Men’s Fashion Week
«Naked Dressing» an Dries Van Notens letzter Modenschau, knappe Shorts bei Gucci und Häkelhüte bei Dior Men: die Highlights der kürzlich zu Ende gegangenen Männermodewochen in Mailand und Paris.
Aus der breiten Vielfalt von Vorschlägen für die Männergarderobe des Frühlings und Sommers 2025 liest sich vor allem ein Trend unisono heraus: Die Schnitte sind soft und bloss nicht zu eng, sondern lieber fliessend-weit. Das zeigte sich in den Kollektionen von Prada, Hermès und Dior. Und natürlich sah man dies auch beim bald 90-jährigen Giorgio Armani, Altmeister des «Soft Tailoring», mit seiner gleichnamigen Hauptlinie sowie der «Emporio»-Linie. In den vergangenen Jahren modisch etwas in den Hintergrund gefallen, entsprechen seine Entwürfe auf einmal wieder dem Zeitgeist.
Acht Stilnotizen, die wir von den Männermodewochen in Paris und Mailand für Frühjahr/Sommer 2025 mitnehmen:
1. Dries Van Noten: Grosser Abschied nach 29 Jahren
Sogar Martin Margiela, der grosse Unbekannte der Modeszene, der all die Jahre praktisch anonym blieb, erschien zur letzten Show von Dries Van Noten. Dass weitere Modegrössen wie Pierpaolo Piccioli, Diane von Fürstenberg («Dries ist ein Symbol von Eleganz, Disziplin und Schönheit», sagte sie), die Hermès-Designerin Véronique Nichanian, Haider Ackermann, Thom Browne, Glenn Martens, Ann Demeulemeester und Walter Van Beirendonck dieser Show – seiner 129. – im Pariser Vorort La Courneuve beiwohnten, bewies eindrücklich das hohe Ansehen, das der 66-jährige Belgier seit Jahren in der Modeszene geniesst.
1958 in Antwerpen geboren und aufgewachsen, schloss Van Noten 1981 ebendort sein Modestudium an der Royal Academy of Fine Arts Antwerp ab. 1986 lancierte er seine erste Herrenkollektion, die auch bei Frauen gut ankam. Die erste Männermodenschau präsentierte er 1991, 1993 dann erstmals ein Frauenmodedefilee.
Über die Jahre avancierte er mit seiner Mischung aus Poesie, Exzentrik und anmutigen Schnitten zum Lieblingsdesigner vieler Modefans. 2018 verkaufte er Mehrheitsanteile seiner Firma an den spanischen Parfum- und Modekonzern Puig. Zwei Jahre nachdem die ersten Parfums und Beauty-Produkte von Dries Van Noten lanciert worden waren, löste Dries Van Notens Rücktrittsankündigung eine Welle von Betroffenheit aus.
Die Show begann – wie so oft in Van Notens vergangenen Defilees – in absoluter Stille: Model Alain Gossuin, der schon 1991 in Van Notens erster Show lief, eröffnete in einem schlichten Outfit aus dunklem Mantel und grau-beiger Hose. Der Laufsteg leuchtete im Dunkeln mit Tausenden von sanft wogenden Silberfolienblättern. Und so wie der Soundtrack erst sachte einsetzte und dann langsam anstieg, um mit kraftvoller Musik das Finale zu feiern, so war auch die Kollektion aufgebaut: anfangs sehr schlichte, uniformenhafte Outfits, peu à peu kamen mehr Farbakzente zur anfänglichen Palette aus Schwarz, Marineblau und Beige dazu, etwa zarteste Rosa-, Apricot- und Lachstöne – ein weiteres Van-Noten-Kennzeichen.
Dann schliesslich auch exzentrische Elemente wie blütenartige Marmormuster, strahlendes Silber, fellartige Texturen und die ultraleichten, halbtransparenten Mäntel, die Dries Van Noten seit einigen Jahren in seinen Männerkollektionen so gerne einbringt.
Von den 69 Männer-Outfits, von denen 12 an Frauen präsentiert wurden, wird wohl jedes Einzelteil als begehrtes Souvenir und Sammlerstück eines der meistgeliebten Modedesigner der letzten drei Dekaden seinen Abnehmer finden.
2. Dior Men: Crochet-Glockenhüte
Die Arbeiten des südafrikanischen Künstlers Hylton Nel dienten als Hauptinspiration für die neue Show von Kim Jones, Kreativchef der Männerkollektion bei Dior. Riesige Reproduktionen der eigenwilligen Katze-Mensch-Figurinen zierten den Laufsteg. Nels naiv-humoristische Ästhetik wurde auch in den Outfits wieder aufgenommen, etwa als Stickereien mit Metallnieten oder animalischen Keramik-Applikationen.
Die Silhouetten der neuen Männerkollektion sind leicht, rundlich und weit, angelehnt an Dior-Archiventwürfe aus den 1950er und 1960er Jahren. Es wurde gar ein nie realisierter Mantel des Ex-Dior-Designers Yves Saint Laurent, basierend auf einer Entwurfsskizze von 1958, erstmals umgesetzt.
Hingucker waren aber vor allem die handgehäkelten «Cloche Hats», die der Hutdesigner Stephen Jones in Zusammenarbeit mit dem Handwerksstudio Earth Age aus Kapstadt fertigte. Um einen internationalen Savoir-faire-Geist zu zelebrieren, wurden die Hutkrempen mit Keramikperlen von Yann Petillaut aus Frankreich verziert.
3. IFM-Studentin Sophie Gontard: Der Trenchcoat der Saison
Die Pariser Männermodewoche wurde mit einer Modenschau der Bachelor-Absolventen des Institut français de la mode (IFM) eröffnet. Dabei stach vor allem die Kollektion von Sophie Gontard heraus. Unter dem Titel «I find men’s clothing funny» setzte sie sich mit Stricktechniken und zweidimensionalen Trompe-l’Œil-Effekten auseinander. Auffällig ist ihr Gefühl für Proportionen und originelle Entwürfe wie etwa der «platte» Trenchcoat mit Kontrastschatten, die wie gezeichnet wirken.
4. Rick Owens: Monumentale Show
Die Modenschauen des Kaliforniers hatten schon immer das Flair von spirituellen Prozessionen – die jüngste Show für Frühjahr/Sommer 2025 machte dies noch deutlicher. 200 Models – ein Grossteil von ihnen Studentinnen und Studenten von Modeschulen – schritten in einheitlich gewandeten 20er-Gruppen, einer Olympia-Eröffnungszeremonie nicht ungleich, durch den Hof des Palais de Tokyo.
Die Symbolik hinter der Inszenierung: In Zeiten von Individualismus wollte Owen für einmal auch der Einheit huldigen. «Hollywood» heisst die neue Kollektion, der Ort, wo Rick Owens einst seine Karriere startete, wohl aber auch eine Reminiszenz an eine vergangene Epoche, die einst biblische Filmepen wie «Die zehn Gebote» (1956) oder «Kleopatra» (1963) hervorbrachte.
Die Owens-Jünger trugen zerschlissene Gym-Shorts zu wehenden Chiffon-Umhängen. Von den beschichteten Lederjacken über die massiven Overknee-Gamaschen bis zu den kunstvoll drapierten Stricktops der slowenischen Nachwuchsdesignerin Tanja Vidic war alles in einem milchigen Sandsteinton gehalten.
5. Gucci: Knappe Shorts und opulente Bowling-Shirts
Zwischen «City» und «Beach» bettete Sabato De Sarno in Mailand seine jüngste Gucci-Kollektion ein – es ist seine zweite Männerkollektion seit dem Debüt im vergangenen September. An den neuen, aufgeräumten Gucci-Look aus klaren Linien, jedoch mit reichhaltigen Texturen, hat man sich bereits gewöhnt. Auch schon im Mai überzeugte De Sarno in London mit einer stimmigen Cruise-Kollektion für 2025, nun legte er an der jüngsten Mailänder Männermodewoche einen Zacken drauf.
Zu ultrakurzen Shorts wurden eine Reihe kastiger Oberteile wie Lederjacken mit Kontrastkragen oder Variationen von Bowling-Shirts mit üppig-exotischen Prints oder aus Perlenfransen kombiniert. Begehrenswert sind die neuen Horsebit-Loafers mit skulpturaler Spitze, die es auch als Stiefelette gibt.
6. Fendi: Krawatte zur Sporthose
«Sartoriale Puzzlesteine in zeitgenössischer Männlichkeit aktivieren» lautete das etwas gar kryptische Kollektionsmotto bei Fendi. Die Farbpalette war in pudrigen Tönen gehalten: Elfenbeinweiss, Caramel und Buttermilchgelb mit sanften Blau- und Grüntönen.
Die Bekleidung vermischte einst uniforme Kleidungsstücke der Arbeitswelt mit Freizeitstücken: Button-down-Hemden mit Krawatten, die bis zur Hälfte mithilfe einer Klammer cool aufgerollt wurden, dazu sportive Shorts und Sneakers. Ins Auge stachen die Variationen klassischer Rugby-Shirts aus dickem Sommerstrick mit langen, kurzen oder gar keinen Ärmeln.
7. Prada: Spiegelsonnenbrillen und Hüftgürtel zum «Normcore»-Look
Miuccia Pradas Version von «Normcore» fand in engen Tops und lässig-weiten Hosen Ausdruck. Den besonderen Prada-Hype erhielten die Outfits dank typisch pradaeskem Styling: klassische «Opa»-Gürtel, die auf der Hüftgegend die Hosen schmückten, und riesige, verspiegelte Sonnenbrillen.
8. Zegna: Mads Mikkelsen mit farblich abgestimmtem Gepäck
Der Markenbotschafter Mads Mikkelsen schloss die Zegna-Show in Mailand mit Look Nummer 50 ab: Die rotbraune Kalbslederjacke ist ein neues Modell namens «Il Conte» und wird bereits als Ikone gehandelt. Dazu trug er ein schokobraunes Jacquardstrick-Top und eine massgeschneiderte Five-Pocket-Hose. An den Füssen waren edle Mocassin-Slipper zu sehen.
Nebst den Hosen stachen in der ganzen Kollektion immer wieder softe Reisetaschen ins Auge. Ob einzeln oder gleich je eine in der Hand, sie waren stets farblich auf die Kleider abgestimmt.
Mikkelsens Outfit brachte den Geist der Kollektion auf den Punkt: Die Looks sind raffiniert und doch entspannt, in stimmiger Farbpalette und fast puristischen, ausbalancierten Schnitten kommt die Hochwertigkeit der Materialien zur Geltung. Das Augenmerk liegt vor allem auf den Hosen. Sie wirken unaufgeregt, aber edel mit weitem, fliessendem Bein, das aber weniger effekthascherisch wirkt als die Oversize-Schnitte, die der Zegna-Kreativchef Alessandro Sartori noch vor einigen Saisons propagierte.