.»
Der Bundesrat wies den Vorstoss seinerzeit vehement zurück. «Die Steuerbefreiung der internationalen Sportverbände muss (. . .) in einem grösseren Zusammenhang gesehen werden», hiess es in der Stellungnahme der Regierung. Der internationale Sport trage zur Völkerverständigung bei. Sportprogramme seien ein anerkanntes Element der Friedensförderung. Nach dieser engagierten Replik war das Thema erledigt.
Auch bei den Ticketpreisen sind Uefa und Fifa an den grossen Turnieren fast im Gleichschritt unterwegs. An der EM 2024 kosten Plätze an gewöhnlichen Gruppenspielen bis zu 200 Euro und im Final bis zu 1000 Euro. An der WM 2022 in Katar betrug der Preis für einen Platz der obersten Kategorie an Gruppenspielen umgerechnet 190 Euro und im Final 1390 Euro.
Angesichts etlicher Gemeinsamkeiten bleibt nur ein plausibler Grund für das bessere Image der Uefa: Ihr Präsident Aleksander Ceferin präsentiert sich vorteilhafter als sein Gegenpart Gianni Infantino. Ceferin kritisierte die Pläne einiger Klubs, eine eigene Superliga zu gründen, glaubhafter. Von ihm sind keine Geheimtreffen mit dem ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber bekannt. Und während Infantino noch lange im Amt bleiben dürfte, hat sich Ceferin festgelegt, 2027 nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten. Er will in drei Jahren aufhören, obwohl eine mittlerweile geltende Amtszeitbeschränkung für ihn noch nicht bindend wäre. Das reicht, um als Funktionär vergleichsweise populär zu sein. Die Ansprüche sind tief.
Schweizer Funktionäre, Uefa und Fifa: Wer beisst schon die fütternde Hand?
Wer sich fragt, weshalb Schweizer Funktionäre oft zu Vorgängen in den Fussball-Dachverbänden Fifa und Uefa schweigen, findet im Geldfluss Antworten. Letztlich finanzieren die Fifa und die Uefa den Schweizer Fussball. Dank deren Wettbewerben lässt sich die A-Auswahl vortrefflich vermarkten – während der Qualifikationsphasen und jetzt etwa an der EM in Deutschland.
Die Schweizer Fussballer spielen im Schweizerischen Fussballverband (SFV) zwei Drittel der jährlichen Erlöse von 70 bis 80 Millionen Franken ein. Hauptsächlich dank Fernseh- und Kommerzrechten und dank Endrundenprämien, die regelmässig einkalkuliert werden können, weil die Auswahl seit 2004 nur ein Turnier verpasst hat.
Das EM-Geld umfasst einerseits den vertraglich fixierten EM-Zustupf der SFV-Partner, andererseits die Turnierprämien der Uefa. 2021 summierten sich mit der Viertelfinalqualifikation für den SFV 19 EM-Millionen, 2022 in Katar 17 WM-Millionen. Davon verschlingen die operativen Kosten sowie die Prämien an den (Trainer-)Staff und an Spieler den Löwenanteil. Für die EM 2021 kassierten die in ihren Klubs ohnehin in Millionenhöhe entlöhnten Protagonisten 9 Millionen, für die EM 2021 deren 10.
Unter dem Strich finanzieren die jeweiligen A-Auswahlen, die Uefa und die Fifa die Landesverbände. Zu den üppigen Turniereinnahmen addieren sich jedes Jahr Beiträge aus den Hilfsprogrammen der Uefa und der Fifa. Das waren 2023 im SFV fast 10 Millionen.
Der SFV subventioniert quer. Die Direktion Fussballentwicklung erhält um die 10 Millionen, wovon die Hälfte ins Schiedsrichterwesen fliesst. In der Frauenabteilung stieg der Bedarf im Hinblick auf die EM 2025 in der Schweiz auf 10 Millionen. Weiteres Uefa- und Fifa-Geld kommt zweckgebunden den Leistungszentren des Nachwuchses und der Frauenauswahl zugute. Oder dem Ausbildungszentrum der Mädchen in Biel.
Kurz: Fast alles hängt am Tropf der Uefa, der Fifa und der A-Auswahl. Ein weiteres Exempel: 2023 flossen über 3 Millionen vom SFV in die Swiss Football League. Also in den Schweizer Klubfussball, der ökonomisch auf brüchigem Fundament steht. (bir.)
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