Karin Keller-Sutter und Guy Parmelin sprechen von konstruktiven Gesprächen mit dem US-Finanzminister Bessent. Die Bundespräsidentin will keine Bittstellerin sein – und fordert «Rechtsstaatlichkeit» von den USA.
Die Mienen sind ernst, wenn nicht angespannt. Karin Keller-Sutter kneift die Lippen zusammen. Gleich zu Beginn dieser Medienkonferenz scheint klar, dass die Bundespräsidentin und der Wirtschaftsminister Guy Parmelin keinen grossen Durchbruch im Handelsstreit mit den USA zu verkünden haben.
Den hatte zwar auch niemand erwartet. Aber was die beiden dann im Genfer Hotel Intercontinental sagen, haut niemanden vom Hocker: Die Gespräche mit dem amerikanischen Finanzminister Scott Bessent und dem Handelsbeauftragten Jamieson Greer USA seien «konstruktiv und freundschaftlich» verlaufen. Beide Seiten wollten den weiteren Prozess beschleunigen.
Der liebe Prozess: Seit dem sogenannten Befreiungstag des amerikanischen Präsidenten Donald Trump am 2. April drohen der Schweiz generelle Einfuhrzölle von 31 Prozent, viel mehr als etwa der EU mit ihren 21 Prozent. Für 90 Tage setzte Trump die Zölle zunächst aus. Seitdem versucht die Schweiz, sie möglichst komplett wegzuverhandeln.
Es gehe um Arbeitsplätze in der Schweiz, sagt Keller-Sutter
Das bekräftigte Karin Keller-Sutter am Freitag. «Auch schon mit zehn Prozent wird es schwierig», sagte sie in der Fragerunde. Zehn Prozent, das ist der allgemeine Zollsatz für alle Handelspartner der USA. Bereits jetzt litten hiesige Firmen unter der Unsicherheit, sagte Keller-Sutter weiter. «Wir kämpfen um Arbeitsplätze in der Schweiz. Es geht ans Lebendige.»
Nach Keller-Sutters Telefonat mit Trump im April, nach diversen Treffen in Washington will die Schweiz nun «in den nächsten ein bis zwei Wochen» eine Absichtserklärung finalisieren und nach Washington schicken. Auf dieser Grundlage sollen dann die Staatssekretärinnen Helene Budliger Artieda (Wirtschaft) und Daniela Stoffel (Finanzen) weitere Gespräche in den USA führen.
Das Ziel des Bundesrats klang am Freitag ambitioniert. Am Donnerstag hatte Grossbritannien eine Grundsatzeinigung in seinem Zollstreit mit den USA erreicht. Keller-Sutter sagte nun: «Die Schweiz soll eines der nächsten Länder sein – wir hoffen natürlich das zweite.»
Dafür hätten die USA keine Garantie abgegeben, erläuterte die Bundespräsidentin. Aber sie hätten zugesagt, dass die Schweiz zu einer Gruppe von Staaten gehöre, mit denen speditiv umgegangen werde.
«Wenn wir dann einmal ein ‹Agreement in principle› erreichen würden», sagte Keller-Sutter, offenbar leicht genervt vom langwierigen Prozess, dann würde die 90-tägige Frist bis zum möglichen Inkrafttreten von Zöllen unterbrochen werden. Immerhin.
Starker Franken und Agrarsubventionen im Fokus
Inhaltlich war es am Freitag in den Gesprächen mit den USA um bekannte Streitpunkte gegangen. Die USA hätten ihrem Eindruck nach ein «Raster», das sie mit allen Ländern durcharbeiteten, sagte Keller-Sutter. Dazu gehören offensichtlich Zölle, nichttarifäre Handelshemmnisse, Subventionen und Währungsmanipulation.
«Natürlich» komme immer die Frage des Schweizerfrankens, der derzeit die «härteste Währung der Welt» sei. Den Verdacht der Währungsmanipulation habe die Schweiz bereits in den Vorjahren entkräftet, sagte Keller-Sutter. Die Nationalbank sei unabhängig und habe eben den Auftrag der Preisstabilität.
Auch um die Schweizer Subventionen für die Landwirtschaft sei es gegangen, bestätigte Wirtschaftsminister Parmelin, ohne Details zu nennen. Die USA sehen darin Wettbewerbsverzerrung. Die vereinfachte Einfuhr amerikanischer Landwirtschaftsprodukte ist Bestandteil der Grundsatzeinigung mit Grossbritannien.
Weiter hatten die Schweiz und die USA über das geplante Doppelbesteuerungsabkommen gesprochen. Dieses ist fertig ausgehandelt und derzeit im amerikanischen Senat blockiert. «Das würde natürlich auch Investitionen befördern in den USA», sagte Keller-Sutter.
Bittstellerin will die Schweiz nicht sein
In solchen Äusserungen wurde klar, dass die Schweiz gegenüber Präsident Trump nicht als Bittstellerin auftreten will. Schweizer Firmen seien in der industriellen Produktion die viertgrössten ausländischen Investoren in den USA, bei Forschung und Entwicklung sogar die grössten. 400 000 Arbeitsplätze hätten sie geschaffen, bei einem Durchschnittssalär von 130 000 Dollar. «Was eine Menge ist!», sagte Keller-Sutter.
Und ja, Schweizer Unternehmen, allen voran aus der Pharmabranche, wollten weitere 150 Milliarden Franken in den USA investieren, bestätigte die Bundespräsidentin Medienberichte. Das finde bei den amerikanischen Vertretern schon Gehör.
Aber, fügte die Finanzministerin hinzu: Die Firmen investierten nur dann, «wenn man ein Signal kriegt, dass man Rechtssicherheit hat». Auf Englisch ging Keller-Sutter, die die Sprache exzellent spricht, später einen Schritt weiter: Sie forderte «certainty and rule of law», also Planungssicherheit – und Rechtsstaatlichkeit. Harte Worte an die Adresse der ältesten Demokratie der Welt.
Ähnlich selbstbewusst zeigte Keller-Sutter sich auf die Frage eines Journalisten, ob ihr 25-minütiges Telefonat mit Donald Trump Anfang April mit dazu geführt habe, dass der Präsident seine Zölle für alle Handelspartner zunächst sistierte. «Das hoffe ich», sagte Keller-Sutter lächelnd, «er sollte auf Frauen hören».
Und dann war da ja noch China. Die andere Supermacht, mit der die Schweiz am Freitag sprach, ging im Dauerspektakel um Donald Trump fast unter. Zumal es hier nicht um die Verhinderung von Schlimmerem geht, sondern um eine engere Zusammenarbeit: Die Schweiz verhandelt bekanntlich mit China über eine Ausweitung des seit 2014 bestehenden, bilateralen Freihandelsabkommens.
Mit China gebe es «interessante Resultate», sagt Parmelin
Guy Parmelin sagte, er habe rund 45 Minuten lang mit dem chinesischen Vize-Ministerpräsident He Lifeng eine kleine Zwischenbilanz nach der ersten Verhandlungsrunde gezogen. Es gebe «interessante Resultate», im Juli werde eine chinesische Delegation zur zweiten Verhandlungsrunde in die Schweiz kommen. Mehr Substanzielles war nicht zu erfahren – und womöglich auch nicht passiert.
Die Schweizer Treffen mit China und den USA am Freitag waren eben nur ein hübscher Beifang vor dem eigentlichen Anlass: den ersten bekannten Gesprächen zwischen Washington und Peking seit dem Beginn des erneuten Handelszwists. Sie finden diesen Samstag und Sonntag ebenfalls in Genf statt.
Dazu sagte Parmelin auf Nachfrage, die Chinesen seien mit einer grossen Delegation da, es werde «richtige Verhandlungen» geben. Präsident Trump hatte am Freitag auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social in Aussicht gestellt, die Zölle für China von derzeit 145 Prozent auf 80 zu senken. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte zuvor berichtet, die USA könnten eine Senkung auf 60 Prozent ab kommender Woche anbieten. Es dürfte ein spannendes Wochenende in Genf werden.